• Zwischen Schwarzwald und Vigesen

    23 de abril, Francia ⋅ ☁️ 10 °C

    Notiz zu Beginn: Die folgenden Zeilen entstehen in einer ganz neuen Situation. Ich sitze im Tshirt auf einer bequemen Couch und liege nicht dick eingepackt in Schlafsack und Daunenjacke mit Kapuze überm Kopf.

    Nachdem ich mir also heute Früh mein Ruhetagsdomizil gebucht hattte, streckte ich den Kopf um 8:15 Uhr aus meinem Zelt heraus und musste erstaunt feststellen, dass mein Zelt noch das einzige der 4 in meiner Ecke gewesen war, welches noch stand. Alle anderen Radreisenden waren jetzt schon unterwegs. Irgendwie schon überraschend. Erstens frage ich mich, warum ich so früh schon unterwegs sein will. Die Temperaturen werden aktuell eher ab 10 Uhr erträglich. Zweitens will ich nicht mit Wecker aufstehen müssen, es ist ja schließlich Urlaub. Zumindest irgendwie, auch wenn es sich eher jeden Tag nach einem harten Stück Arbeit anfühlt. Aber naja, sollen se alle machen, wie se wollen.

    Ich packte lieber meine Sachen in die Sonne und ließ alles so gut es geht abtrocknen. Während ich beim Trocknen zuschaute, gönnte ich mir zum Frühstück einen Becher Haferjoghurt und die restlichen 3 Cookies (bzw. eher die Bruchstücke und Krümel davon, vielleicht hab ich heute Nacht im Zelt mal aus Versehen drauf gelegen).

    Alles passte wieder wie immer super an mein Rad und kurz nach halb 11 ging es zur Rezeption. Für Zusammenstehen auf engstem Raum mit schicken Sanitäranlagen durfte ich 19€ lohnen. Bisher deutlich teurer als die sonst 12-14€.

    Nun ging es direkt wieder über die gleiche Brücke, über die ich gestern kam wieder zurück nach Frankreich und ich bahnte mir den Weg in die Altstadt von Straßburg. Hier sind ein paar wirklich schöne Gässchen mit vielen Fachwerkbauten und unzähligen Kanälen zu finden. Ganz niedliche Stadt. Aber auch viele Menschen. Somit zog es mich auch hier lieber weiter.

    Vor mir lagen heute noch knapp 90km. Erstmal hielt ich aber am Stadtrand am Lidl an und versorgte mich mit Pizzabrötchen, Apfel, 2x Pain au Chocolat und einer Cola. Ersteres verleimte ich mir direkt ein, den Rest verstaute ich in meinen Trikottaschen und so konnte es dann weiter gehen.

    Vor mir lag nun der wohl monotonste Teil der bisherigen Reise: Der Rhein-Rhone-Kanal, gut 50km nur gerade aus am Kanal entlang. Aber schon nach 3km merkte ich, dass ich umplanen muss. Der Kanal wird von Baumreihen eingerahmt und die Wurzeln der Bäume haben den Asphalt an ca jedem 2. Baum durchdrungen. Die damit einhergehenden Bodenwellen sind Gift für jedes Rad. Im Halbschatten konnte man sie nicht immer richtig sehen und so kamen sie teils sehr unvorhersehbar. Auch kann man bei solchen Bodenwellen nicht im Auflieger fahren, weil einfach zu unsicher.

    Ich entschied mich also für die französische Landstraße. Landschaftlich wenig reizvoll ging es so über rauen Asphalt von Dörfchen zu Dörfchen (die hier fast alle auf -heim enden) und dazu gesellte sich wieder der fast schon obligatorische Gegenwind. Der Himmel wurde nun auch immer grauer und über den Vogesen war schon der erste Regen in der Ferne zu erkennen.

    Nach knappen 50 km machte ich nochmals Pause mit Cola und Apfel. Danach nahm ich die nächsten 30km Richtung Colmar in Angriff. Kurz nach der Pause bekam ich dann leider einen unnötigen Adrenalinschub und damit auch die erste Nahtoderfahrung meiner Reise. An einem Fahrbahnteiler am Ortsausgang überholte mich ein weißer PKW schon ziemlich knapp und Schnitt dabei meinen Fahrweg. Halb so wild eigentlich. Nur leider hatte der PKW noch einen Anhänger, der nun noch weiter in meinen Fahrweg kam und mein Handgelenk knapp verfehlte. Noch dümmer kam es, dass aus dem Anhänger noch ein knapp halben Meter langes Metallstück schräg nach oben herausragte, was meine Schulter bzw. meinen Kopf nur noch im Centimeter verpasste und ich es nur vorbeirauschen hörte. Das war wirklich verdammt knapp und beängstigend. Ich unterstelle dem Fahrer dabei nicht unbedingt Absicht, sondern eher die mangelnde Fähigkeit, seinen Anhänger einzuschätzen. Und trotzdem ziehe ich als Radler immer den Kürzeren.

    (Trotzdem muss ich sagen, dass bisher in Frankreich ein ganz anderes Klima auf der Straße herrscht. Die Autos halten z.B. immer wieder an, um mir Vorfahrt zu gewähren, obwohl sie es nicht müssten. Insgesamt fühle ich mich hier bisher deutlich mehr respektiert und damit auch sicherer)

    Nach diesem Erlebnis ging es trotzdem weiter Richtung Colmar. Die dunklen Wolken kamen immer näher, es tröpfelte immer wieder leicht und auch der Gegenwind frischte immer stärker auf, sodass ich teilweise nur noch mit 20kmh über die Landstraße kroch. Am Ortseingang von Colmar ging das Tröpfeln dann in Regen über und ich hielt an, um mich umzuziehen. Als ich alles angelegt hatte, hörte der Regen zwar schon wieder allmählich ab, aber laut Radar war der nächste Regen nicht weit entfernt. So kämpfte ich mich nun weiter durch die Stadt und am Ortsausgang hielt ich beim Lidl für die Abendverpflegung an. Da heute Abend ein richtiger Kochtopf zur Verfügung stand, entschied ich mich klassisch für Nudeln. Dazu noch eine fertige Sauce, Stracciatella Joghurt, 2 Smoothies, Cookies und Eistee. Damit war die Verpflegung für den Nachmittag und Abend gedeckt.
    Im leichten Regen und mit Gegenwind ging es nun die letzten 12 km bis zum Ziel. Es wurde auch langsam hügeliger, da ich den Rand der Vogesen erreichte. An Weinhängen entlang näherte ich mich meinem Ziel und überquerte 4km davor den ersten und einzigen Anstieg (1km lang und 55Hm).
    Mein Ziel erreichte ich in Pfaffenheim, direkt an der Chocolaterie. Die Inhaber vermieten eine kleine Wohnung oberhalb ihrer Garage. Der Empfang war super nett und die Unterkunft hat alles was ich für meinen Ruhetag brauche. Nach dem Ankommen entdeckte mich beim Entladen des Velos direkt die “Herrin des Hauses” und beschnupperte meine Taschen. Anscheinend ging ich durch ihre Qualitätskontrolle und die kleine genoss meine Streicheleinheiten. Offenbar so sehr, dass sie direkt mit zu mir in die Wohnung wollte und sich demonstrativ auf der Treppe breit machte. Ich konnte sie doch davon überzeugen, dass das wohl eher nicht geht und so gingen wir beide wieder raus. Dort beobachtete sie noch genau, wie ich mein Rad sauber machte und dann wurde sie von etwas im Garten abgelenkt. Ich ging allmählich wieder hinein und musste erstmal kurz runterkommen.
    Ich packte nun meine Taschen aus und schmiss fast alle Sachen auf einen Haufen, der dann direkt in die Waschmaschine wanderte. Nach dem Duschen wurde dann der restliche Inhalt der Taschen zum Trocknen ausgebreitet, da vieles von den vorherigen Tagen einfach klamm war. Dazu wurde noch die Kette wieder neu gewachst.

    Zum Abendbrot kochte ich mir einen großen 300g Berg Nudeln mit Tomaten-Basilikumsauce, der restlos im Bauch verschwand. Der restliche Abend blieb entspannt und so steige ich nun nicht in meinen Schlafsack sondern lege mich in einem warmen Zimmer in mein Bett. Nach den paar Tagen, weiß man nun direkt wieder diesen Luxus zu schätzen. Allein dafür ist diese Reise Gold wert.

    Morgen ist wirklich mal ein Ruhetag. Heute war gerade durch den verflixten Gegenwind anstrengender als es sein sollte. Daher morgen nix machen, außer Seele baumen lassen und Speicher auffüllen.

    Der erste Abschnitt dieser Tour ist damit schon zu Ende, auch wenn es nur der Anfang war. Vielen lieben Dank an alle, die bis hierher gelesen haben und Danke auch alle, die mir ihre lieben Nachrichten zukommen lassen haben.

    Damit bonne nuit an alle.

    Km 658
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