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  • Day 351

    23 Trulli, Schlucht und Aus die Maus

    January 16, 2023 in Italy ⋅ ⛅ 14 °C

    Es ist so weit, hier kommt das letzte Kapitel dieser Reise. Also, schnappt euch eine Tasse heisse Schokolade (juhuuuii, bei uns gibts auch bald wieder Ovomaltine und Caotina 😋), kuschelt euch mit Wolldecke auf's Sofa und lasst uns euch ein letztes Mal in die Weite entführen.

    Uuuhh... Thes ist schon ganz gschmuch im Buuch. Starker Wind zerrt an der Bäbistuba, Regen peitscht lautstark gegen die Wände von rhythmischem Donnergrollen begleitet. Es fühlt sich an als wären wir während einem Erdbeben in der Autowaschanlage stecken geblieben. In regelmässigen Abständen blingt das Handy, Wetterwarnungen werden vom Staat über die betroffenen Mobilnetze versendet. Man solle Zuhause bleiben, da vor allem die für hier ungewohnt heftigen Regenfälle allerorts zu Erdrutschen, Strassensenkungen etc. führen können. Wir haben ja im Wetterbericht gesehen, dass da was Böses kommt und haben uns für heute Nacht ein möglichst wind- und wasserfestes Plätzchen gesucht. Was der nicht ganz so seetauglichen Thes viel mehr zu denken gibt, ist die aufgewühlte See, welche unsere morgige Fährüberfahrt von Griechenland nach Süditalien zu einer sehr "bewegenden" Erfahrung machen könnte.
    Es scheint, die griechischen Götter Fortuna und Neptun sind uns wohlgesinnt. Bis zur Abfahrt unserer Fähre am späten Abend hat sich der Wind schon lange gelegt und die Wasseroberfläche gleicht nun eher einer Cellulite geplagten Damenhüfte und nicht mehr den Berg- und Talfahrten einer Sinuskurve. 
    Gegen Mitternacht, eine gute Stunde vor Abfahrt, sind wir an Bord. Für die acht Stunden Überfahrt haben wir uns gegen eine teure Kabine entschieden, gibt es auf Fähren doch meistens Liegesessel oder eine ruhige Ecke wo man sich mit Picknickdecke und Schlafsack niederlassen kann. So suchen wir als Erstes nach einer einigermassen gemütlichen Liegemöglichkeit für die nächsten paar Stunden. Das Schiff hat seine Glanzzeiten eindeutig schon lange hinter sich und wir entdecken zu unserem grossen Erstaunen wieder einmal, dass wir keine zwanzig mehr sind. Weder auf den engen unbequemen Sitzen im stinkenden Ruhesaal, noch im lauten, mit grellem Licht erleuchteten Restaurant und leider auch genausowenig auf dem von Rauchern vollbesetzten kleinen Aussenbereich finden wir eine für uns passende Bleibe für die Nacht. 
    An der Rezeption herrscht gerade Hochbetrieb. Für Lastwagenfahrer gibt es offensichtlich ein gutes Pauschalangebot und die zahlreichen müden Fahrer, welche zu dieser Jahreszeit den Hauptanteil der Gäste ausmacht, sind gerade am Einchecken für ihre Zimmer. Daneben erhält jeder einen Stapel Frottierwäsche von einem Etagenmitarbeiter ausgehändigt für die im Zimmer enthaltenen Badezimmer mit Duschen. Kurzerhand fragen wir die Rezeptionistin ob vielleicht noch ein Zimmer frei ist. "No!" kommt die kurz angebundene Antwort. Also doch zurück ins Restaurant. Kurze Zeit später taucht der Frottierwäsche-Etagenmitarbeiter bei uns am Tisch auf und meint, dass vielleicht doch noch ein Zimmer übrig bleiben werde. Wir sollen nicht zur Rezeption gehen, er werde uns hier benachrichtigen, sobald das Schiff losgefahren sei. 15 Minuten später steht der sehr engagierte Herr wieder da. Ja, er habe ein Zimmer für uns und könne uns einen guten Preis dafür machen. Wir müssten dann aber in bar bezahlen. Er mache noch kurz alles bereit und hole uns dann hier ab, "and DON'T go to the reception". Bald ist er wieder zurück. Sascha solle nun mit ihm kommen, er zeige ihm das Zimmer und Sascha könne Thes anschliessend im Restaurant abholen. 🤔 wird ja immer interessanter. Wir möchten wirklich gerne ein paar Stunden schlafen und lassen uns darauf ein. Sascha wird per Lift ungesehen an der Rezeption vorbei geschleust und in eine Etage gebracht welche wohl zur Zeit renoviert wird, denn die Teppiche sind rausgerissen und hier und da liegt Werkzeug rum. Das Zimmer indes ist frisch bezogen und erfüllt seinen Zweck einwandfrei. Sascha wird gezeigt, wie das Zimmerschloss gestellt werden muss, damit wir anschliessend auch ohne Schlüssel ins Zimmer kommen, denn natürlich gibt es für dieses Zimmer keinen solchen. Sobald das Bargeld überreicht ist, wird Sascha noch mit eindringlichem Blick vom Etagenmitarbeiter beschworen: "You don't know me!". 
    Tja, Benvenuti in Italia 😉

    Auszug aus dem verschollenen Fahrtenbericht des kathargischen Seefahrers Hanno II. (79 n. Chr.), frei übersetzt in die deutsche Sprache:
    TAG 27: Neun Tage hat uns die Flaute schon im Griff. Die Segel hängen schlaff an den Rahen. Das Meer ist spiegelglatt, die Sonne brennt erbarmunglos auf unsere Köpfe. Das Wasser verfault langsam in den Fässern und die Mannschaft ist launisch. Heute Morgen musste ich zwei Streithähne, die sich wegen eines Bechers Wein gestritten haben, auspeitschen lassen. Ich bringe Aiolos (Windgott) ein weiteres Opfer, es stimmt ihn hoffentlich gnädig.
    TAG 28: Gepriesen sei Aiolos, der Wind ist zurück.
    TAG 29: Land in Sicht. Pompeji wir kommen.
    TAG 30: Pompeji floriert, seit meinem letzten Besuch ist die Stadt gewaltig gewachsen. In der Bucht liegen auch Schiffe von Etruskern und Pelasgern. Hier wird es sich lohnen, Geschäfte zu tätigen. Vorher ruft jedoch ein anderes körperliches Bedürfnis.
    Ob ich das Haus der schönen Callista noch finden werde?
    TAG 31: Har har, wie erfinderisch die Pompejianer doch sind! Der griechischen und lateinischen Sprache nicht mächtig, konnte ich mich nicht nach dem Lusthaus durchfragen. Doch das war gar nicht nötig. An vielen Stellen der pompösen Stadt mit ihren gepflasterten Strassen, bunten Tempeln, herrschaftlichen Villen gibt es eindeutige Wegweiser. Mal zeigt der Phallus nach links, mal geradeaus. So war es ein einfaches, das Gebäude der Begierde zu finden. Ich wandelte durch das Atrium und betrachtete die dargebotenen Dienste der Damen und Herren anhand der Fresken, die detailgetreu über den Türen gemalt sind. Ich entschied mich für Zimmer 5. Die zwei Asse waren gut investiert und fürs gleiche Geld gabs dann in der Taberna nebenan noch einen halben Liter Wein.
    TAG 32: Haben wir Gaia, Göttin der Erde, erzürnt? Waren wir zu frivol? Die Erde erzitterte die ganze Nacht. Meine Mannschaft will weg von hier, obwohl die Einheimischen ihren gewohnten Beschäftigungen nachgehen.
    TAG 33: Kaum war die Mannschaft auf dem Schiff vollzählig, ist der Berg hinter Pompeji mit lautem Getöse, viel Rauch und rot glühendem Etwas auseinandergefallen. Wir setzen Segel und verschwinden von hier....

    Nach einer halbtägigen Ätna Tour beiben uns noch 10 Tage in Sizilien bis unsere nächste Fähre von Palermo nach Genua fährt. Unser Bedarf an beeindruckenden historischen Stätten und Ortschaften, von welchen es hier etliche gibt (schliesslich waren sowohl die Römer als auch die Griechen hier) ist inzwischen völlig gesättigt. Etwas Bewegung, Ruhe und Natur - das suchen wir zum krönenden Abschluss, bevor es wieder zurück ins strukturierte Alltagsleben geht. 

    Wieder einmal stehen wir am Rande einer Schlucht, diesmal mit dem schönen Namen Cavagrande del Cassibile. Die Sonne scheint vom blauen Himmel, die zwitschernden Vögel und die gelb blühenden Wiesenblumen erzählen bereits vom Frühling. Tief unter uns glitzert das Wasser blau in den natürlichen Becken des kleinen Flusses. Hm, der Eingang zum schmalen Pfad in die Schlucht hinunter ist mit einem hüfthohen Tor zugeschlossen. Wir fragen bei ein paar in der nähe sitzenden Einheimischen nach: "Einfach drüberklettern", bekommen wir zur Antwort. Der Schlüssel zum Tor sei wohl verloren gegangen. Gutgelaunt und unternehmungslustig nehmen wir das Tor und die anschliessenden 400 Höhenmeter mehrheitlich über feuchte, grosse Steinstufen in Angriff. Wie freidlich es in der ruhigen Natur doch ist. Auch Saschas Schutzengeli ist hin und weg. Gefühlte zehn Meter vom Schluchtgrund entfernt machts plötzlich, Tätsch-Bum-Bäng-Schränz. "Aua Aua Auah!" Vor einer Sekunde noch wie ein junges Rehlein über die Steine hüpfend, liegt er nun wie ein Käfer auf dem Rücken, zappelnd und stöhnend im Dornengebüsch. Leider gelten die Schmerzlaute nicht den sturzabfangenden Dornen, sondern dem rechten Knie welches dem Rest des Körpers nicht schnell genug folgen wollte und dabei ein grausiges Schränz-Geräusch machte. Tja, dumm gelaufen oder besser gesagt, blöde ausgerutscht. Es stehen zum Glück keine komischen Knochen an ungewohnten Orten raus, es blutet nichts und das Knie lässt sich, wenn auch unter Schmerzen, noch bewegen. So weit so gut. Ziemlich bange blicken wir die beiden steilen Schluchtwände hoch. Oje, das wird ein laaaanger Heimweg. Also nutzen wir das energispendende und schmerzlindernde Adrenalin solange es noch hält und machen uns schleunigst an den Aufstieg. 
    Tags darauf ist Auftreten nicht mehr möglich und wir beschliessen zum Arzt zu gehen. Schliesslich gehört das bei uns so ein Mal pro Reise zum Pflichtprogramm. Die Besitzerin vom Stellplatz, wo wir übernachtet haben, ist super hilfsbereit und organisiert das ganze telefonisch für uns. Erst werden wir in der einen Ortschaft zu einem Radiologen geschickt um ein Röntgenbild zu machen, anschliessend dürfen wir damit in der nächsten Ortschaft ins Spital zu einem Orthopäden (ein Freund der Familie unserer Stellplatzbesitzer). Beim Orthopäden haben wir für 14 Uhr einen Termin bekommen. Wir sollen einfach im Eingang auf ihn warten, er werde uns dort abholen. Während wir da so im Fabrikgebäude ähnlichen Eingangsbereich warten, fällt uns auf, dass weder Patienten noch Empfangsmitarbeiter am Infopoint zu sehen sind, dafür aber jede Menge Mitarbeiter ausstempeln und nach Hause gehen. Von den Geschäften hier wissen wir ja, dass diese ab ungefähr 13-14 Uhr für die Siesta geschlossen haben. Dass dies aber auch im Gesundheitswesen so läuft, erstaunt uns dann doch etwas. Der Arzt hat also wohl extra für uns seine Siesta sausen lassen. Etliche Zeit und schmerzhaftes Biegen und Rumdrücken später wird vermutet, dass das Knieinnenband gerissen ist. Dies könnte man mittels dem bildgebenden Verfahren MRT herausfinden, aber nach 14 Uhr arbeitet ja eben keiner mehr. Schlussendlich wird Sascha empfohlen eine Beinschiene zu tragen und zu Hause nochmal zum Arzt zu gehen für weitere Untersuchungen. Wie schon beim Radiologen, spricht auch der Orthopäde kein Wort englisch, zum Glück gelingt uns mit unserem ver-italienisierten Spanisch und den lateinischen Begriffen aus Thes Tierheilpraktikerausbildung eine halbwegs verständliche Kommunikation mit den beiden studierten Herren.

    So lassen wir unsere letzten Südentage nun halt mit mehr Ruhe und weniger Bewegung ausklingen. Es bleibt Zeit uns an die vielen Erlebnisse im letzten Jahr zu erinnern und euch ein letztes Mal zu schreiben. Hoffentlich konnten wir euch mit unseren Zeilen einen Moment aus dem Alltag holen und das ein oder andere Schmunzeln auf die Lippen zaubern. Danke für's Mitlesen, schön wart ihr mit dabei. Und einen besonderen Dank an alle, die uns auch mal ein paar Zeilen zurückgeschrieben haben. Darüber freuen wir uns immer besonders.

    Ab Februar darf Sascha wieder zurück in seinen "alten" Job, Thes darf sich was Neues suchen und sich in der Tierheilpraktik vertiefen (sie bietet manuelle Therapie an = Massage etc. in Luzern und Umgebung). Falls ihr Jobideen habt oder ein Tier, welches ihr von Thes behandeln lassen möchtet, auch übungshalber (mit Beschwerden oder vorbeugend) um wieder in Routine zu kommen, lasst es uns doch gerne wissen.

    Tschüss
    Sascha und Thes
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