Europa 2022

January 2022 - January 2023
A 366-day adventure by vondu Read more
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  • Day 107

    08 In the dutch mountains

    May 17, 2022 in the Netherlands ⋅ ☁️ 21 °C

    "Holland ist flach, mit endlosen Wiesen und durchzogen mit einem Netz von schmalen, gerade verlaufenden Kanälen, zwischendurch ist in der weit überschaubaren Ebene eine alte Windmühle zu sehen. Alles in allem recht langweilig.", so sah Holland in unserer Vorstellung aus. Wir wollten es schon fast aussen vor lassen, aber da es direkt auf unserer Route lag, dachten wir: "Nun denn, durchfahren wir es halt kurz."

    Jetzt, ein paar Wochen älter und einige Erfahrungen reicher müssen wir unsere Meinung klar revidieren. 

    Ja, Holland ist flach - Aber es gibt sie die "Dutch mountains", genau wie von The Nits besungen. Die sanft hügeligen Erhebungen liegen zu unserem grossen Amusement in einer Gemeinde mit dem Namen Berg en Dal.

    Ja, Holland hat viele Wiesen - Und viele Bäume und Wäldchen und Bächlein und Tümpel und Kühe und das ganze ist richtig abwechslungsreich zum Schauen. Natürlich tragen auch die vielen Pferde mit den langbeinigen, stacksigen Fohlen an ihrer Seite dazu bei, Thes immer wieder ein Lächeln auf's Gesicht zu zaubern.

    Ja, Holland hat auch viele Kanäle - Und Flüsse. Oft gesäumt von kleinen und grösseren Siedlungen. Die Backsteinhäuser, gelegentlich mit Rieddächern und oft mit zum neidisch werden viel Umschwung, sind eine wahre Augenweide.

    Und ja, wir durften auch ein paar der nostalgischen Windmühlen bewundern (die sich dann meist in IN den Orten befinden).

    Zudem sind die Begegnungen mit den wirklich sehr offenen und freundlichen Niederländern erfrischend. Täglich werden wir angesprochen und wir plaudern über dies und jenes. Natürlich sind sie extrem an unserer Reise interessiert, sind wir doch auf einem für sie "normalsten Fortbewegungsmittel" unterwegs. Noch lange werden wir z. B. an das pensionierte Päärchen (Er: 77 Jahre, Sie: nur unwesentlich jünger) denken, die ebenfalls immer noch mit Zelt und Velo unterwegs sind und uns auch gute Tipps auf den Weg mitgegeben haben.

    Apropos Velo: In den Niederlanden ist das Velowegsystems (fietsknoop.nl) echt genial. Ob mit der App oder analog unterwegs, du kannst auf einfachstem Wege deine Route planen und gehst nicht verloren. So fährt es sich extrem entspannt durchs ganze Land. Und wenn dein Ziel mal abseits von den ausgeschilderten Veloknotenpunkten liegt?  … kein Problem, es wird so oder so einen Veloweg geben. (Sascha würde unsere Politiker gerne mal zu Zwangsveloferien hierhin schicken, damit die mal sehen könnten, was alles, auch bei engen Platzverhältnissen und innerorts, möglich ist)

    Und wenn wir denn schon beim Schwärmen sind, nach Frankreich sind die Campingplätze in Holland eine wahre wohltat. Egal ob Minicamping auf dem Bauernhof oder Ferienpark, die Plätze inklusive Sanitäranlagen sind in top Zustand und immer sauber. Sogar Toilettenpapier und Handseife sind vorhanden (etwas das in F nicht zum Standard gehört). 

    Kurzum, wir sind begeistert von Holland.
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  • Day 117

    09 Moin Moin

    May 27, 2022 in Germany ⋅ 🌧 11 °C

    Fast wehmütig verlassen wir unser bisheriges Veloreiselieblingsland Holland. Als nächstes liegt Norddeutschland auf dem Weg, für uns schon wieder ein völlig unbekanntes Pflaster. Das tolle Knotenpunktsystem der Niederländer hat sich etwas über die Grenze hinaus ausgebreitet, so dürfen wir dieses „easy riding“ noch zwei weitere Tage geniessen. Obwohl die Häuser nach wie vor aus Backsteinen gebaut und gelegentlich mit Ried gedeckt sind, sehen und fühlen wir den Länderwechsel. Die Häuser sind etwas geradliniger, die Siedlungen ein wenig nüchterner mit weniger Bäumen. Schön ist, dass wir jedes Schild und jede Speisekarte sofort verstehen. Und wie in den Niederlanden wird hier immer gegrüsst. Das „Moin moin“ geht uns schnell ins Blut über.

    Wir sind erstaunt, wie sehr die Landschaft über Jahrhunderte durch den Menschen gestaltet wurde. Grob gesagt, zwischen Holland und Hamburg war einmal Sumpf. Über Generationen hinweg wurde dieses Moorgebiet durch Kanäle entwässert und somit landwirtschaftlich nutzbar gemacht. Entlang dieser Kanäle sind Siedlungen entstanden. Diese sogenannten Fehnkolonien erstrecken sich oft über Kilometer hinweg und je eine Häuserzeile ist dabei wie eine Perlenkette links uns recht vom Fluss aufgereiht.

    Da das flache Land ungefähr auf Höhe des Meeresspiegels liegt, ist die gesamte Küste und jeder Fluss mit einem Damm eingefasst um das Land vor Springfluten zu schützen. Die schiere Menge an Material und Arbeitskraft um diese Barrieren zu errichten, ist für uns unvorstellbar.

    Und nebst der schönen Landschaft und den angenehmen Menschen wäre da dann auch noch das Nordsee-Wetter, welches uns nicht ganz so freundlich empfängt. Wir lernen so ziemlich alle Facetten kennen, vor allem was den Wind betrifft. Die Windräder winken zwar, zeigen uns aber meist die kalte Schulter oder komplett den Rücken (studier studier... ja, richtig, GEGENwind). Sascha meint dann immer, er müsse den starken Mann markieren und fährt tapfer vorneweg um als geliebter Windbreaker zu agieren. Dies wird auch ohne Zweifel sehr von Thes geschätzt, nur manchmal geht's dann eben nicht ohne Gebrummel von vorne. Dies wiederum kann zu lustigen Situationen führen, da hinten durch das Ohrenrauschen nicht verstanden wird, was vorne gegrrrrt wird... Doch oh wahrhaftig, es geht auch anders: An einem Tag winken uns die Windkraftanlagen zu, zeigen uns ihr freundliches Gesicht und wir rauschen nur so übers flache Land. Das Grinsen ist dabei fast nicht mehr wegzukriegen, fast vergessen sind die etlichen Velotage, wo es anders war. Und der Wind nimmt immer mehr zu, wir werden schneller und schneller. Ist das der Velohimmel? Nein, so dann doch nicht, denn am nächsten Tag..... dreht der Wind um 180°..... Bei Windstärke 6 (um die 45 km/h) und Böenspitzen bis 65 km/h ist ein Vorankommen nicht nur äusserst mühsam, es wird auch noch gefährlich. Wir tragen unsere Stahlrösser ein erstes Mal über einen frisch entwurzelten Baum und suchen uns doch lieber eine Unterkunft (für den morgigen Tag ist Sturm vorausgesagt). Zum Glück werden wir bei einem alten Fährhaus fündig. Mol mol, so in der Wärme mit Ausblick auf einen Fluss sind die Gewitter und Sturmböen schön anzuschauen.

    So kommen wir wieder einmal mehr ums Gröbste herum. Aber ein wenig nagt es schon am Gemüt, wenn die Temperaturen nicht über 15° wollen und einem ständig ein frischer Wind entgegenbläst. Jeden Mittag suchen wir uns ein möglichst windgeschütztes Plätzchen um nicht gleich vollends auszukühlen, am Abend wird die heiss geliebte Daunenjacke zum wichtigsten Kleidungsstück. Wenigstens bleibt es meist trocken (oder wir umgehen Gewitter mit einem schier unglaublichen 9. (!) Sinn). Auch hier gibt es die berühmte Ausnahme. Im nördlichsten Eck von Norddeutschland erwischt uns ein Regenguss der übelsten Sorte. Es schifft und chutet in Strömen, die ach so gelobte non-plus-ultra Regenbekleidung kommt arg an ihre Grenzen und der Lätsch im Gesicht spricht Bände. Wir kämpfen uns einen Hügel hinauf, die Strasse ist mehr Bach wie Fahrweg. Nur noch ein paar Kurven und wir sind am heutigen Ziel, einem Bauernhof, der eine kleine Zeltwiese hat. Ah, endlich, da ist er und super, da hat's auch einen Unterstand. Nix wie hin. Der Bauer ist ebenfalls unter dem trockenen Dach und werkelt an seinem Auto rum. Als erstes grinst er uns an und meint, wir hätten uns auch das beste Wetter zum Radeln ausgesucht. Und als zweites? Ha, da bietet er uns doch sofort ein regionales Bierchen an. Der Lätsch von Sascha verwandelt sich in ein dümmliches Grinsen, was Thes auch sofort erheitert.
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  • Day 125

    10 Jeg taler ikke dansk*

    June 4, 2022 in Denmark ⋅ ⛅ 20 °C

    *sagt die Dame in der Übersetzungsapp auf unsere Frage, was denn “Ich spreche kein dänisch“ heisst. Mit grossen Augen schauen wir uns an. „Wie bitte?“ Das müssen wir uns gleich nochmals anhören, und ein drittes Mal, bis wir endlich den einfachen Satz ein wenig nachplappern können. Wir sind es uns gar nicht gewohnt, so überhaupt nichts zu verstehen. Spanien war toll, da konnten wir unsere Sprachkenntnisse aus den Tiefen der Erinnerung hervorholen und sogar anständig kommunizieren. In Portugal lief es mit den Spanischkenntnissen auch ganz ok, jedenfalls haben wir die Leute, wenn sie langsam mit uns sprachen, gut verstanden. Frankreich und Belgien kamen wir mit français sehr gut durch. Holland, nun ja, holländisch können wir auch nicht, doch auch hier kann man einiges verstehen, wenn man gut zuhört. Aber in Dänemark.... in der kurzen Zeit gelingt es uns jedenfalls nicht, ein Gefühl für die Sprache zu entwickeln. Und entgegen der Annahme, in DK könnten alle englisch, werden wir eines besseren belehrt. Liegt es wohl daran, dass wir durchs ländliche und doch sehr hügelige Dänemark fahren und nicht an der touristischen Küste?

    Im kleinen Königreich Dänemark ist wild zelten streng verboten und wie uns ein Tourenfahrer bereits vorgewarnt hat, sind die Campingplätze horrend teuer. Doch dafür gibt es hier die Shelter – offizielle Übernachtungsplätze; manchmal ein hölzerner Unterstand, eine „Fyrhytte“ oder ein Platz wo man sein Zelt aufstellen darf. Es gibt dazu auch eine App, die das Planen echt zum Kinderspiel macht. (Jaja, auch wir sind inzwischen im 21. Jahrhundert angekommen und benutzen das Handy für solche Sachen. Aber hey, wir haben immer noch eine echte Strassenkarte dabei!)

    Wir sind richtige Fans der Shelter geworden. Im Holzkabäuschen schläft es sich ziemlich gut, das Feuer wärmt, der stetige Wind wird abgehalten und die friedliche Natur erledigt das Übrige. Was will man mehr? Apropos mehr... Eines kühlen Abends sitzen wir gemütlich am Lagerfeuer vor unserem Shelter. Zufrieden ruht unser Blick, über den leeren Grillrost hinweg, auf den fröhlich tanzenden Flammen. Heute ist es soweit, Thes kann den sehnsüchtigen Schimmer in Saschas Augen und die Söifertropfen an seinem Mundwinkel nicht mehr ignorieren. Für morgen darf endlich ein Stück Grillfleisch auf den Speiseplan. Einzige Bedingung von Thes: "Bio muss es sein". 

    Gesagt getan, steuern wir also am nächsten Morgen (Sascha bereits mit einem leichten Geschmack der Vorfreude auf der Zunge) einen grösseren Supermarkt an. Beim Durchsehen der zahlreichen Fleischkühltruhen können wir auf Anhieb kein Biosiegel entdecken. So fragt Thes bei einem jungen Mann hinter der Fleischtheke nach. Nach einem Blick aus grossen Augen wendet er sich hilfesuchend an seinen älteren Kollegen. Dieser weiss sofort wo das gewünschte Produkt zu finden ist und wir werden mit etwas Stolz zum einzigen Vegiburger im Geschäft geführt. Als wir dem Verkäufer nun erklären, dass wir Bio-Fleisch und kein Vegiprodukt suchen, werden wir mit völlig verständnislosem Blick gefragt, worin denn da bitte der Unterschied liege! Somit bleibt unser Grillrost auch an diesem Abend wieder leer... 
    Fairerweise muss noch angefügt werden, dass sich in Dänemark durchaus auch Bio Produkte finden lassen, man muss einfach wissen wo.

    Wir sind in den südlichen Ausläufern des Wikingergebietes angelangt. Runensteine, Grabhügel und glückbringende fliegende Modellschiffe in Kirchen zeugen noch von diesen Zeiten. Heutzutage treiben hier aber ganz andere blutrünstige Kreaturen ihn Unwesen. Unser heutiger Zeltplatz liegt irgendwo zwischen Wald und Wiese und wurde lange nicht mehr benutzt. Aber es hat sogar einen gemütlichen Tisch, also Luxus pur. Das hohe Gras ist auch kein Hindernis und so stellen wir unser Zelt auf, essen gemütlich eine Riesenportion Chili, geniessen den windstillen Ort und lauschen den Vögeln bei ihrem abendlichen Konzert. Erschöpft legen wir uns ins Zelt und nach wenigen Seiten Lesen verschwimmen die Buchstaben .... Am Morgen, die Augen noch kaum geöffnet, sieht Thes zwei Zecken am Innenzelt hochkrabbeln. Uh hoppla, da sollten wir uns doch auch kurz abchecken... Insgesamt finden wir sage und schreibe 13 dieser kleinen lästigen Blutsauger die sich an uns gütlich tun. Tia, der Lauf der Natur: „Fressen und gefressen werden“. Da hilft nur ein kleines Bier, das hier im 5 dl Glas serviert wird.
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  • Day 141

    11 Endlich in Skandinavien

    June 20, 2022 in Sweden ⋅ ⛅ 20 °C

    Eigentlich steuern wir seit langem den Norden von Dänemark an, um die Fähre Hirtshals- Kristiansand (Nor) zu nehmen. Eigentlich erzählen wir dies auch allen Leuten, die uns die letzten 4 Monate gefragt haben, wohin es denn gehen soll -  Norwegen, die Küste hoch, evtl. bis zum Nordkapp und dann irgendwie wieder südwärts.
    Eigentlich.....
    Eine Tagesetappe vor Hirtshals werfen wir unsere Pläne ganz vondu-like über Bord, biegen "rechts" ab nach Frederikshaven und nehmen die Fähre nach Göteborg. Schweden wir kommen.
    Die Fahrt verläuft trotz trübem Wetter ruhig. Kein grosses Geschaukel, keine grünen Gesichter. Wir sitzen im Bordcafé, schlürfen an unseren heissen wie kalten Getränken und beobachten ein wenig die anderen Passagiere. Dem Sing-Sang nach hat es fast nur schwedisch Reisende. Wir wundern uns noch, warum hier soviele Leute mit leeren Sackkarren unterwegs sind. Als dann der Duty-free Laden öffnet, geht uns ein Lämpchen an. Sie kaufen en-gros Alkohol, meist Kistenweise Bier und Wein. Ah ja, da war doch noch was. Alkohol ist doch im Schweden so teuer, oder? Anscheinend gibt es hier viele Passagiere, die schnell mit dem Schiff nach Dänemark schippern um sich auf der Rückfahrt einzudecken. Alles in allem ein Ausflug, der sich in 8 Std. bewältigen lässt (wie sich später herausstellt, ist der Alkohol gar nicht so viel teurer als bei uns. Jedoch ein wenig komplizierter zu bekommen, da alles, was mehr als 3.5% Vol. hat, nur von den staatlichen "Systembolaget" verkauft werden dürfen)

    Nach einem Kurzaufenthalt in Göteborg stechen wir nordwärts und tauchen in die Schärenwelt ein. Die Landschaft entlockt uns viele Ahs und Ohs, zwischendurch erschallt auch ein sooo schööön. Die vielen kleinen und grossen Inseln, welche sich sanft aus dem Wasser heben, sind eine wahre Augenweide. Hier eine romantische Bucht, da eine Felsformation, die die Fantasie beflügelt. Und zwischendrin.... eine Segelyacht. Sascha bekommt den sehnsüchtigen Hundeblick und möchte diese Naturschönheiten auf dieselbe Weise entdecken. Die Vernunft siegt (oder mangels genügend Kenntnissen und "Möglichkeiten") und wir bleiben bei unseren edlen und treuen Stahlrössern. Auch so sind wir beide begeistert und können es wieder einmal kaum fassen, was die Natur alles zu bieten hat.

    Mit ein wenig Wehmut verlassen wir die Küste und pedalen nordwärts durch Streusiedlungen und Wälder. Langsam erhöhen wir unsere Aufmerksamkeit, spitzen die Ohren besonders, schauen häufiger links und rechts. Die Elchschau kann beginnen. Da, ein Knacken im Gebüsch - eine Elster. Dort, ein dunkler Umriss im düsteren Wald - ein Ameisenhaufen. Das ständige Auf-der-Hut-sein ermüdet zusätzlich und Schlafschwierigkeiten kennen wir beide, auch wenn es nie mehr richtig dunkel wird, keine. Ah ja, und Elche, die haben sich bis jetzt extrem gut vor uns versteckt.

    An einem dieser wunderbaren schwedischen Sommertage mit 22° C, Sonnschein und wenig Wind, kommen wir doch tatsächlich wieder mal bei einem kleinen Ort vorbei, wo es sogar ein Café gibt. Ja, die Cafés und Restaurants sind hier wirklich rar. Ist ja auch kein Wunder, das Land ist teilweise wirklich sehr dünn besiedelt. Auf alle Fälle legen wir sofort einen Stopp ein und gönnen uns ein kühles Getränk und Kuchen. Frisch gestärkt radeln wir noch ca. 17 km weiter bis wir an einem See landen, so mit kitschiger Bucht und so (wunderschön). Plötzlich merkt Sascha, dass das Langarmshirt von Thes, welches er beim Café als Sonnenschutz über die Essenstasche gelegt hat, nicht mehr da ist... Hmm, zurückfahren und das teilweise schon löchrige und geflickte Shirt suchen oder einfach "gut sein" lassen und in der nächsten, nur noch 100 km entfernten Kleinstadt einen Ersatz kaufen?
    Am nächsten Tag, das Velo von den Taschen befreit, jagt der im Kopf noch immer ein wenig Velokurier/bald-50er über die Strassen zurück und findet das Shirt am Eingang des oben erwähnten Cafés. Voller Stolz über die nur 40 Minuten für die wirklich hügeligen 17km dreht er um und gibt noch einmal alles. Hahaaa, dieses Mal nur 35 Minuten. Mit aufgeplusterter Brust übergibt der (leicht) japsende Sascha das Shirt der wartenden Thes.
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  • Day 154

    12 Ferien vom Velofahren

    July 3, 2022 in Sweden ⋅ ⛅ 18 °C

    Viele Pläne hatten wir für diese Reise ja nicht. Ausser, dass wir in Skandinavien Kanufahren wollen. Und nun ist es endlich soweit. Nach einigem Suchen entscheiden wir uns für eine einwöchige Kanutour nördlich vom Vänernsee (das ist dieser riesengrosse See auf der Landkarte zwischen Oslo und Stockholm).

    Ausstaffiert mit einem robusten Alukanadier, Gepäcktonne, Paddel, Schwimmweste, Kanuwagen und einem Routenbeschrieb sind wir parat für unsere Ferien vom Velofahren. Läck das Puff, bis wir alles, was mit muss, von den Velotaschen in kanutaugliches Gepäck ummodelliert haben. Irgendwann vor dem Mittag hat dann doch alles seinen Platz gefunden und es geht endlich los.
    Unsere Tour verläuft mehr oder weniger in einem Kreis über viele kleinere und grössere Seen. Kurz nach dem Start werden wir bereits zum ersten Mal auf die Probe gestellt. Die schmale Passage zwischen dem ersten und zweiten See ist mit schwimmenden Inseln „verstopft“. Vom Kanuverleiher wurden wir vorgewarnt, dass dies je nach Wind der Fall sein kann. Wir sollen dann einfach aussteigen und das Kanu über die Insel ziehen. Was so simpel klingt, ist in Realität eine echte Herausforderung. Die Gras, Moos und Busch bewachsenen Inseln sinken beim Betreten etwas ab (je nach Gewicht des Betreters halt auch ein bisschen tiefer ;-) ). Das Boot ist sehr schwer, die Inseln wabbelig, die Armmuskeln vom Velofahren nicht ganz so stählern und die Kommunikation hat auch noch Verbesserungspotential. Als unser schwimmender Untersatz dann endlich wieder im Wasser treibt, sind wir tropfnass, ziemlich ausgepowert und hatten uns auch schon mal lieber.
    Zum Glück ist es heute hochsommerlich warm, die Wassertemperatur lässt mit etwa 22°C an die Karibik erinnern und zum Übernachten finden wir einen traumhaften Platz auf einer einsamen Insel (diesmal eine fixe mit Bäumen drauf). So sind wir schnell wieder versöhnt und geniessen den lauen Abend.

    Nach zwei Sonnentagen ist Regen angesagt. Der Wetterumschwung bringt eine kribbelnde Überraschung mit sich. Knott werden sie in Schweden genannt. Angelockt von unserem leckeren Duft und der attraktiven Optik wartet morgens eine ganz Armada von Kriebelmücken vor unserem Zelteingang. Kaum draussen fliegen sie uns in Augen und Ohren und beissen uns an allen Ecken und Enden. Lago mio sind die mühsam. Innert kurzer Zeit machen sie uns ganz wuselig. Wo wir normalerweise morgens viel Zeit brauchen bis wir startklar sind, geht das Abräumen und Einpacken nun plötzlich ganz schnell. Einfach weg vom Ufer und raus auf den See. Aaahhh... hier ist es besser.
    Leider verziehen sich die kleinen blutrünstigen Plagegeister nicht mit den Regenwolken, sondern bleiben uns ab da an allen windstillen Orten erhalten.
    Oh Wind, der du unser treuer Begleiter schon seit langem bist, endlich lernen wir deinen Segen kennen!

    Somit verlegen wir ab sofort alle möglichen Aktivitäten aufs Wasser. Frühstücken, Kaffeekochen, Relaxen und vieles mehr lässt sich mit etwas Übung prima auf dem Kanu durchführen. Wären da nur nicht diese täglichen menschlichen Bedürfnisse. Was rein geht, muss auch wieder raus und das nach anständiger Outdoorregel mindestens 100 Meter vom Wasser entfernt und gut verscharrt. Durch das Umherstreifen auf der Suche nach dem geeigneten ruhigen Örtchen und das anschliessende Lochbuddeln werden jeweils alle im Umkreis schlummernden Blutsauger auf den Plan gerufen und die folgende Erleichterung demzufolge nicht ganz so erfreulich. Mit Wonne zählt Sascha nach einem solchen „Ausflug“ ganze 27 juckende rote Punkte rund um Thes Hintern.

    Nach einer intensiven Woche kehren wir zurück ins Kanucamp. Das Kanu hat uns ermöglicht fernab aller Strassen an unbewohnte Seen zu gelangen. Spiegelklares Wasser, traumhafte einsame Übernachtungsplätze und nur den Ruf der Möwen und Seetaucher bleiben uns von unseren „Ferien“ in wunderbarer Erinnerung.
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  • Day 177

    13 Hejdå Sverige

    July 26, 2022 in Sweden ⋅ 🌧 14 °C

    Frisch frisiert wechseln wir nach der Kanuwoche wieder auf unsere treuen Weggefährten. Das nächstgrössere Etappenziel hat sich automatisch durch unsere Erfahrungen mit der hiesigen Insektenwelt ergeben. Anstatt direkt gegen Norden zu stechen, ist der neue Kurs eher Nordost – ab ans Meer! Dort hat es bekanntlich weniger von den Plagegeistern, die uns zeitweise den letzten Nerv gekostet haben. Ausserdem gibt es an der Küste auch wieder einmal eine Stadt. Nicht dass wir die vielen Menschen und Häuser vermisst hätten. Nein, es ist einfach so, dass uns noch ein wichtiges „Ausrüstungsteil“ fehlt – ein Moskitonetz für den Kopf steht auf der Wunschliste zuoberst. Unglaublich, aber das ist hier in Schweden gar nicht so einfach zu bekommen.

    Am bottnischen Meerbusen (wer hat in Geographie aufgepasst?) angekommen, ändern sich unsere Pläne schon wieder. Liegt es an der frischen Seeluft, am sehr tiefen Salzgehalt des Wassers, oder verspüren wir einfach wieder einmal Lust auf....?

    Zuggeschichten, Episode 327:
    Der hohe Norden ruft unüberhörbar, die Kilometer dahin noch so viele. Was liegt da näher, als einen Teil davon auf Schienen zurückzulegen? Im Internet wurden wir auch fündig; es gibt Zuggesellschaften, die Velos transportieren...auf gewissen Linien...in gewissen Zugkompositionen. Nur welche das genau sind – Fehlanzeige. In Sundsvall, einer Stadt mit immerhin 60'000 Einwohnern, steuern wir voller Vorfreude den Bahnhof an. „Die werden uns sicher DIE Auskunft geben können“, so unser beider Meinung. Doch wie sagt man so schön: „Weisch wer meint?“ Das Bahnhofsgebäude ist sehr schön renoviert, sauber und recht belebt. Schalter gibt es keinen (mehr). Aber da, da ist doch ein Infopoint. Nun ja, entpuppt sich als kleiner Touch-Bildschirm. Und alles in Schwedisch. Das darf doch wohl nicht wahr sein! Klar, Schweden ist an einem anderen Punkt, was den Gebrauch von Handy & Co. anbelangt, aber in einer Stadt? Tickets online kaufen ist nicht schwierig, aber es gibt doch sicher noch andere Spezialfälle, die eine Auskunft benötigen. Nun denn, es gibt ja noch das Telefon. Also Nummer gewählt, die Bandansage knapp verstanden und die 9 gedrückt für Englisch... es klingelt... oh, wieder eine Bandansage, aber wieder in Schwedisch.....

    Bisschen frustriert steuern wir ein Restaurant an. Wenigstens wollen wir die Vorzüge einer Stadt auskosten. Am Eingang werden wir freundlich empfangen und gefragt, ob wir das erste Mal hier seien. Ja ja, ist unsere Antwort. Dann werden wir aufgeklärt, dass wir zuerst eine App herunterladen müssen, dort können wir einen Tisch reservieren und dann muss auch die Bestellung und Bezahlung über die App laufen. „GÅHT'S NO“, hämmert es durch unsere Köpfe. Mit schiefem Lächeln drehen wir auf den Absätzen um, suchen uns ein „normales“ Restaurant und werden dort köstlich verwöhnt!

    Kurzerhand beschliessen wir, ein Auto zu mieten. Innerhalb von wenigen Minuten haben wir ein Gefährt gebucht. Dieses beladen wir am nächsten Tag mit unserem ganzen Gerümpel und fahren ab in den hohen Norden, wieder weg vom Meer. Die Kilometer schmelzen nur so dahin. Die Musik schallt aus den Lautsprechern und wir singen voller Inbrunst mit. Ja, auch so kann man unterwegs sein.

    In Kiruna, es regnet in Strömen und ist recht frisch, entladen wir voller Motivation unsere Velos aus dem Kombi und verabschieden uns von diesem. Glücklicherweise finden wir nach kurzer Fahrt ein supergemütliches Café. Wir entdecken lokale Spezialitäten wie Lachslasagne und Backed Potatoe mit Rentier (beides sehr lecker) und nachdem der Hunger gestillt, der Durst gelöscht ist, ist die Welt auch wieder in Ordnung.

    Die Kleinstadt selbst vermittelt einem einen, sagen wir, komischen Eindruck. Viele Häuser stehen leer, sind nicht gut in Schuss. Einkaufsläden haben grosse Ausverkaufsschilder aufgehängt. Bald erfahren wir auch wieso. In Kiruna ist die grösste Eisenmiene der Welt. Da im Tagbau schon seit den 50er Jahren nichts mehr zu holen ist, buddeln sie immer tiefer. Und die ertragreichsten Vorkommen befinden sich.... unter der Stadt. Es gab auch schon kleine Erdbeben. Der Stadt blieben zwei Möglichkeiten: Miene aufgeben oder die Stadt. Und wen wundert's, die Miene darf bleiben, denn ohne diese gibt es für die Stadtbewohner keine Lebensgrundlage. Die Stadt indes wird um 5 Kilometer „verschoben“. Das nennen wir mal zügeln für Fortgeschrittene. Das neue Stadthaus steht schon am neuen Ort und der Kern mit den Geschäften und Restaurants zieht im September an den neuen Ort. Die Wohnquartiere folgen in den nächsten Jahren.

    Von Kiruna bis zur Grenze zu Norwegen sind es nur noch ca. 130km. Die Landschaft hat sich nun definitiv geändert. Links und rechts erheben sich Berge, dazwischen viele Seen und kleinwüchsige Birken säumen die Strasse. Trotz der kalten Temperaturen, dem teils eisigen Wind und dem zwischenzeitlichen Nieseln gefällt es uns ausserordentlich gut. Zur besseren Stimmung tragen sicher auch die kleinen Hütten bei, die es bei einigen Rastplätzen hat. Ideal für ein Zmittag oder Znacht im Windgeschützten und Warmen.

    Eigentlich wollten wir in Abisko noch wandern gehen, dort ist der Start-/Endpunkt des berühmten Kungsleden (Königsweg; Weitwanderweg). Doch der Menschenauflauf ist uns doch des Guten zu viel. Das Wandern muss noch warten. Es soll ja im Nachbarland auch sehr schön sein. Aber dazu mehr beim nächsten mal.
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  • Day 183

    14 Im Land der Trolle

    August 1, 2022 in Norway ⋅ ☀️ 14 °C

    Der Himmel hängt grau und tief über der glatt geschliffenen Felslandschaft. Es ist düster, kühl und nieselt. Wir biegen um einen Steinriesen und sind plötzlich umgeben von diesen trollpatschigen und doch so flinken Wesen. Bei genauer Betrachtung entdeckt man ihre Spuren überall. Hier trollt sich gerade einer zu einem erquickenden Schläfchen zusammen, an der Krete des fernen Berges lassen sich die gezackten Stufen einer Trolltreppe ausmachen und überall liegen versteinerte, überdimensionierte Trollpopel herum. Offensichtlich wandeln diese Kreaturen hier in allen Grössen und Rotzklassen.
    Liegt es wohl an der Polarluft oder an den Regen- und Nebelschwaden, welche unsere Sicht verschleiern und Fantasie beflügeln?

    Nachdem uns Norwegen erst mal mit der kalten, nassen Schulter begrüsst hat, kommt das Versöhnungsangebot mit drei Tagen Sonne genau richtig. Wir nähern uns den Lofoten via Inselhüpfen von Norden her, so ist unser erstes Eiland Senja. Ooohhh... dunkle, steil aufragende, kantige Berge erheben sich aus dem tiefblauen Ozean. Geschmückt werden sie mit unzähligen Wasserläufen die perlenkettenähnlich über ihre Flanken glitzern.

    Jetzt gibt es wirklich keine brauchbare Ausrede mehr um sich vor dem Wandern zu drücken. Roalden, so der Name unseres Zielgipfels. Wir starten direkt am Meer und pflatschen, rutschen, balancieren uns erst mal die ersten paar hundert Höhenmeter durch sumpfigen lichten Birkenwald und weiter über viel Moos und Beerensträucher. Die Vegetation nimmt fortlaufend ab, bis wir etwa drei Stunden später über Geröllfelder den Gipfel auf 820m Höhe erreichen. Wow, welch ein Panorama. Wir sind umgeben von hochalpin anmutenden felsigen Gipfel, geteilt durch kleine Bergseen und umrundet von blauen Buchten mit Sandstränden. Die verschiedenen Vegetationsstufen, welche sich bei uns in den Alpen über mehrere 1000 Höhenmeter erstrecken, werden hier sehr kompakt in ein paar 100 Hm geboten. Wir sind stolz, dass wir den Aufstieg so „locker“ geschafft haben, wo wir doch so gar nicht wandertrainiert sind. Thes zitternde Knie rühren eher von den senkrecht abfallenden Felswänden denn von der Anstrengung.
    „What goes up must come down“ dieser Spruch motiviert beim Velofahren immer ungemein. Hier geht der Rückweg jedoch ganz schön in die Beine und wir sind froh, dass sie uns bis ganz nach unten tragen. Nun können wir das Zittern unterhalb der Hüfte wohl nicht mehr auf die furchteinflössende Vertikale schieben 😉

    Tags darauf beim Aufstehen und Rumlaufen: “Ooohhh... Aaah...Mmhh... Also hüt fahre mer sicher nid witer!“.
    Vor allem jegliche Abwärtsneigungen des Geländes sind besonders schmerzhaft. Die Toilette befindet sich ca. 80Meter und 2 Höhenmeter von unserem Zeltplatz entfernt.
    Zweiter Tag danach: „Ömpf, ömpf... Eieiei... Aaauuu... Also höt fahrid mer secher ned witer!“
    Wir haben es bereits erwähnt, 200 Höhenzentimeter bis zur Toilette, also ja nicht zu viel trinken!
    Dritter Tag danach: „Mmh...!“ Irgendwie sollte es doch langsam möglich sein, beim Gehen nicht mehr wie ein frisch Hüftoperierter mit fehlendem Infusionstropfgestell auszusehen.
    Vierter Tag danach ....
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  • Day 212

    15 Nass, nass, nass

    August 30, 2022 in Sweden ⋅ ☁️ 13 °C

    Der Wind rüttelt kräftig am Zeltgestänge, die Himmelsschleusen sind weit geöffnet und die grossen Tropfen trommeln laut auf die dünne Stoffwand, die uns von den ungezähmten Naturgewalten trennen. Aufstehen? Ach nö, da müssen wir jetzt doch wirklich nicht raus. Lieber sich noch ein-, zweimal in der warmen Penntüte drehen und den Gedanken nachhängen. "Das ist der schlechteste Sommer in Norwegen seit 100 Jahren." "Im Juli hatten wir ganze 4 Tage ohne Regen, sonst sind's 20." "Es ist sehr kalt, unglaublich nass und der Wind bläst so kräftig wie sonst nie um diese Jahreszeit." Diese Worte, immer wieder vernommen, hallen nach. Und wir können den Frust der Einheimischen gut nachvollziehen, regnet es draussen noch immer stossweise.
    Langsam meldet sich das wölfische Verlangen nach etwas essbarem. Also doch aus dem gemütlichen Sack zwängen. Inzwischen sind wir geübt darin es uns IM Zelt gemütlich einzurichten und zu frühstücken. Das Glück ist uns hold, denn kaum ist der letzte Bissen des Müeslis verschlungen, hört es auf zu regnen. Jetzt aber hü hot. Alles zusammenpacken, Zelt abtrocknen und einpacken. Es reicht sogar noch für Espresso und Tee. So übel startet der Tag ja gar nicht.

    Wir fahren in einen der unzähligen Fjorde rein, die imposanten steil abfallenden Felsen sind tief wolkenverhangen. Unser Blick wird immer wieder vom glasklaren, teils türkis schimmernden Wasser angezogen. Doch was ist das da im Wasser? Könnte das eventuell sogar... nein... oder doch? Tatsächlich, nur wenige Meter vom Ufer entfernt schwimmt ein Otter, taucht nach Muscheln und Fischen. Nur kurz können wir den geschickten Jäger beobachten, dann ist er schon wieder fort - das Grinsen auf unseren Gesichtern bleibt da schon länger haften.
    Zuhinterst im Fjord begrüsst uns der nächste Schwall von oben. Ganz lieblich sind die ersten Tropfen, ein leichter Sprühregen nur, eigentlich gar nicht wert, die Regenklamotten hervorzuholen. Da kommt aber noch mehr auf uns zu, schwarz und dunkel... Gut eingepackt trotzen wir den unwirtlichen Begebenheiten und sind sogar froh, dass kurz darauf eines dieser langen, dunklen und kalten Tunnels kommt. 3 km ist dieses lang und erfreulicherweise ohne grosse Steigung. Inzwischen erschaudern wir nicht mehr, wenn eines dieser Löcher vor uns ist. Zuviele haben wir durchfahren, eines sogar unter dem Meer hindurch. Die norwegische Küste, das Land der Tunnels und Fähren. Velolicht ist an, einmal tief durchatmen und durch. Dank des spärlichen Verkehrs gar nicht so schlimm. Auf der anderen Seite schüttet es "was es mag". Der Kopf wird noch ein wenig mehr eingezogen, die Nase rümpft schon von alleine und ab durch den nassen Vorhang. "Ist es noch weit bis zur nächsten Fähre? Hoffentlich gibt es dort einen trockenen Unterstand", rauschen die verwaschenen Gedanken durch den Kopf. Nur noch den letzten Hügel erklimmen, dann sollten wir den Hafen bereits sehen können. Oh, die Fähre ist an der Anlegestelle, der Bug weit geöffnet, aber Autos sehen wir keine mehr. Schei..., das schaffen wir nicht mehr, die Fähre legt gleich ab. Trotzdem sausen wir rasant den Hügel hinunter, biegen Richtung Anlegestelle und ein dick vermummter Seebär fuchtelt uns mit den Armen zu. Unglaublich, die Schranke wird für uns nochmals geöffnet, das Schiff wartet. Triefend nass rollen wir in den Bauch des Ungetüms. Tusen tack! Eine Stunde Fährfahrt, im Trockenen und Warmen erhellt unser Gemüt.

    So, gut zweieinhalb Monate haben wir nun unserer skandinavischen Entdeckerlust gefröhnt. Langsam erwacht in uns das Bedürfnis auch noch anderen, uns unbekannten Fleckchen etwas Aufmerksamkeit zu schenken. Ausserdem ertappen wir uns immer mal wieder dabei, wie einer von uns gedankenverloren die Melodie von „Eeh ab in den Süden, der Sonne hinterher...“ vor sich hin trällert.

    Zuggeschichten, Episode 328
    Anderes Land, neues Glück. Norwegen, auch hier werden Zugtickets online gekauft. Nach ein paar Anläufen sind wir stolze Besitzer von zwei Zugtickets inklusive Velos von Mo i Rana nach Verdal. Tags darauf sind wir natürlich zeitig am Bahnhof. „Wo hält wohl das Zugabteil für die Velos? Müssen wir das Gepäck vom Velo abladen? Wie kriegen wir das am schnellsten hin? Und was wenn der Velotransport doch nicht klappt???“ Jaja, wir sind ein wenig gebrandmarkt, trauen der ganzen Sache noch nicht so wirklich und fabrizieren daher das ein oder andere nervöse Schweisströpfelchen.
    Diesen Flüssigkeitsverlust hätten wir uns auch sparen können. Die laute Diesellok rumpumpelt mit fünf Wagons in den Bahnhof, der Kondukteur ist etwas verwirrt über die beiden Velos, da sein schlaues Gerät nichts davon wusste, aber egal, ruck zuck ist alles im Innern des Zuges verstaut und es kann los gehen. 6 Stunden später werden wir rund 400 Kilometer südlich bei untergehender Sonne wieder ausgespuckt. So einfach geht das.

    Und da das so wunderbar geklappt hat, machen wir gleich weiter so. Wir haben tatsächlich einen Zug durch Schweden gefunden, welcher mit Velos und online buchbar ist. Für den 1. September haben wir somit den Nachtzug von Östersund nach Malmö reserviert. Süden, wir kommen.

    So bleiben uns 8 Tage um nach Östersund zu radeln und den Norden nochmals in vollen Zügen zu geniessen. Bei gut 20°C und strahlendem Sonnenschein will uns das hiesige Wetter wohl noch etwas versöhnlich stimmen. Und als wäre das nicht schon genug, ist es nun soweit. Endlich! Wir fahren durch hügeliges, landwirtschaftlich genutztes Gebiet als Saschas Aura plötzlich aufgeregt zu flimmern beginnt. Er zeigt in Richtung einer Hecke wo soeben ein braunes Hinterteil verschwindet. Wir fahren noch ein paar Meter weiter und spähen um das Gebüsch herum. Zwischen dem Geäst tritt eine wunderschöne Elchkuh hervor. Mit grossen Augen und einem freudigen Gefühl in der Brust beobachten wir, wie das imposante Tier gemütlich über die Wiese trabt, die Strasse quert und dann, erschreckt von einem Auto, durch das nächste Feld davon galoppiert. Mit einem mühelosen Satz springt sie über den Zaun und verschwindet im Wald. Beim Schreiben dieser Zeilen schleicht sich wieder ein glückliches Lächeln auf mein Gesicht.

    Die Strasse zum Grenzpass zwischen Norwegen und Schweden schlängelt sich sanft in die Höhe, der angrenzende Fluss glitzert mal spiegelglatt und ruhig vor sich hin um ein paar Meter weiter tosend über Felsen dahin zu rauschen. Wir geniessen nochmals einen wunderschönen, wilden Zeltplatz ganz für uns allein. Auf dem Pass werden wir mit einem Fjäll belohnt. Kilometerweit dürfen wir den Blick über Wollgras, Beerensträucher und teilweise lichten Baumbestand schweifen lassen. Der Herbst hält langsam Einzug und überzieht die ganze Gegend mit warmen Rot- und Goldtönen. Wir können uns kaum sattsehen. So wird uns Skandinavien nochmal in einem sanfteren Licht vorgestellt. Bestimmt wird uns der Ruf des Nordens wieder einmal in diese Gegend ziehen.
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  • Day 227

    16 Mit den Kranichen gen Süden

    September 14, 2022 in Poland ⋅ ☁️ 17 °C

    Tschgtschgtschgtschg... Das regelmässige Rattern und Schaukeln des Zuges hat uns in unserem Schlafwaggon recht gemütlich durch die Nacht gebracht, bis uns die nette Dame aus dem Lautsprecher um sechs Uhr einen guten Morgen wünscht. Die Lautstärke wurde wohl absichtlich so gewählt, dass auch der hinterst und letzte Siebenschläfer aus seinen Träumen kommt. Eine Stunde später erreichen wir Mälmö in Südschweden bei perfektem Altweibersommerwetter. 

    Tags darauf machen wir schon den nächsten Gump. In 6 1/2Stunden gehts von Trelleborg (S) mit der Fähre nach Świnoujście in Polen. Haben wir schon in Skandinavien nicht so viel von der Sprache verstanden, so fordern uns die slawischen Sprachen noch bei weitem mehr. Die empathische Distanz zwischen Deutschland und Polen ist noch immer deutlich spürbar, denn obwohl wir uns nur der Grenze entlang bewegen, wird beidseitig fast nur strickte die eigene Sprache gesprochen.

    Südwärts folgen wir der Oder. Vor allem das Mündungsgebiet mit dem Stettiner Haff überrascht uns mit wunderschönen Naturschutzgebieten. Seeadler dominieren die Lüfte und in Wäldern und Wiesen werden wir immer wieder von aufmerksamen Rehaugen bespitzelt.  

    n-ts...n-ts...n-ts schallts durch die Nacht
    Wir beide um den Schlaf gebracht
    Die Technofreaks lassen's krachen
    Uns ist's vergangen, das Lachen.

    Wut schnaubend dreht Sascha fast durch, die Ohrenstöpsel helfen einfach nicht gegen das Gewummere. Es dringt durch den ganzen Körper. Dabei wäre doch der Schlaf gerade so dringend nötig nach der heutigen, unerwartet längeren Etappe. Die Toleranzgrenze ist längst überschritten. Gestern hatten wir das Ganze auch schon, an einem anderen Ort, etliche Kilometer weiter nördlich. Und das Wochenende davor auch schon. Gehört das nun einfach dazu, dass man jeden Freitag und Samstag in der Natur die Sau rauslässt und dies mit wirklich verstörendem Bumm-bumm (Melodien sind keine zu erkennen)?
    Nun denn, heute haben wir ja extra einen Camping in einem Schutzgebiet ausgesucht, der damit wirbt, dass Musik verboten und die Ruhezeiten ab 22.00 Uhr strikte durchgesetzt werden. Es ist schon nach Mitternacht als sich Sascha doch noch aus dem Schlafsack quält und sich couragiert der Technomeute entgegenstellt. Dazu vorher noch ein paar tiefe Atemzüge genommen (das hilft, die Wut zu zügeln und den Bammel auf die Konfrontation zu dämpfen 😉). Höflich, aber bestimmt sucht er eine verantwortliche Person... niemand von den ca. 30 Leuten fühlt sich angesprochen... Zwar wird versichert, dass die "Musik" leiser gestellt wird, aber das hält ja bekanntlich keine 10 Minuten, der Alkohlpegel ist zu hoch...
    Mit gesenktem Haupt (aber ohne blaues Auge) schlendert Sascha zurück zum Zelt und fragt sich dabei noch, ob dies wohl die gerechte Strafe für die eigenen ausschweifenden Partys der Vergangenheit ist.
    Zurück im Zelt hilft nur noch eines: Kopfhörer rein, Meeresrauschen auf Spotify auswählen und Lautstärke aufdrehen. Das hilft tatsächlich und es gibt doch noch ein paar Stunden Schlaf.

    Am nächsten Morgen ist die unruhige Nacht unser Zmorgengespräch. Nach vielen Wochen in der meist ruhigen Natur von Skandinavien sind uns die Wochenendpartys in Polen und Deutschland ein Greuel. Es wäre ja noch nachvollziehbar, wenn wir in einer Stadt oder der Nähe davon gewesen wären, aber in Naturschutzgebieten? Glücklicherweise wird uns Tschechien diesbezüglich total überraschen.... Ruhe pur  😊
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  • Day 237

    17 Drei Nüsse für....

    September 24, 2022 in Czech Republic ⋅ ☁️ 18 °C

    Tschechien, das Reich der Märchen. Nach ein paar Tagen Spätsommer werden wir hier mit saftigen Anstiegen (für märchenhaft stramme Waden) und heftigen Regengüssen (wie die Tränenbäche vom kleinen Maulwurf) verwöhnt. Nichts desto trotz, Tschechien gefällt uns ausserordentlich gut. Die Landschaft ist abwechslungsreich und die Menschen begegnen uns sehr freundlich und offen. Einziger Wermutstropfen, immer diese Kümmelsamen im Brot 😝.

    Wie immer sind unsere Pläne so launenhaft wie das herbstliche Wetter. Kurzerhand schmeissen wir unser mögliches Ziel Wien über Bord, reissen das Ruder rum und stechen mal wieder in den Gegenwind Richtung Südosten (eben doch masochistisch veranlagt???). Hier führen alle Wege nach Prag, also geben wir uns Kulturmuffeln einen Ruck und stellen uns auf einen Tag Sightseeing ein. Viele Stadtbummelkilometer, ein beeindruckendes Schloss, eine alte Steinbrücke, viele imposante historische Gebäude, ein Gulasch im Brottopf und zwei Trdelník (heisses, sehr leckeres Gebäck) später sind wir der Meinung, dass Prag eine wirklich wunderschöne Stadt und alle mal einen Besuch Wert ist.

    Fast zu schnell, lassen wir das Märchenland hinter uns und kommen langsam wieder in bekanntere Gefilde. Servus Bayern. Auch hier verstehen wir die Einheimischen nicht immer im ersten Anlauf, aber es ist erstaunlich schön, dass wir mal wieder alle Schilder und Speisekarten lesen können.
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