USA & Kanada Roadtrip

June - November 2023
Von Alaska nach Florida: Einmal quer durch Nordamerika in 6 Monaten. Read more
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  • Day 6

    Hallo Alaska 🙋🏻‍♂️🙋🏼‍♂️

    June 8, 2023 in the United States ⋅ ☁️ 11 °C

    Die ersten Tage in Alaska liegen hinter uns und wir haben schon soo viel erlebt! 🙌🏼

    Am Samstag, den 03.06. steigen wir um 14:15 Uhr in Frankfurt ins Flugzeug und landen um 14:00 in Anchorage… also in der Vergangenheit? Die Einreise verläuft zum Glück reibungslos. Der Grenzbeamte fragt uns direkt, ob wir verheiratet sind. Wir antworten: „No, we’re just a couple“ und als er uns draufhin anstrahlt mit der Antwort „close enough“ wissen wir, dass wir in Alaska willkommen sind! Dann jedoch der erste Dämpfer: Johannes’ Rucksack ist nicht mitgekommen… also reklamieren und dann ab ins Hostel. Es hilft ja nichts. Das Hostel ist wirklich schön und alle sind sehr nett. Wir gehen abends noch im Roadhouse Burger Restaurant schön Amerikanisch essen (ich kann sogar meine Beilagenpommes gehen Mac&Cheese eintauschen) und hauen uns um 19 Uhr (05 Uhr morgens deutsche Zeit) ins Bett. Wir sind tot müde.

    Um 00:30 Uhr (10:30 Uhr deutsche Zeit) werden wir dann zum ersten Mal wach und sind putzmunter.. naja, der Jetlag hält zum Glück nicht lange an. Am Sonntag erkunden wir nach dem Frühstück (Porridge oder Pancakes gibt es umsonst) die Stadt. Wie von allen Reiseführern prophezeit: Anchorage ist wirklich relativ klein und nicht sehr spektakulär. Eine amerikanische Stadt aus dem Bilderbuch. Also widmen wir uns direkt unserer großen Aufgabe: Autokauf!

    Wir haben bereits einiges an Recherche betrieben und einigen uns nach einem Mittagessen in der Mall darauf, die einzelnen Autohändler abzuklappern. Da es Sonntag ist, hat aber nur einer offen. Ohne Auto ist man hier etwas aufgeschmissen. Nachdem wir bei dem Mobilfunkgeschäft AT&T dem Verkäufer erzählen, dass wir noch kein Auto haben und zu Fuß unterwegs sind, schaut uns dieser nur mit großen Augen an: „Stay safe guys!“ Hm… ist das so ungewöhnlich auch mal zu laufen? Wir merken aber schnell, dass diese Stadt nicht auf Fußgänger ausgelegt ist.

    Bei dem Autohändler angekommen erspähen wir dann bereits unser Traumauto auf dem Hof: einen Chevrolet Express 2012. Etwas in die Jahre gekommen, aber noch in sehr gutem Zustand. Nachdem wir uns das Auto angesehen und am nächsten Tag eine Probefahrt gemacht haben (bei welcher wir das Auto auch gleich bei einer unabhängigen Werkstatt haben durchchecken lassen), sitzen wir schon am darauffolgenden Tag (Montag) bei dem Händler und unterschreiben den Kaufvertrag.

    Jetzt haben wir also ein Auto. So schnell und es ist das perfekte Auto für unser Vorhaben. Natürlich müssen wir noch einiges an Arbeit in das Auto stecken, die Rückbänke ausbauen und ein Bettkasten zimmern, Matratze und Bettzeug besorgen und das Auto bewohnbar machen. Aber es ist groß genug und liegt in unserem Budget. Bei der Bezahlung wird jedoch plötzlich unsere Kreditkarte abgelehnt… Das macht uns natürlich nervös denn bar können wir das Auto nicht bezahlen bei einem täglichen Abhebelimit von 500$ und Überweisung in die USA ist auch nicht einfach. Wir rufen also um 22 Uhr bei dem Kundenservice an, da dieser ja nur zu deutschen Werkzeiten erreichbar ist und am nächsten Tag klappt dann zum Glück auch der Bezahlvorgang!

    Am Dienstag Abend feiern wir den Autokauf mit Bier. Zufälligerweise gehen alle im Hostel an diesem Abend in einen Pub, das könnte uns nicht gelegener kommen! Ein toller Pub (riesig mit mehreren Bars und total verwinkelt) und natürlich kommt der Leadsänger der LiveBand auch aus Deutschland: „I lived there until I was 14! Do you know the Fantastische Vier?“

    Da wir das Auto nun also sicher haben, geht es am Mittwoch Mittag etwas verkatert direkt weiter mit dem Aufmöbeln. Wir stellen uns bei „The Home Depot“ (der amerikanischen Version von Obi inkl. orangenen Regalen und scheinbar benutzen auch alle Baumärkte der Welt die gleiche Schriftart für Preisschilder) auf den Parkplatz. Zunächst das Innere des Autos ausmessen und eine Skizze mit dem iPad fertigen: wie viel Platz haben wir? Welche Maße muss der Bettkasten haben?

    Wir betreten den Baumarkt insgesamt sechs mal mit immer anderen Anliegen und zimmern den Bettkasten auf dem Parkplatz. Viele neugierige Blicke laufen an uns vorbei und am Abend kommen sogar die Manager des Baumarkts rum: „Send us an E-Mail of the final result so we can make a poster an let everyone see what our German friends have done!”

    Wir sind bis 23 Uhr auf den Parkplatz. Es ist noch taghell aber wir sind bereits sehr müde. Zum Mittag gab es Burger bei Wendys und abends TacoBell… wir haben bereits jetzt die Nase voll von dem Fastfood, aber es ist leider die günstigste und schnellste Option. „Morgen kochen wir dann aber ganz sicher!“

    Inzwischen weiß auch (trotz täglich wechselnden Publikums) jeder im Hostel Bescheid, dass wir die zwei Jungs mit dem Van sind. Der Buschfunk im Hostel scheint also zu funktionieren.

    Letztendlich passt der Bettkasten mit viel messen, Sägen, hämmern, wieder Sägen (zu groß) und reinbuxieren ins Auto. Wir freuen uns. Jetzt fehlt nur noch die Matratze und die Boxen unter dem Kasten für unsere Kleidung. Das erliegen wir am Donnerstag neben den Entsorgen der Rückbänke.

    Hätte uns jemand vor einem Jahr gesagt dass wir in Alaska auf der Müllkippe stehen werden, um die ausgebauten Rückbänke unsere gerade gekauften Vans zu entsorgen, wir hätten das niemals geglaubt.

    P.S. Mein Rucksack ist auch endlich da. Von Berlin nach Zürich, von dort nach Vancouver und dann endlich nach Anchorage. Jetzt können wir auf den Roadtrip starten 🤩. (J)
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  • Day 10

    Gletscher, Wale und Elche

    June 12, 2023 in the United States ⋅ 🌧 6 °C

    Nachdem wir unsere erste Woche mit Autokauf und -ausbau verbracht haben, geht es für uns am Freitag endlich los auf den Roadtrip!

    Die erste Etappe machen wir direkt nicht alleine, sondern nehmen Kelly aus Chicago und Hilmar aus Amsterdam nach Seward auf der Kenai Peninsula (Halbinsel) mit. Die Kenai Peninsula ist ein großes Naturschutzgebiet, das von Wäldern, Gletschern und einem großen Icefield geprägt ist.

    Der Weg nach Seward ist schon ein absolutes Highlight! Grüne Mischwälder, hohe Berge und türkisfarbenes Gletscherwasser rahmen den Highway 9 von Anchorage nach Seward.

    In Seward übernachten wir auf einem Zeltplatz direkt am Wasser. Seward ist eine kleine Hafenstadt am Ufer des Resurrection Bay. Klein und beschaulich, aber durchaus charmant. Zunächst einmal bringen wir unsere Wäsche in den nächstgelegenen Salon (Laundromat genannt) und mithilfe einer freundlichen Dame fummeln wir uns in die Bedienungsweise der Maschinen. „Well I don’t work here you know“, antwortet sie, nachdem wir die sechste super spezifische Frage zu den Waschmaschinen und Trocknern stellen. Diese Hilfsbereitschaft von nicht angestellten Menschen sind wir nicht gewohnt!

    Später kochen wir im Regen unser erstes Abendessen on Tour, das wir dann aber im engen Auto verspeisen müssen. Schluck, dieser Standard wird erstmal etwas gewöhnungsbedürftig sein… Ich muss sogar eine Träne verdrücken, zuhause ist es jetzt bestimmt warm und sonnig.

    Auch die Zeltplätze hier sind anders als in Deutschland. Toiletten sind keine Selbstverständlichkeit und Duschen gibt es nur wenn man Glück hat (um heiß zu duschen sind wir hier in ein nahegelegenes Gym gegangen).

    Auf unserem Campingplatz stehen wir zwar in der vierten Reihe, können die Berge und den großen Fjord aber trotzdem beim Einschlafen aus unserem Auto beobachten. Die Nacht ist unerwartet kalt. Wir kuscheln uns fest in unsere Decke aber durch das undichte Auto schleicht die Kälte immer wieder ins Innere und so frösteln wir uns in den nächsten Tag.

    Am nächsten Morgen geht es nach dem Frühstuck auf eine Glacier Cruise. Die ist zwar teuer, aber jeden Cent wert: Wir fahren entlang von steilen Felsklippen und schroffen Waldhängen. „Alaska is rough, man!“ Je näher wir dem Gletscher kommen, desto kälter wird es. Auf der Fahrt sehen wir unglaublich viele Tiere: anfangs direkt einen Weißkopfseeadler. Wobei dieser bei der Rückfahrt unverändert an der gleichen Stelle sitzt (eine Attrappe um Beschwerden über mangelnde Tiersichtungen zu umgehen?).

    Kleine Wale springen wie Delphine entlang unseres Bootes und lassen sich von den Wellen treiben, wir sehen eine schlafende Buckelwalkuh. Wenn Buckelwale schlafen gilt das nur für eine Gehirnhälfte, die andere bleibt dabei wach und navigiert den Wal immer wieder an die Oberfläche um zu atmen.

    Näher an dem Gletscher sehen wir einige Seeotter, die sich durch die im Wasser schwimmenden Eisschollen auf dem Rücken treiben lassen und dabei fressen. Der Gletscher selbst ist gigantisch. Wir erreichen Temperaturen von unter null Grad und kleine Schlauchboote nah an Eingigangen sehen aus wie Stecknadeln. Auch kleine Gletscherabbrüche können wir beobachten. Durchgehend ist lautes Knacken und Krachen zu hören, was uns eine Vorstellung der Kräfte und Spannungen gibt, die hier herrschen.

    Auf der Rückfahrt schießt neben dem Boot eine schwertförmige Rückenflosse aus dem Wasser: ein Orca! Wir können unser Glück kaum fassen. Dann fahren wir an einem großen Felsen vorbei, auf dem sich eine Gruppe Seelöwen ausruht (wie sind die da hoch gekommen?).

    Nach sechs Stunden Fahrt sind wir zurück am Hafen und froh, wieder festen Boden unter den Beinen zu haben. Abends fallen wir müde, geschafft und völlig überwältigt von den Eindrücken dieses Tages in unser Bett. Die Nacht wird wieder kalt, aber diesmal sind wir wärmer angezogen.

    Den Sonntag verbringen wir vormittags noch in Seward und verabschieden uns von Kelly und Hilmar, die noch länger in der kleinen Hafenstadt bleiben.

    Wir fahren weiter, zunächst zum Exit Glacier einer Gletscherabbruchkante zu der man wandern kann. Mit Bärenspray und Regencapes ausgestattet starten wir also auf unsere erste (kleine) Wanderung. Ein bisschen nervös sind wir wegen der Bären schon, aber uns begegnet zum Glück keiner. Auch hier können wir wieder tolle Berghänge und Felsformationen beobachten und auch der Gletscher selbst ist ein einmaliger Anblick!

    Wieder am Auto zurück fahren wir weiter bis nach Hope. Ein kleiner verlassener Ort mit 79 Einwohnern. Wir entscheiden uns für den Campground in der Nähe des Strandes. Als wir gerade geparkt haben, spaziert ein Elch über die Straße und durch die Vorgärten der fünf Häuser auf der „Main Street“. Wir kaufen etwas Feuerholz und machen uns Abendbrot. Da wir ganz alleine sind, ist es sehr still. „Oh, you know yesterday it was packed here! We always have live Music here in this bar on the weekends but on Sundays everybody’s gone again” ließ uns der ortsansässige Imbissbetreiber wissen… schade, um einen Tag verpasst, aber so ganz alleine ist es auch sehr idyllisch. Einmal verwechseln wir einen Ast mit einem Bären und packen schnell alles ins Auto, aber sonst läuft der Abend sehr entspannt ab. Der Blick aus dem Auto am Abend und auch jetzt, morgens, ist wirklich wunderschön!

    Heute werden wir die Kenai Peninsula verlassen und uns langsam aber sicher Richtung Kanada aufmachen… (J)
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  • Day 14

    Wir haben Gold gefunden! 🤩

    June 16, 2023 in Canada ⋅ ☁️ 16 °C

    In Hope machen wir uns am Morgen des 12. Juni noch schnell im eiskalten Wasser des nahegelegenen Creeks bei lauter Musik (Bärenprävention) frisch. Dann geht es endlich los auf unseren Roadtrip!
    Einen kleinen Abstecher machen wir noch in Anchorage, um uns für die kommende Woche mit Lebensmitteln auszustatten und fahren dann über den Highway One Richtung Kanada. Es wird eine zweitägige Reise bis zu unserem ersten Ziel: Dawson City.

    Wir durchfahren unglaublich schöne Waldregionen mit riesigen Seen und hohen Bergen. Hier ist die Natur noch fast unberührt. Wir sind gerührt von der Schönheit dieser Wildnis. Über große, karge Hochebenen und durch weite, nur dünn bewachsene Tundraregionen fahren wir, die in dem Zwielicht der Abendsonne fast unheimlich wirken. Auf dem Alaska Highway, der teilweise eher als kleinen Schotterstraße daherkommt, sind wir ganz alleine. Nur alle 20 Kilometer steht mal ein einsames bewohntes Grundstück. „TRUM 2020“. Schnell weiter, liegen bleiben wollen wir in diesen einsamen Regionen wirklich nicht.

    Die Nacht verbringen wir auf einem Parkplatz abseits des Highways und fahren am nächsten Morgen weiter auf den „Top of The World Highway“. Der Name ist Programm: Der Highway gleicht vielmehr einem Bergpass, denn wir schlängeln uns über Stunden in 1.300 Metern Höhe durch die großen Berge, „Loose Gravel“ die ganze Zeit. Scharfe Kurven, keine Leitplanken und neben uns geht es hunderte Meter in die Tiefe. Aber wir bleiben cool und können so weit und breit die grünen Hügeln überblicken. Dann endlich, ganz unscheinbar und einsam: Die kanadische Grenze. Grenzkontrolle auf über 1000 Metern mitten im Gebirge, wir finden das total abgefahren. Die Kontrolle verläuft unproblematisch und in Kanada haben wir auch endlich wieder festen Asphalt unter den Rädern. Zumindest die ersten 200 Meter, bis die Straße sich wieder in „Loose Gravel“ und scharfe Kurven verwandelt. Doch es geht merklich bergab und wir fahren durch Canyons, mit schlotterigen Rinnsalen und hohen Abraumhalden. Hier haben also Goldgräber gewütet und unser Ziel, Dawson City, kann nicht mehr weit sein!

    Und so ist es auch: Wir fahren einen letzten Hügel hinab und halten an einem Schild: „Attention! Slow Ferry!“. Nach Dawson City kommt man nur mit der Fähre. Und die ist wirklich slow... Wir stehen also an und warten, bis auch unser Van endlich auf die Fähre passt (unser Auto ist hier übrigens eher die Mickey-Maus-Version eines „richtigen“ Campervans. Die Amis fahren teilweise mit zu Wohnwägen ausgebauten Reisebussen durch die Gegend).

    In Dawson City wohnen wir auf einem Zeltplatz, der sowohl heißes Duschwasser, Strom und auch WLAN anbietet. Wir können unser Glück kaum fassen und verlängern direkt auf zwei Nächte. Am ersten Tag in Dawson City fahren wir erstmal die alten Goldgräberstraßen ab. Wir passieren das verlassene Claim 33, in welchem man bis vor Corona noch selber Gold waschen konnte und das nun als Outdoor-Museum fungiert. Hier stehen alte rostige Gerätschaften, die um 1900 während des Goldrauschs als Abbauwerkzeug dienten. Die „Dredge No 4“ zeigt, mit welch riesigen Maschinen die Menschen den Boden umgegraben haben, um auch wirklich das letzte bisschen Erde nach Gold zu durchwühlen. Ganz schön brutal das ganze, aber die Natur schafft es doch auf den alten Halden mit ihren Wurzeln halt zu finden und fängt langsam an, das Gebiet wieder zu erobern.

    Zurück in Dawson City nehmen wir an einer Führung durch die historische Stadt teil. Dass die Stadt regelmäßig als Filmkulisse für Wildwest-Filme dient, glauben wir gerne! Wir besichtigen das alte Postamt, eine Bar und die Bank. Im Dawson City Hotel kann man sich einen mumifizierten Zeh in einen Drink seiner Wahl tun lassen. Wenn man den Zeh dann mit den Lippen berührt, erhält man eine Ehrenurkunde. Ursprünglich war der Zeh das Überbleibsel eines legendären Goldgräbers. Da zwischenzeitlich jedoch ein Youtuber den Zeh absichtlich runtergeschluckt hat, ist der neue Zeh nun der eines italienischen Bergsteigers, dem dieser Zeh bei einer Wanderung abgefrohren ist und der ihn gespendet hat, damit die Tradition fortleben kann. Wir lehnen dankend ab.

    Abends gehen wir zu einer Show bei Gerties. „Everybody knows Gerty“. Ein Casino, in welchem jeden Abend ConCon Tänzerinnen eine Varieté Show geben. Wir haben viel Spaß und schaffen es danach sogar noch auf den Midnight Dome, einen 300 Meter hohen Berg, der über der Stadt Dawson thront. Von hier hat man einen tollen Blick über den Yukon-River und Dawson City!

    Am nächsten Tag wollen wir selber Goldwaschen. In Dawson wir eine „Goldbottom-Tour“ angeboten. Goldbottom ist eine verlassene Goldgräberstätte ganz in der Nähe. David und seine Frau schürfen hier immernoch jedes Jahr nach Gold. Ein teures Hobby erzählt er uns, aber es lohnt sich. Wir können die aktuelle Ausgrabungsstätte begutachten. Mit riesigen Maschinen und schwerem Gerät wird hier der Boden umgegraben und nach Gold durchforstet. Auch Davids Mutter lebt noch in der Nähe und feiert morgen ihren 95. Geburtstag. In Goldbottom können wir uns auch selber im Goldwaschen versuchen und finden sogar etwas Gold, das wir auch behalten dürfen. Was für ein Erlebnis! Abends gehen wir nochmal zu Gerties zu einer anderen Show. Donnerstags bis Sonntags ist sogar das Casino offen und nun ist hier auch deutlich mehr los als noch am gestrigen Abend. Nach der 22 Uhr Show fahren wir nochmal hoch auf den Midnight Dome, um uns den Sonnenuntergang anzusehen. Die Sonne geht auch um 00:44 Uhr unter bzw. verschwindet hinter den Bergen. So richtig unter geht die Sonne hier nicht. Es bleibt durchgehen hell und um 03:30 Uhr geht sie wieder auf. So lange bleiben wir aber nicht mehr wach und gehen um 01:00 Uhr bei Tageslicht ins Bett. Heute Nacht schlafen wir direkt auf dem Midnight Dome in einer Parkzone. Dawson City war eine tolle Erfahrung!

    Die nächsten Tage wollen wir in Whitehorse verbringen und dort organisatorisches erledigen. Dann geht es Richtung Jasper und Banff in die Nationalparks. Aber da die Fahrt von Whitehorse nach Japser ca. 4 Tage à 7 Fahrstunden bedeutet, werden wir auf dem Weg dorthin sicher auch noch einiges erleben. Hoffentlich sehen wir dann auch endlich mal einen Bären! (J)
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  • Day 16

    Bären, Bisons und heiße Quellen 🧖🏻🧖🏼

    June 18, 2023 in Canada ⋅ ☁️ 15 °C

    Von Whitehorse machen wir uns auf den Weg Richtung Jasper. Es wird eine lange Reise, 1.930 Kilometer. Wir wollen uns 3-4 Tage für die Strecke nehmen. Guter Dinge fahren wir um 10 Uhr in Whitehorse los. Am ersten Tag wollen wir es bis zu den Liard River Hot Springs schaffen, natürliche heiße Quellen, in welchen man baden kann, was bei den aktuellen noch kühlen Nächten sehr verlockend klingt. Nach den ersten 300 Kilometern sehen wir am Straßenrand endlich den ersten Schwarzbären. Dann noch einen und noch einen. Hier sind die Bären also endlich wirklich da. Gebannt halten wir bei dem ersten Bären wo es sich anbietet am Straßenrand an. Dieser schaut nur kurz unbeeindruckt hoch und widmet sich dann wieder den Steinen, die er umdreht um darunter nach Käfern und anderen Insekten zu suchen. Ganz schön aufregend. Auf der ganzen Fahrt sehen wir bestimmt sechs oder sieben Schwarzbären. Auch landschaftlich fühlen wir uns wie im Märchen. Teilweise kommen wir uns vor, als wären wir live in einem Bob Ross Gemälde. Wie gemalt krönen die schneebedeckten Berge den Horizont. Davor der glasklare, mit Gletscherwasser gespeiste Bergsee, gerahmt von den grünen Mischwäldern Nordkanadas.

    Wir verlassen das Yukon Territory und passieren die Grenze nach British Columbia, dem angrenzenden Bundesstaat. „Attention! Wild Bison Crossing!“, lesen wir auf einem Schild an der Grenze. Wir fragen uns, ob es denn wirklich wilde Bisons gibt und kaum 10 Minuten später stehen wir mitten in einer wilden Bisonherde, die am Straßenrand steht und grast. Einige Kälber sind auch dabei und ein großer Bulle liegt entspannt aber wachsam am Straßenrand und beobachtet genau, wie wir uns verhalten. Wir fahren ganz vorsichtig und langsam an der Herde vorbei, denn sollten uns die Bisons als Gefahr einstufen, hat unser Auto wohl keine Chance, unversehrt gegen eine Horde wütender Bisons anzukommen. Zum Glück geht aber alles gut.

    Ein paar Kilometer weiter sehen wir einen Braunbären. Bei so weichem Fell und friedlicher Ausstrahlung, kann man sich kaum vorstellen, dass diese Bären wirklich Menschen angreifen würden. Gemütlich trottet der Teddy an der Straße entlang. Wir würden am liebsten aussteigen und ihn streicheln, machen das aber natürlich nicht.

    Nach etwa neun Stunden Fahrt erreichen wir endlich unser Ziel: die Liard River Hot Springs. Der hiesige Zeltplatz ist leider schon voll; aber es gibt einen angrenzenden Parkplatz, auf welchem man auch schlafen kann und trotzdem Zugang zu den Quellen hat. Das Angebot nutzen wir gerne. Wir schlüpfen in unsere Badehosen und laufen Richtung heißer Quellen. Wir wissen nicht genau, was wir erwarten können, sind aber völlig überwältigt von dem, was uns geboten wird: ein Holzsteg führt im Licht der Abendsonne durch einen dichten Wald und über große Sumpfflächen. Wir sehen zwei Elche, die mit ihren mächtigen Geweihen im Wald stehen und sich an der Natur sattfressen. Auch die heißen Quellen selbst sind ein wahrer Traum! Ein kleiner hölzerner Pavillon rahmt den Eingang zu den Quellen. Diese liegen inmitten des wunderschönen Nadelwaldes. Die Bäume lassen immer wieder das Sonnenlicht durchblitzen, welches sich im Dampf der heißen Quellen verfängt und so dem ganzen einen noch romantischeren Anstrich gibt. Das Wasser ist tatsächlich sehr heiß. Kleine Wasserfälle laufen von den Rändern des Beckens in das heiße Wasser und sorgen so für etwas Abkühlung. Dort, wo die Erdgase austreten kann man das Wasser richtig kochen sehen. Durch die Gase riecht es auch etwas schwefelig, aber es lässt sich insgesamt sehr gut aushalten. Neben den Quellen führt noch ein Weg hoch zu hängenden Gärten. Dort plätschert ein natürlicher Wasserfall über mehrere Steinvorsprünge, die von Wildblumen und Mosen erobert wurden. Wir wissen nicht, ob wir schon einmal in einem so schönen Wald waren.

    Ganz beseelt gehen wir zurück zu unserem Auto und schlafen auch bald ein. Die nächsten beiden Tage werden reine Fahrtage. Landschaftlich gibt es auch hier wieder einiges zu sehen, zum Beispiel den McLeod Lake mit grünen Inseln in der Mitte, ein paar verwahrloste Bergziegen, die sich vom Staub am Straßenrand ernähren oder den Mount Robson, der mit knapp 4.000 Metern der höchste Berg der kanadischen Rocky Mountains ist. All das passieren wir auf unserem Weg Richtung Jasper Nationalpark, wo wir die nächsten Tage verbringen und unsere ersten großen Wanderungen machen werden. (J)
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  • Day 22

    Jasper Nationalpark: Schnee & Chipmunks

    June 24, 2023 in Canada ⋅ ☁️ 18 °C

    Nach drei langen und anstrengenden Autofahrtagen und bislang insgesamt über 3.000 Kilometern Fahrt kommen wir endlich im Jasper Nationalpark an. Wir sind auf einem super schönen Campingplatz, unser Stellplatz liegt am Rand des Zeltplatzes umgeben von Bäumen. Hier soll es auch Bären geben, wir treffen aber glücklicherweise keinen an. Stattdessen nur einige Eichhörnchen, die sich von unserer bloßen Anwesenheit scheinbar gestört fühlen und ordentlich Alarm machen. Als sie jedoch merken, dass von uns keine Gefahr ausgeht, nehmen sie sich wieder ihre Lieblingsbeschäftigung an: Tannenzapfen aufknacken und die Samen fressen.

    Total ausgehungert von der langen Fahrt gönnen wir uns an diesem Abend seit langem mal wieder ein Essen im Restaurant. Bei Earl‘s kommen wir auf unsere Kosten und lassen uns neben „Crispy Prawn Sushi Tacos“ auch eine „Spicy Salmon Poké Bowl“ und einen richtig guten Burger schmecken.

    Am nächsten Tag gehen wir es erstmal entspannt an. Wir schlafen aus. Es regnet, also nochmal umdrehen. Gegen Mittag schluffen wir zu den Waschräumen und hören dort von einer Camperin, dass es in Japser scheinbar kurz vor unserer Ankunft heftige Schneefälle gegeben hat und die meisten Wanderwege derzeit sowieso gesperrt sind. „Also ich werde heute keinen Fuß aus meinem Camper bewegen“, teilt sie uns mit.

    Wir zucken müde mit den Achseln, gehen duschen. Dann gucken wir einen Film und machen Mittagsschlaf. Als wir davon erwachen, scheint die Sonne und die Vögel zwitschern. Jetzt wollen wir mal die Stadt von Japser erkunden. Jasper ist ein wirklich schöner kleiner Ort, mit einer Einkaufsstraße, netten Cafés und alten Gebäuden. Die meisten Gebäude sind zwar renoviert, aber dennoch wirkt Japser authentisch kanadisch. So wie man sich eine kanadische Kleinstadt eben vorstellt. Wir kaufen einige Lebensmittel für die nächsten Tage ein, heute Abend gibt es Burger. Die gelingen auch wirklich gut und schmecken köstlich. Nach diesem sehr entspannten Tag, stellen wir uns aber für den nächsten Tag um acht einen Wecker: „Morgen machen wir endlich unsere erste richtige Wanderung!“.

    Naja, auf den Wanderweg sind wir letztendlich so gegen 12. Das mit dem früh aufstehen müssen wir noch üben. „Aber wir sind ja jetzt auch in einer anderen Zeitzone. Für uns hat der Wecker schon um sieben geklingelt“. Dass wir zu spät dran sind, merken wir bereits bei der Parkplatzsuche. Wenn man hier in Ruhe wandern will, muss man eigentlich vor 07:00 Uhr auf den Wanderwegen sein.

    Die Wanderung die wir heute machen wollen heißt „Valley of the Five Lakes“. Und sie hält was sie verspricht. Fünf wunderschöne Seen begleiten diesen (leider zu Anfang etwas überlaufenen) Wanderweg. Wir haben noch nie so glasklares Wasser gesehen. Die türkisblauen Seen liegen unberührt und ohne Aufregung gebettet inmitten der Kiefernwälder des Jasper-Nationalparks mit den schneebedeckten Rocky-Mountains im Hintergrund. An einem See machen wir kurz Rast und gehen bis zu den Knien ins Wasser. Kalt aber schön.

    Die Folgen des Unwetters können wir nun auch sehen, denn der Wanderweg ist übersäht mit umgestürzten Bäumen. Teilweise müssen wir drüber steigen oder unten durch kriechen. Ab und zu laufen wir aber auch zwei Arbeitern des Nationalparks über den Weg, die mit ihrer Kettensäge die Bäume einfach dort abschneiden, wo sie den Wanderweg blockieren. Simpel aber effektiv.

    Wir entscheiden uns, den größeren Bogen um den letzten See zu laufen und unterschätzen ein bisschen, wie anstrengend das doch für uns wird. Kein Wunder, dass wir auf einmal auch ganz alleine auf dem Wanderweg sind. Also wieder laut sprechen und singen und bloß keinen Bären erschrecken und erst recht keinem über den Weg laufen.

    Bären treffen wir zum Glück keine. Nur einige Eichhörnchen die ganz süß ihre Tannenzapfen knacken. Dieser Emoji 🐿️entspricht in etwa genau dem, wie die Hörnchen hier auf den Bäumen sitzen.

    Die letzten drei der insgesamt neun Kilometer langen Wanderung suchen wir den passenden Platz für Rast. Hier fühlt es Johannes nicht, dort fühlt es Rico nicht, „aber wenn wir wieder an dem See rauskommen, da setzen wir uns ans Ufer und machen Rast!“. Nun ja, der einzige See an dem wir noch rauskommen ist ein milchiger, mückiger See mitten in der knallen Sonne, über dessen Steg alle Wandernden rüberlaufen. Diesen See (oder Teich) haben wir am Anfang der Wanderung auch überquert und wissen also, dass die Wanderung fast vorbei ist. Pause machen wir also am Ende in unserem sehr aufgeheizten Auto.

    Auf dem Rückweg überquert noch eine Elchkuh mit ihrem Jungen die Straße ganz selbstverständlich und ohne wirklich auf den Verkehr zu achten. „Fair“, denken wir uns, denn eigentlich ist das ja hier ihr Revier und nicht unseres.

    Für die nächste Wanderung (Maligne Canyon und Maligne Lake) stehen wir nun tatsächlich früh auf. Um sechs klingelt der Wecker und um 07:30 Uhr sind wir auf dem Parkplatz. Auf dem Weg sehen wir noch einen Elch mit deinem prächtigen Geweih, der sich an den mit Morgentau befeuchteten Büschen am Straßenrand sattfrist.

    Die Wanderung selbst ist atemberaubend. Ein kleiner Trampelpfad führt uns erst einige Kilometer tief in den Wald hinein, bis wir ein leises Plätschern zu unserer rechten hören. Dieses entwickelt sich, je weiter wir laufen, immer mehr zu einem lauten Rauschen, bis wir schließlich am Maligne River stehen, der sich mit unglaublicher Kraft und Stromstärke durch den Canyon windet. Mehrere Wasserfälle und Stromengen lassen das Wasser immer mehr beschleunigen. Die Natur kann manchmal ganz schön brutal und gleichzeitig so faszinierend sein. Gerade jetzt in der morgendlichen Idylle schneidet dieser peitschende Strom einen groben Kontrast und fügt sich dennoch so mühelos perfekt in das Gesamtbild ein.

    Nach dem Maligne Canyon geht es noch weiter zum Maligne Lake, wo wir den Mary-Schäffer-Loop laufen wollen. Je weiter wir fahren, desto mehr Schnee liegt am Wegesrand, bis wir letztendlich an einem völlig zugeschneiten Maligne Lake ankommen. So viel Schnee habe es im Juni hier noch nie gegeben erzählt man uns. Total abgefahren. Wir laufen in dünner Kleidung (Rico mit kurzer Hose) den zugeschneiten Mary-Schäffer-Loop, einen total malerischen kleinen Rundwanderweg, der sich entlang des Sees und durch den anliegenden Wald schlängelt. Hier im Schnee kann man leider auch die ganzen Spuren sehen, die uns wissen lassen, dass hier vor nicht all zu langer Zeit wenigstens ein Bär lang getapst ist. Inzwischen sind wir aber schon cooler was Bären angeht. Als wir um eine Ecke laufen sitzt mitten auf dem Weg ein Tannenhuhn, dass es sich auf dem Wanderweg gemütlich gemacht hat. Als es uns sieht wird es etwas nervös und auch der Hahn kommt dazu. Das Huhn steht auf und wir verstehen, warum es so aufgeregt ist: die Henne hat ihre Küken gewärmt, die vermutlich im Schnee so nicht überleben könnten und auf die Wärme durch ihre Mutter angewiesen sind. Auch die Tiere passen sich hier also dem ungewöhnlichen Wetter an.

    Wir sind ganz beglückt das beobachten zu können und freuen uns noch bis zum Ende des Wanderweges darüber. Auf der Rückfahrt sehen wir am Straßenrand sogar noch eine Schwarzbärin mit zwei jungen. Die kleinen Bären sind ja noch süßer als die großen!!

    Die restliche Zeit in Japser verbringen wir mit Planung der nächsten Wochen (Columbia Icefield Road, Banff, Revelstoke, Vancouver, Vancouver Island, Whashington State mit dem Olympic Nationalpark,…). Wir ziehen nochmal auf unserem Zeltplatz um, diesmal schlagen wir unser Lager neben einem kleinen Bach auf und rösten Marshmallows über dem Lagerfeuer. Das Feuerholz kriegt man hier dazu und von unseren Nachbarn kriegen wir sogar eine Axt für einen schmalen Taler. Rico freut sich ganz besonders, jetzt endlich mal Holz spalten zu können („Ich wollte schon immer mal eine Axt haben!“)

    Wir waschen Wäsche, gehen
    einkaufen und dann heißt es auch schon Abschied nehmen von Japser und dem Jasper Nationalpark. (J)
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  • Day 27

    Banff: Hochs und Tiefs (wortwörtlich)

    June 29, 2023 in Canada ⋅ ☁️ 22 °C

    Von Japser geht es über die Columbia Icefield Road nach Banff. Die Columbia Icefield Road soll eine der schönsten Strecken der Welt sein, zumindest dem TravelGuide zufolge, der uns in Jasper ausgehändigt wird.

    Auf dem Weg machen wir einige Stopps und strecken die rund 300 Kilometer auf einen ganzen Autofahrtag. Die Straße ist wirklich schön: sie schlängelt sich entlang der typisch-grünen Tannenwälder Kanadas, einiger See und auch bis hoch ins Gebirge, wo das Columbia Icefield besichtigt werden kann. Die Touren sind uns jedoch zu teuer. Wir machen lieber Halt an einigen Wasserfällen und Lookouts und nutzen das Columbia Icefield Infocenter als Mittagspausenstopp und WLAN-Quelle zur Planung der kommenden Wochen.

    Am späten Nachmittag kommen wir in Banff an und merken den Unterschied zu Japser sofort: ein Luxushotel reiht sich an das nächste, die Straßen sind voll mit Touristen und beim Einkaufen verlieren wir bei dem Trubel fast die Nerven. Banff ist deutlich touristischer als Jasper. „Naja“, denken wir uns, „dann wird ja zumindest auch unser Campground ganz nett und erschlossen sein“. Fehlanzeige! Wir müssen aus Banff eine gefühlte Ewigkeit zu unserem Zeltplatz fahren, der mitten in einem immer-feuchten Wald liegt. Statt einer heißen Dusche begrüßen uns mehrere Dutzend Moskitos und die sanitären Anlagen sehen aus, als wären sie seit 1980 nicht mehr renoviert worden (was wohl gar nicht so unwahrscheinlich ist). Unser erster Abend in Banff endet früh, denn am nächsten Tag klingelt schon um 05 Uhr der Wecker: wir wollen zum berühmten Lake Louise. Dieser ist nicht nur uns bekannt und wenn man nicht völlig im Tourismusdschungel untergehen will, muss man wohl spätestens um 06 Uhr morgens vor Ort sein.

    Gesagt, getan. Voller Euphorie sind wir am nächsten Morgen um 05:30 Uhr auf dem Highway Richtung Lake Louise und freuen uns auf das entspannte Morgenidyll an einem unberührten Gletschersee.

    Diese romantisch verklärte Vorstellung wird schnell mit der knallharten Realität überschrieben: gerade so kriegen wir noch einen der letzten Parkplätze. „Dayparking 21 $“. Mürrisch legen wir unsere Parking Permit hinter die Windschutzscheibe und machen uns auf den Weg zur Wanderung zum Lake Louise. Diese Wanderung dauert genau drei Minuten, denn der See ist quasi direkt am Parkplatz. Wirklich unberührt ist der See auch nicht: ein 15-geschossiger Hotelkomplex (Typ Platte mit Märchentürmchen) verspricht einen einmaligen Blick vom eigenen Hotelzimmer auf den Lake Luise und reiht sich problemlos ein in das Gesamtbild, das durch betonierte Wege und hunderte posierende Touristen komplettiert wird. Unsere Laune ist entsprechend. „Naja“ ,denken wir uns, „vielleicht gibt es ja hier in der Nähe doch noch einen recht ruhigen Wanderweg, damit die 21 $ nicht völlig zum Fenster rausgeschmissen sind“. Und so ist es auch: versteckt an der Seite von einem betonierten Weg um den See weist ein Schild den Wanderweg zum Lake Agnes und dem gleichnamigen Teehaus aus. Das ist genau nach unserem Geschmack und wir machen uns direkt auf. Die Wanderungist wirklich anstrengend. Die 3,8 Kilometer fühlen sich an wie 10. Es geht steht nur bergan und der Wanderweg selbst ist tatsächlich eher naturbelassen. Aber das ist auch was wir wollten. Als wir nach mehreren Pausen, kleinen Zickereien und viel Schweiß endlich beim Agnes Lake und dem Teehaus angelangt sind, ist es kurz vor acht. Das Teehaus macht um acht auf. Perfekt! Eine kleine Schlange hat sich schon vor der Hütte gebildet, aber das ist im Vergleich zum Lake Louise wirklich verkraftbar. Die Anstehenden kämpfen nach der Eröffnung um die Plätze draußen mit vermeintlich schönsten Blicken, aber wir entscheiden uns rein zu gehen, da es ohnehin noch sehr frisch ist. Das ist auch die beste Entscheidung, der Charme des Teehauses kommt im Innenraum erst wirklich zur Geltung und wir sitzen an dem schönsten Platz durch das Fenster auch einen wirklich malerischen Blick hatte. So kommen wir auch mit dem Team ins Gespräch („this is exactly the spot I sit at every morning!”) und im Hintergrund dudelt zwischendurch sogar „Pocahontas“ von „Annenmaykantereit“. Wir trinken Limonade und essen Suppe und Kekse. Als wir das Teehaus wieder verlassen, hat sich davor schon eine dermaßen lange Schlange gebildet, dass wir wirklich Mitleid mit den Wandernden haben, die es bis hier geschafft haben und dann noch so lange anstehen müssen. Für uns geht es aber erstmal noch etwas höher hinaus zum „Little Beehieve“ von welchem wir einen tollen Blick über den Lake Louise (ohne Touristen) haben. Der Abstieg ist auch nicht unanstrengend, aber wir sind wirklich froh, dass wir so früh gewandert sind, denn es kommen uns Massen an Menschen entgegen, die sich eine solche Idylle wir sie beim Anstieg hatten wohl auch wünschen würden. Letztendlich hat sich Lake Louise also doch gelohnt.

    Den Nachmittag nutzen wir, um ab dem nächsten Tag einen neuen Campground zu finden und kochen uns abends eine mittelmäßige Reisepfanne.

    Der zweite Banff-Tag wird genutzt zur Orga von Campgrounds und dem Buchen einer neuen Unterkunft in Vancouver (unsere bisherige hat wohl einen Wasserschaden). Am Mittwoch wollen wir mit der Sunshine Valley Gondola hoch zum Sunshine Valley fahren und von dort weiter mit dem Sessellift zum Start des Grizzly Lake Loop. Wir stehen wieder früh auf, um die erste Gondel um 08 Uhr zu erwischen. Doch auch hier haben wir Pech: die Gondel fährt nicht (Reparaturarbeiten). Als Ersatz wird ein Bus-Shuttle angeboten, preislich bleibt es aber bei den 65 $ pro Person. Immerhin funktioniert der Sessellift und eine Fahrt in einem klapprigen, gelben Schulbus der zum Shuttle umfunktioniert wurde, ist auch kein uncooles Erlebnis (wir fühlen uns wie Bart Simpson).

    Oben im Sunshine Valley geht es auf den Sessellift und von über 2.100 Metern dann los auf die Wanderung. Diese Wanderung ist die malerischste und bezauberndste die wir bisher gemacht haben: wir sind fast ganz alleine mitten im Hochgebirge, umgeben von Bergblumen, riesigen Wiesenflächen und atemberaubenden Ausblicken. Uns begegnen nur mehrere Nager auf dem Weg und auch ein zutrauliches Murmeltier kreuzt unseren Weg. Die Wanderung führt entlang von drei Seen und passiert auch den „Simpson-Lookout“ (wie passend).

    Der Hinweg geht fast nur bergab, das Wissen, auch alles wieder hoch zu müssen entmutigt uns bei einer solchen Atmosphäre aber nicht. Der Gedanke an Bären ist bei uns zwar immer noch im Hinterkopf vorhanden („Be Bear Aware!“) aber wir sind inzwischen schon deutlich entspannter und natürlich begegnet uns auch kein Grizzly (auch nicht am Grizzly-Lake).

    Der Rückweg ist so wie am Lake Louise: uns kommen ununterbrochen Wandergruppen entgegen und wir sind wieder darin bestätigt: früh Wandern lohnt sich! Als wir zurück kommen fährt die Gondel wieder, wir gönnen uns aber erstmal noch einen Snack (überbackene Nachos) im ansässigen Pub. Gerade als wir fertig sind, donnert es in der Nähe und die Gondel schließt, diesmal wegen des Wetters („Is‘n Scherz oder?“). Zunächst beschließen wir zu warten und überbrücken etwas Zeit mit Billardspielen im Pub, aber als auch nach 1,5 Stunden keine Wiedereröffnung der Gondel in Sicht ist, geben wir auf. Also wieder mit dem Bus runter. Die Gondel hat leider nicht geklappt, aber die Wanderung war’s trotzdem wert (und Sessellift fahren war auch ganz nett ☺️).

    Insgesamt ist uns Banff zu touristisch und wir beschließen, einen Tag früher als geplant abzureisen. Den letzten Tag wollen wir noch im Johnston Canyon wandern gehen und dann weiter ziehen in Richtung Revelstoke und Vancouver.

    Für den Johnston Canyon heißt es wieder um 06 Uhr aufstehen. Diesmal ist der Parkplatz wirklich leer und wir können die Wanderung sehr genießen. Sie führt entlang zwei toller Wasserfälle und weiter bis zu den „Inkpots“, kleine Seen in verschieden Farben, die von unterirdischen Quellen gespeist werden. Auch hier wieder viel bergan und bergab, wir schwitzen, aber die Ausdauer wird langsam schon besser. Bei den Inkpots sind wir ganz alleine und können eine ausgedehnte Pause mit kleinem Schläfchen machen. Auf dem Rückweg treffen wir wieder viele Wandernde und zweigen auf halber Strecke Richtung „Moose Meadows“ (zu deutsch: Elchwiesen) ab, ein Umweg von ca fünf Kilometern. Hier erhoffen wir uns aber große weite Wiesen und vielleicht auch den ein oder anderen Elch. Naja, der Wanderweg schlängelte sich durch einen sehr dichten Tannenwald („Wo sind die Meadows und wie zur Hölle sollen hier Elche durchpassen??“) und endet auf dem Moose Meadows Parkplatz. Von hier müssen wir nochmal zwei Kilometer entlang des Highways laufen, auf dem oft Grizzlys gesichtet werden. Doch auch diesen Entspurt in der heißen Sonne schaffen wir und genießen dann, nach 16 Kilometern Wanderung (und 123 Stockwerke An- und Abstieg laut der iPhone Fitness App) die Klimaanlage im Auto. Mittags heißt es dann Kaffee trinken und FindPenguins schreiben und den letzten Abend gehen wir nochmal richtig schön essen (Rico will Bison Ribeye Steak probieren).

    Banff war insgesamt sehr durchwachsen. Touristisch aber trotzdem landschaftlich wirklich schön. Also Hoch‘s und Tief‘s sowohl emotionaler Art als auch auf den Wanderungen. Weiter gehts nach Revelstoke! (J)
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  • Day 34

    Big City Life in Vancouver

    July 6, 2023 in Canada ⋅ ☁️ 27 °C

    Von Banff fahren wir einen Tag früher als geplant los Richtung Vancouver. Einen Zwischenstopp machen wir in Revelstoke mit zwei Übernachtungen. Die ganze Strecke von Banff nach Vancouver zieht sich, es geht viel bergauf und bergab und landschaftlich haben wir uns inzwischen an Kanada auch gewöhnt. Revelstoke ist ein kleines, beschauliches Örtchen. Es gibt dort einen ganz netten Nationalpark, den Mount Revelstoke mit dem Meadows in the Sky Parkway. Wir machen dort ein paar kleine Wanderung und besichtigen auch den großen Staudamm, aber mehr gibt es in Revelstoke dann auch nicht zu tun. Am Sonntag machen wir uns nach einem sehr amerikanischen Frühstück bei Dennys (Pancakes MIT Bacon UND Ahornsirup UND Spiegelei UND Hashbrowns, unser Cholesterinspiegel ist für die nächsten Wochen überlastet) endlich auf in Richtung Vancouver. Unser Hotelzimmer in Vancouver haben wir erst ab Montag, aber da es Freitag schon weiter nach Vancouver Island geht, wollen wir den Montag voll in Vancouver auskosten und nicht als Autofahrtag verschwenden.

    Sonntag Abend kommen wir also nach einer langen Autofahrt in Vancouver Downtown an und haben erstmal einen ganz schönen Kulturschock. Wir sind nach so langer Zeit in beschaulichen Nationalparks und einsamen Gegenden von dem Verkehr und den ganzen Menschen etwas überfordert und flüchten erstmal ins Kino: Indianer Jones 5. Genau das, was wir gerade brauchen. Vorher schlagen wir uns noch den Bauch mit frischem und überraschend gutem Indischen Curry aus dem Deli im Supermarkt voll. Die Nacht verbringen wir in einer Einfamilienhausgegend auf der Straße und schlafen in unserem Auto (ein bisschen Lichtenrade-/Karow-like).

    Montag früh fahren wir dann direkt morgens zu unserem Hotel und haben Glück: wir können schon einchecken. Wir bekommen ein 2-Zimmer Apartment im 17. Stock mit tollem Blick über Downtown. Den Tag in Vancouver verbringen wir mit Sightseeing. Im Hop-On Hop-Off Bus geht es zwei Stunden durch Vancouver mit den schönen Seiten wie der Robson Street und dem Stanley Park (den wir bald auch mit dem Rad erkunden wollen) und den nicht so schönen Seiten, wie Chinatown. Wir schlendern am Nachmittag noch durch die belebte und kulinarisch vielfältige Robson Street und gönnen uns einen in Asia-Instantnudeln panierten riesigen Mozzarella-Corn-Dog mit Ranch & Barbecue Dressing (pervers!!).

    Am Abend steht ein besonderes Highlight auf dem Programm: Wir haben einen Tisch in dem sich drehenden Panoramarestaurant im Vancouver Lookout Tower reserviert. Im gläsernen Fahrstuhl geht es auf 170 Meter Höhe. Tatsächlich bekommen wir einen Tisch direkt am Fenster und können einen wahnsinnigen Blick über Vancouver, den Hafen, das Meer und sogar bis zum Mount Olympic in Washington State (USA) genießen. Im goldenen Licht der untergehenden Sonne lassen wir uns nach einem Aperitif bei einer Flasche Wein einen Hummer (Rico) bzw. ein Thunfischsteak (Johannes) schmecken. Auch der Blick bei Dunkelheit ist faszinierend und der erste volle Tag in Vancouver findet so den perfekten Abschluss.

    Am Dienstag leihen wir uns Fahrräder aus und wollen auf den Rädern entlang des wohl sehr tollen Radwegs zum Granville Market, einem Markt mit vielen kleinen Shops und großer Markthalle. Der Plan ist; dass wir uns hier mit Lebensmitteln eindecken und dann im Stanley Park picknicken. Der Radweg ist wirklich ganz malerisch schön, man kommt sich vor, wie in einer perfekten grünen Utopie: Breite Wege für Fußgänger, Spielplätze, Cafés, Blumenbeete, Wohnblocks und der zweispurige Radweg. Weit und breit keine Autos, kein Verkehr, Vancouver ist also wirklich zumindest zum Teil eine Stadt für Menschen und nicht für Autos. Das macht uns sehr glücklich. Am Granville Market angekommen bummeln wir ein bisschen durch die hübschen Geschäfte und kaufen uns sogar eine Hängematte. In der Markthalle sind wir ganz überwältigt von der Auswahl an frischen und leckeren Lebensmitteln und Streetfoodständen. Der Magen knurrt schon, also holen wir uns doch schon etwas für gleich und machen das Picknick gleich vor Ort. Es gibt Pasteten, Spinattaschen, Quiche und Cupcakes. Dazu frischer ungesüßter Eistee und Limonade 😋.

    Nachdem wir uns die Mägen vollgeschlagen haben geht es weiter zum Stanley Park. Das erwartete Picknick hätten wir hier auch gar nicht zufriedenstellend machen können, denn der idyllische Park aus unserer Vorstellung ist in Realität ein mit Straßen und Parkplätzen durchzogener Forst, der keine Liegeflächen bietet und auch keine Möglichkeit unsere Hängematte auszuprobieren (was uns der Verkäufer aber versichert hat). Naja. Zum Glück haben wir das Picknick schon vor Ort im
    Granville Market erledigt.

    Am Abend gibt es in der Bar neben unserem Hotel einen Bingoabend, moderiert von einer Dragqueen. Wir sind früh dran und trinken noch etwas auf der Terrasse. Auf die Frage, wann es denn losginge wird uns geantwortet: „When the Dragqueen arrives. You‘ll notice, she’s very loud!”. Und so war es auch: kreischend und mit allen, die nicht bei drei auf dem Baum waren flirtend betritt die Drag Queen die Bar. Dann geht auch schon der Bingo Abend los. Es werden sechs runden Bingo gespielt. Da es unser erstes Bingo ist, muss Rico auch mal die ein oder andere Frage stellen. „I‘m gonna get you, you cutie with your accent!”, kommt es von der Drag Queen zurück. Insgesamt haben wir viel Spaß, ein Bingo haben wir an dem Abend leider nicht.

    Mittwoch wollen wir einen anderen Teil von Vancouver besichtigen: Gastown. Vorher wollen wir aber noch in die Kunstgalerie Vancouvers, die unter anderem derzeit „Fictional Fashion” ausstellt. Futuristische und fiktive Kleidung, die in einem Paralleluniversum getragen werden könnte. Auch werden Kleider präsentiert, die mit dem 3D-Drucker gedruckt wurden oder aus unkonventionellen Stoffen, wie zB Zellulose gefertigt wurden. Insgesamt war der besucht der Kunstgalerie ganz cool, aber auch nicht unbedingt die 70 $ wert. Nun also weiter nach Gastown. Gastown ist der historische Teil Vancouvers, mit alten Gaslaternen und drei- bis vierstöckigen Backsteinhäusern. Das Viertel ist hip und touristisch, aber auch nicht sehr groß. Nach zwei Straßen sind wir schon durch. Abends verschlägt es uns noch einmal ins Kino (Elemental: ein total süßer Animationsfilm über die Elemente Feuer, Wasser, Erde und Luft).

    An unserem letzten Tag in Vancouver frühstücken wir (wie immer) auf unserem Balkon und genießen nochmal den Blick von Downtown. Vor unserem Hotel gibt es direkt einen kleinen Bäcker, der wirklich gute Brötchen hat und dazu gönnen wir uns immer Iced Coffe und Iced Matcha. Heute leihen wir uns nochmal Fahrräder aus. Besser gesagt ein Tandem. Damit fahren wir durch Downtown und genießen das Großstadtgefühl. Vancouver ist uns inzwischen richtig ans Herz gewachsen. Wir stoppen zum Shoppen und halten auch bei der Stadtbücherei, die eine tolle Dachterasse mit Garten hat. Im Granville Market holen wir uns nochmal leckere Kleinigkeiten und fahren dann weiter zu einem der vielen Strände in Vancouver. Hier ist der Pazifik recht warm, da Vancouver nicht direkt am Meer liegt, sondern an einem Fjord und sich das Wasser schneller aufwärmt. Den letzten Abend lassen wir noch mit einem Drink in einer der vielen Bars ausklingen und packen dann am Freitag unser Auto, denn jetzt geht es auf die Fähre nach Vancouver Island! (J)
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  • Day 38

    Vancouver Island und der Pacific Rim

    July 10, 2023 in Canada ⋅ ☁️ 16 °C

    Autofähre. Das ist immer ein ganz besonderes Erlebnis. Gut gelaunt und voller Enthusiasmus fahren wir einmal quer durch Vancouver bis zum Fährhafen Tsawwassen. Wir werfen einen letzten Blick zurück auf Vancouver und dann geht es auf das riesige Schiff. Bei der eineinhalbstündigen Überfahrt nach Swartz Bay im Osten Vancouver Islands lassen wir uns den Wind um die Ohren wehen. Die offene See wird schon bald abgelöst durch zahlreiche Inseln. Einige besiedelt, andere scheinbar unberührt. Felsen ragen aus dem Wasser. Ein Fischer dreht in einem Bötchen seine Kreise. Und auf einmal war da diese dunkle Flosse. Nur kurz war sie zu sehen. Und schon wieder. „Das sind Orcas!“. Wir werfen uns einen wissenden Blick zu und zücken die Kamera. Einige Minuten begleiten uns die zwei Killerwale bevor sie abdrehen. Eine schöne Begegnung.

    Als wir in Swartz Bay ankommen ist es 14:00 Uhr. Unser Ziel ist Tofino, ein kleines Hafenstädtchen im Osten der Insel: 3 Stunden Autofahrt, das klingt machbar. Nach ca. 30 Minuten ein Stau. Der Blick geht aufs Navi: eine Fähre bringt hier die Autos über eine Art Fjord: 30 $. Die alternative Route um den Fjord herum: 15 Minuten länger als die Fähre. Letzteres machen wir also und kaum ein paar Meter gefahren beginnt das Abenteuer: die Straße wird schmal sobald wir das letzte Haus passieren. Ein Wald tut sich auf. Urig, quasi ein Urwald. Farne, alte Bäume, dicht gedrängt. Die Straße windet sich hindurch - bergauf, bergab - und dazu ständig Gegenverkehr (da sparen sich wohl einige die 30 Kröten für die Fähre). Dann - in letzter Sekunde - scharf gebremst, weil ein Reh in aller Seelenruhe über die Straße schlendert. Na immerhin das Reh ist entspannt. Nach gefühlt einer halben Ewigkeit endet die verschlungene Abenteuerstraße auf dem Highway, der schon bald am Zielhafen der kleinen Fähre vorbeiführt. Aus den 15 Minuten Umweg wurden am Ende 2 Stunden, 3 graue Haare und ein Liter Schweiß.

    Weiter gehts nach Tofino - jetzt aber auf direktem Weg. Unser Navi kennt zum Glück eine kleine Abkürzung, dadurch können wir wieder ein wenig Zeit gut machen… also runter vom Highway und rauf auf die Waldstraße. Herrlich. Ganz abgelegen. Und dann wird die Straße zu einem Schotterweg. Angenehm werden wir kilometerlang durchgeschüttelt, Staub überall. Dann ein Schild, wir können es nicht lesen (staubbedingt). Dann das nächste Schild: „Trespassers will be prosecuted“ (Eindringlinge werden strafrechtlich verfolgt). Wir fahren weiter, wir wollen ja schließlich Zeit gut machen! „Streets are patrouliced by unmarked vehicles“ (Unmarkierte Wagen fahren Patrouille!). Diese Art von Hinweisen häuft sich derweil. Die Schriftfarbe ändert von schwarz auf rot. Wir werden immer langsamer. Schließlich stehen wir. Abbruch! Wir wenden. Diese Aktion hat sich am Ende also auch nicht sonderlich gelohnt (+1 Stunde).

    Zurück auf dem regulären Weg Richtung Tofino wird es nochmal richtig malerisch. Die Straße schlängelt sich in engen Kurven durch die bergige Landschaft. Als es langsam dämmert, dämmert es auch uns: Wir haben den Zeltplatz gar nicht für diese Nacht reserviert, sondern erst für die darauffolgende. Nun gut, erstmal ankommen und dann verhandeln, vielleicht lässt sich ja was machen. Und dann - wirklich 500m vor den Ziel - fliegt uns zu allem Überfluss doch echt der linke Scheibenwischer um die Ohren! Einfach weg. Also U-Turn, und in Schrittgeschwindigkeit die Landstraße zurück. Nicht lange und wir haben das gute Stück unversehrt gefunden. Glück gehabt. So kann es weiter gehen. Und so geht es auch weiter: Am Zeltplatz angekommen - mittlerweile ist es 22 Uhr - dürfen wir auf dem so genannten Over Flow Parking stehen. Am Ende ein bewegter Tag an dem wir nur noch ins Bett fallen.

    Am Samstag lassen wir es ruhig angehen. Nach dem Ausschlafen gehts mit dem Auto 20 Minuten ins beschauliche Tofino mit seinen 1900 Einwohnern (unser Zeltplatz liegt etwas außerhalb). Es gibt ein erstklassiges veganes Frühstück und frischen Kaffee. Es folgt ein Spaziergang durch den Ort. “Surfer Paradies”, hatten wir im Vorfeld gelesen. Wir also in der Main Street. Viele Autos. Wenig Fußvolk. Und schon garnicht Surfer. Ein Laden. Eine Bruchbude. Ein Café. Ein Bootsanleger. Ne Baustelle. Also die Surfer-Atmosphäre haben wir uns anders vorgestellt. Wir beschließen, es für heute dabei zu belassen, gehen im hiesigen Supermarkt ein paar Lebensmittel kaufen und cruisen „super surfy“ zurück zum Campground.

    Für diese Nacht haben wir eine Reservierung, wir checken also ein und und richten uns auf Camp Site 87 ein. Es ist der Wahnsinn! Rückwärts eingeparkt stehen wir in erster Reihe an einer Steilküste und können, vorbei an Jahrhunderte alten Douglasien und Zedern mit ihren massiven Stämmen, den Pazifik sehen und hören. Es ist malerisch. Die Hängematte aus Vancouver bauen wir fast schon zeremoniell das aller erste Mal auf. Beim ersten Belastungstest geht - fast schon erwartungsgemäß - ein Knoten auf, sodass die Hängematte samt Zuladung (Rico) auf dem Boden landet. Nach hämischem Gelächter folgt der zweite Versuch. Diesmal hält alles und so kann ausgiebig mit Kreuzworträtsel und Prosa relaxt werden. Später kochen wir ein wirklich gutes Kokos-Süßkartoffel-Curry bevor wir runter an den Strand gehen und nach anfänglichem Zögern in den kalten Pazifik springen. Es ist wirklich kalt und die Wellen sind nicht zu unterschätzen. Aber es fetzt.

    Der Sonntag ist grau und frisch. Nach dem Frühstück machen wir einen Strandspaziergang. Die Ebbe hat etliche Felsen freigelegt, die von allerlei Meeresgetier bevölkert werden. Wir schalten direkt in den Entdeckermodus. Neben unzähligen Miesmuscheln finden wir farbenprächtige Seeanemonen, Krebse und kleine Fische. Das Highlight aber war der handgroße Seestern, der - vollständig von Wasser bedeckt - entspannt an einem Stein klebte. Danach ging es ins Café Rhino, einem beliebten Treff für junge Leute (sind das die angepriesenen Surfer?) und Touris. Sowohl der Kaffee, als auch die angebotenen Donuts und das WLAN waren hervorragend. Wir sitzen bestimmt drei Stunden hier, beobachten das bunte Treiben und planen nebenbei grob die nächsten Wochen. Grobplanung heißt, wir schauen wo und wie lange wir etwa bleiben wollen und recherchieren schon mal nach Zeltplätzen und potentiellen Aktivitäten und Sehenswürdigkeiten. Der Blog Eintrag über Vancouver ist hier auch entstanden. Solche Ereignisse nennen wir “Adminsession”.

    Und dann reißt der Himmel auf. Die Köpfe rauchen. Also ab zum Strand und rein ins Meer. Der heutige Strand liegt auf halbem Weg zwischen Tofino und Zeltplatz in einer betuchten Wohngegend. Parken können wir überall. Aber wir werden auch alle 10 Meter auf Verkehrsschilder mit immer der gleichen Frage konfrontiert: “Have you paid for parking?”. Erst denken wir noch, wir können schlauer sein als das System und gurken ewig durch das Villenviertel. Schließlich geben wir aber resigniert auf und zahlen brav die Parkgebühr. Fühlt sich an wie eine Niederlage. Ist ja auch eine.

    Am Montag, wird ausgiebig gewandert, schließlich sind wir seit 3 Tagen mitten im Pacific Rim National Park, der einen der größten gemäßigten Küstenregenwälder der Welt beheimatet. Zunächst geht es auf die zwei Rainforest-Trails, die jeweils etwa 1,5 km auf Holzstegen durch den Urwald führen. Wir sind begeistert. Von dichtem Grün umringt führen beide Wege vorbei an uralten Riesenlebensbäumen, mächtigen Zedern, abgstorbenen Baumriesen, durch Schluchten hindurch und vorbei an kleinen Bächen. Die Luft ist feucht. Urtümliche Geräusche von Vögeln schallen durch den Wald. Flechten und Moose besiedeln jeden Ast und jeden Fels, dabei gleichen die Flechten langen Zottelbärten die wild vor sich hin wuchern. „Ein gelungener Auftakt“, sind wir uns einig und fahren weiter nach Tofino, wo schon das Wassertaxi auf uns wartet. Das Boot, welches einem alliierten Landungsboot aus dem Zweiten Weltkrieg ähnelt soll uns nach einer 15-minütigen Fahrt auf eine benachbarte Insel bringen. Das tut es auch. Und wie! Der leistungsstarke Motor schraubt sich wirklich ambitioniert durchs Wasser. Wir nehmen vorsorglich unsere Mützen ab. Auf einem Felsen sonnen sich entspannt ein paar Robben. Wir erreichen Meares Island, eine Insel die den ansässigen Native Americans zugesprochen wurde. Auf der fast zweistündigen Wanderung durch diesen noch urwaldigeren Urwald kommen wir an noch älteren Bäumen vorbei, einige dürften nach Schätzungen um die 1000 Jahre alt sein. Sie sind wirklich majestätisch: Ihr Umfang sprengt die Vorstellungskraft und auch ihre Höhe ist nicht im Ansatz vergleichbar mit den Bäumen aus Mitteleuropa. Wahre Giganten. In einer kleinen Bucht machen wir eine Pause mit Banane und Keksen bevor wir uns wieder auf machen ins ewige Grün. Auch diesen Trail haben wir gemeistert und beseelt von der Schönheit und Artenvielfalt der Natur geht es wieder peitschend-forsch mit dem Wassertaxi zurück ans Festland. Am Abend gucken wir dann Twilight im Van. Schließlich gehts schon bald nach Washington State, wo die Haupthandlung der Saga spielt.

    Vorher reisen wir jedoch noch weiter nach Victoria, die größte Stadt auf Vancouver Island. Das 300.000-Einwohner Städtchen gefällt uns auf Anhieb. Es wird viel Wert auf angelegte und gepflegte Grünflächen gelegt, etliche Brunnen sorgen für Erfrischung. Das Publikum ist international, genauso wie das angebotene Essen. Der Hafen ist quirlig mit seinen Wassertaxis, Dampfern und Yachten, die sich scheinbar kreuz und quer (aber vermutlich trotzdem Regeln folgend) ihren Weg durchs Hafenbecken bahnen. Zahlreiche Gebäude in Downtown sind im victorianischen Stil erbaut. “Irgendwie europäisch”, stellen wir fest. Mit dieser Erkenntnis pfeifen wir uns zum Abendbrot einen wirklich leckeren Burrito bzw. Enchiladas beim Mexikanischer rein bevor wir auf unseren heutigen Camp Ground ein wenig außerhalb der Stadt aufmachen. Dieser liegt ganz unaufgeregt eingebettet zwischen Obstbäumen fast direkt am Meer. Die Szenerie gleicht einem Zeltplatz an der Nord- oder Ostseeküste. Wir fühlen uns heimisch. Auf einem alten Treibholzstamm sitzend schauen wir über die Meerenge auf die vielen Inseln und genießen die letzten Sonnenstrahlen. Wir rätseln ob da vielleicht jemand wohnt.“Wäre cool mal für ein oder zwei Stündchen eine Meerjungfrau zu sein, dann könnten man mal die Unterwasserwelt erkunden, es ist bestimmt ganz friedlich”. Auf dem Weg zurück zum Van dann noch ein Weißkopfseeadler. Hoch oben in einem Baum überblickt er seelenruhig das Geschehen. Zurück im Van bauen wir unser Heimkinosystem auf und gucken - na klar - den nächsten Twilight Teil.

    Mittwoch. Die letzten Stunden in Kanada. Ein letztes Frühstück in Victoria. Stilecht in einem American Diner mit Bacon, Avocado, pochiertem Ei und Sauce Hollandaise. Gestärkt und mit verstopften Arterien hauen wir bei Starbucks noch die letzten kanadischen Dollar auf den Kopf und begeben uns dann zur Fähre. Die Grenzbeamten walten ihres Amtes und segnen unsere Einreise in die Vereinigten Staaten ab ohne mit der Wimper zu zucken (komplette Emotionslosigkeit). Das Auto ist auf der Fähre. Es kann losgehen. (R)
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  • Day 41

    Vampire & Treibmammutbäume in Washington

    July 13, 2023 in the United States ⋅ ☀️ 15 °C

    Zurück in den Vereinigten Staaten! Nach ca. 2 Stunden Fährfahrt kommen wir in Port Angeles an. Erstmal wieder durch die Grenzkontrolle, ein zunächst etwas grimmig wirkender Grenzbeamter möchte wissen, was wir in den USA wollen und wie wir uns das alles denn leisten könnten. „Well, we‘ve worked so hard!!“. Nach der Frage ob wir Orangen oder Eier einführen würden (Milch und Bananen waren aus irgendwelchen Gründen kein Problem), lächelte er uns an: „Enjoy your vacation! You deserved it after all your hard work!“. Naja, zumindest haben auch die grimmigsten Grenzbeamten Humor!

    In Port Angeles angekommen, fahren wir erstmal zu Walmart, um Lebensmittel zu kaufen und sind total überwältig wie vielfältig das Angebot ist, verglichen zu Kanada. Hier haben wir jetzt vier Monate, um uns mal durch alles durchzuprobieren.

    Zurück in Port Angeles gehen wir bei „Bella Italia“ essen (später erfahren wir, dass der
    Name tatsächlich auch eine Anspielung auf Twilight sein soll). Es gibt Meatball Spaghetti und Penne Alfredo. Beides ganz gut, aber auch nicht outstanding.

    Dann fahren wir tatsächlich noch eine knappe Stunde entlang des Olympic Nationalparks zu unserem Zeltplatz. Die Straße windet sich entlang riesiger Waldhänge die in goldenes Licht getaucht sind. Wir haben schon viele bewaldete Berge in Nordamerika gesehen, aber diese hier finden wir besonders schön, ohne das an etwas Bestimmten festmachen zu können. Auch wenn wir noch nie im Washington State waren, fühlen wir uns hier direkt sehr wohl. Als wäre uns der Ort schon vertraut. Vielleicht liegt das auch daran, dass wir uns so sehr mit diesem Teil der USA und den hier angelegten Geschichten beschäftigt haben.

    Am nächsten Morgen geht es nach Forks, in die Stadt, um welche es hauptsächlich in Twilight geht. Die Beschreibung aus den Büchern stimmen ganz gut mit der Realität überein: Forks ist eine sehr kleine, schläfrige Stadt, mit einer größeren Straße, die jedoch neben einigen Restaurants und kleinen Geschäften nicht sonderlich viel zu bieten hat. Dass der Twilight-Tourismus eine große Rolle für die Stadt spielt, merken wir sofort: in beinahe jedem Schaufenster gibt es Twilight-Fanartikel zu kaufen oder es wird zumindest mit netten Wortspielen versucht, die Touristen in das Geschäft zu locken. So wird bei Sully‘s Burgers unter anderem der “Twilight-Punch” und der “Bella-Burger” serviert.

    Auch wir kommen nicht drumrum und nehmen an einer Führung durch das Twilight-Archiv von Forks Teil. Hier können wir Original Kostüme aus den verschiedenen Filmen der Serie bestaunen und sogar die Puppe, die liebevoll “Chuckesmee” getauft wird (ein Mix aus dem Namen des Babys im Film, Reneseme, und Chucky der Mörderpuppe). Da wir vor der Tour gewarnt werden, dass diese Puppe besessen sein soll und schon einige unheimliche Dinge vorgefallen sind, halten wir von ihr lieber etwas Abstand.

    Nachdem wir den Vormittag in Forks verbracht haben, fahren wir am frühen Nachmittag tiefer in den Olympic Nationalpark.

    Der Olympic Nationalpark ist „der atemberaubendste gemäßigte Regenwald der Welt“ (laut unserem Reiseführer) und beherbergt die „größte Biomasse der Welt“ (Reiseführer).

    Hier gibt es Riesenlebensbäume, Sitka-Fichten und Hemlock-Tannen. So richtig voneinander unterscheiden können wir die riesigen Nadelbäume nicht. Wir sind ganz bezaubert als wir den River Trail im Hoh Rain Forest entlang spazieren. Zwar haben wir ja auch auf Vancouver Island schon Mammutbäume gesehen, diese hier sind aber noch größer und vor allem hängen die Moose und Flechten hier noch viel länger und üppiger von den Ästen und Stämmen. Wir machen Rast an einem Flussbett und kühlen uns im glasklaren Wasser etwas ab und füllen unsere Wasserfilterflasche auf (selbstgefiltertes Mineralwasser, gibts was besseres?), danach geht es weiter zu unserem nächsten Zeltplatz, diesmal im Regenwald. Auf der Fahrt dorthin lesen wir, dass in dieser Nacht möglicherweise Nordlichter in Washington sichtbar sein könnten. Da unser Zeltplatz mitten im Regenwald liegt, überlegen wir, doch an der Küste zu übernachten. Tatsächlich finden wir auch einen Zeltplatz mit Küstenzugang, der gerade noch einen Stellplatz frei hat. Dort schlagen wir unser Lager auf und diese Entscheidung hätten wir nicht besser treffen können. Wir schlendern im Licht der untergehenden Sonne den Strand hinab und sammeln auf dem Weg Sanddollar. Hier an diesem Strand liegt sehr viel Treibholz. Oder wohl eher Treibmammutbäume, den hier werden ganze Baumstämme angespült, die so groß sind wie die Bäume, die wir noch wenige Stunden zuvor im Regenwald angetroffen haben.

    Bei Dunkelheit stellen wir unsere Campingstühle an der Steilküste auf und sind völlig hin und weg von dem Sternenhimmel der sich über uns auftut. Hier sitzen wir nun einige Stunden und reminiszieren. Über alles was wir bisher erlebt haben und was noch auf uns wartet. Wir philosophieren über die Sterne und Galaxien und wie immer unter einem so beeindruckenden Sternenhimmel, fühlen wir uns klein und unbedeutend, was jedoch gar nicht schlecht, sondern irgendwie beruhigend ist. Zuhause ist gar nicht so weit weg, wie es sich manchmal anfühlt.

    Nordlichter können wir in dieser Nacht zwar nicht sehen, dafür aber einige Sternschnuppen, die über den Nachthimmel huschen und am Horizont über dem Meer verschwinden. Das Meeresrauschen wiegt uns langsam in eine schläfrige Stimmung, sodass wir gegen halb eins, etwas durchgefroren, in unser Auto schlüpfen. Auch der Olympic Nationalpark hat uns wieder viel geboten und war ein wertvoller Stopp auf unserer langen Reise.

    Die nächsten Tage werden wir in Portland, der größten Stadt Oregons verbringen. (J)
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  • Day 47

    Portland: Pizza auf Abwegen

    July 19, 2023 in the United States ⋅ ☀️ 26 °C

    Für die nächsten 5 Nächte sind wir in Portland. Die Stadt mit ihren 600.000 Einwohnern liegt im Norden des Bundesstaates Oregon an der Grenze zu Washington. Sie gilt als eine der links-liberalsten und fahrradfreundlichsten Städte der Vereinigten Staaten (ca. 500 Kilometer Radwege durchziehen die Stadt). Die Brauereiszene ist groß und in den Ausgehvierteln tummeln sich die Nachtschwärmer. Klingt verheißungsvoll, wir haben Bock.

    Klar ist jedoch auch, dass wir das reichhaltige Angebot der Großstadt und die Tatsache, dass es in ganz Oregon keine Mehrwertsteuer gibt, dafür nutzen werden unseren Van zu pimpen und in den Service zu bringen. Nur Party-hard is also auch nicht. Entsprechend gehts direkt bei der Ankunft zu Ron Tonkin - der ein Autohändlerimperium inklusive Servicewerkstätten in Portland aufgebaut hat. Alles easy hier. Für die Durchsicht ist es heute, am späten Freitag Nachmittag, schon zu spät, aber morgen können wir gern vorbeikommen. Kostet 120 Dollar. Finden wir gut. Auf ins Hostel in North-West Portland zwischen Down Town und Pearl District. Es ist malerisch. Viele Einbahnstraßen, breite Radwege, Bars, Bäckereien und Designläden, hübsche farbenfrohe Einfamilienhäuser aus dem Beginn des 20. Jahrhundert in typisch amerikanischer Holzbauweise und modernere Gebäude wechseln sich ab. Die Straßen sind von Bäumen gesäumt und die Vorgärten grün und bunt. Das Hostel bietet immer Freitags ein kostenloses Biertasting an. Die Gelegenheit Leute kennenzulernen! Es gibt etwa 10 verschiedene IPAs, Cider und klassischere Brauarten zum probieren und wir kommen direkt mit Kiera aus Pittsburg ins Gespräch. Sie tourt gerade im Rahmen eines Stipendiums durch etliche amerikanische Städte und interviewt Personen zum Thema Nachhaltigkeit. Nach dem Tasting gibts direkt noch zwei weitere Drinks in der Hostelbar und dann zieht es uns drei in das benachbarte Ausgehviertel. Wir entscheiden uns schnell für eine nette Bar mit hübscher Terrasse. Auf der Karte: Whiskey. Bestimmt hundert verschiedene. Von 6 bis 100 Dollar pro Glas ist alles dabei. „Excuse me, how much is a beer?“. Die Kellnerin guckt durchaus genervt. „I don‘t know. Maybe 5 Dollar. Or 6. I‘m an expert for Whiskey“. Ok. Also dann ein Bier und zwei Gläser Wein..und der Vollständigkeit halber auch einen Whiskey. Hier berät sie uns wirklich gut und ihre Laune hellt sich merklich auf. Der Abend verfliegt wie im Flug, wir halten es moderat, morgen wollen wir ja schließlich nicht in den Seilen hängen.

    Samstag, der Wecker klingelt um sieben. Wir bringen das Auto zu Ron Tonkin. Für den Service sind etwa 4 Stunden angesetzt, sollte also bis zum Mittag erledigt sein. Wir nutzen die Zeit und laufen zum nächsten Baumarkt, da auf unserer Auto-Pimp-Liste mittlerweile einige Sachen drauf stehen. Hier im Randbezirk fällt uns die große Anzahl an Obdachlosen auf. Einige scheinen hart vom Leben gezeichnet. In kleinen Gruppen stehen sie vor ihren Zelten am Wegesrand oder an Kreuzungen und halten Schilder hoch auf denen sie um Spenden bitten. Eine Mischung aus Mittleid und Unbehagen beschleicht uns, letztlich geht aber auch keine Gefahr von ihnen aus. Im Baumarkt - Home Depot, den kennen wir schon aus Anchorage in Alaska - laufen wir durch die Gänge auf der Suche nach Spiritus, einer solarbetriebenen Lichterkette, Aufbewahrungsmöglichkeiten und einer elektrischen Kühlbox. Wir nehmen aber erstmal nichts mit, wir haben ja kein Auto. Beim Mittagessen bei Tacco Bell (feinstes mexikanisches Fastfood, wirklich lecker!) kontaktiert uns die Werkstatt: Die Durchsicht ist erfolgt, es gibt einiges zu tun. Wir können den Van erstmal abholen. Wir sind nervös.

    Zurück bei Ron Tonkin bekommen wir eine Liste von Mängeln. 2700 Dollar! Beim Gespräch mit der Mechanikerin stellt sich aber heraus, dass das Auto gut in Schuss ist. Die Liste zeigt die Dinge die mal gemacht werden könnten. Wir atmen auf. Am Montag sollen wir wieder kommen und angeben was wir gerne repariert/ausgebessert hätten. Das bringt die Planung der nächsten Tage etwas durcheinander. So flexibel wie wir sind, wirft uns das aber nicht aus der Bahn, das Hostel wird verlängert und die Planung angepasst. Weiter mit der Orga. Jetzt wirds turbulent. Es geht zurück zum Baumarkt. Hier kaufen wir bis auf die Kühlbox alles was wir uns ein paar Stunden zuvor schon angeschaut haben. Die Herausforderung des Tages bleibt die Kühlbox. Die soll elektrisch funktionieren, über die Bordsteckdose im Auto (die alte Kühlbox haben wir mit Eiswürfeln „betrieben“ was regelmäßig zu Überschwemmungen geführt und gerade bei hohen Temperaturen einfach nicht besonders gut funktioniert hat). Es beginnt ein Ritt quer durch die Stadt. Im ersten Laden - primär ein Ausstatter für Jägerbedarf..alles voller Waffen, alles irgendwie in Camouflage - steht direkt eine. Für schlappe 170 Dollar. Wir fahren weiter zu zwei weiteren Läden. Erfolglos. Also doch wieder zurück zu Laden Nummer eins. Es ist kurz vor Ladenschluss. Wir nehmen sie, hilft ja nichts. Jetzt noch zu Walmart für ein elektrisches Kochfeld und vielleicht ein Vorzelt. Ersteres finden wir. Draußen dämmert es bereits. Wir sind geschafft. Bei Subway gibts einen vegetarischen Sub und dann fallen wir im Hostel in unsere Betten. Nightlife lassen wir ausfallen.

    Den Sonntag lassen wir entspannt angehen. Wir wandern durch den Washington Park und schauen uns den Rosengarten an. Die vielen verschiedenen Rosen in ihrer ganzen Farbpracht sind wirklich toll aber letztlich landen wir dann bei Temperaturen über 30 Grad auf einer schattigen Wiese im Park wo wir die Mittagshitze liegend abwarten. Irgendwann packt uns der Hunger und nach kurzer Recherche ist klar: Wir gehen zu PizzaKat. Wir bestellen eine große 18’’ Pizza und setzen uns in den netten Hinterhof. So weit. So entspannt. Dann kommt die Pizza. Und zwar in hohem Bogen. Die Kellnerin kommt beim Abstellen der riesigen Pizza irgendwie aus den Gleichgewicht. Sie strauchelt, versucht zu retten was zu retten ist, aber das Unglücklich ist nicht mehr abzuwenden. Ein Stück saftigste Pizza landet auf meinem (Rico’s) weißen T-Shirt. Erwartungsgemäß mit der ‘Marmeladenseite’. Die Kellnerin - sichtlich beschämt - entschuldigt sich mehrfach, bietet ihre Hilfe, geht und kommt direkt wieder um sich erneut zu entschuldigen. Wir beteuern dass es alles halb so wild ist, sowas kann schon mal passieren. Nach kurzen Verreiben der Tomatensoße und leichtem Einarbeiten des Mozzarellas mit einer Serviette ist der vorerst endgültige Zustand des Shirts erreicht. Wir essen die Pizza. Wirklich lecker, kannste nix sagen. Dann kommt die Geschäftsführerin und entschuldigt sich ebenfalls. Sie bietet uns als Entschädigung jedem einen Softdrink an. Da wittern wir unsere Chance und lehnen ab. Verhältnismäßiger wäre in unseren Augen eine komplette 18’’ Pizza, am besten nicht heute sondern morgen. Sie stimmt zu. Klingt für alle Beteiligten nach einem guten Deal. Sie versichert uns, dass wir gleich morgen (Montag) vorbeikommen können, sie sei da. Top. Am Abend gehen wir mit Kiera wieder aus. Unsere Mission: Endlich mal einen APS (Aperol-Spritz) trinken, das wäre ihr erster jemals und sie wünscht es sich sehr. An der 4. oder 5. Bar werden wir fündig und lassen dort den Abend mit allerlei Geschichten und Stories ausklingen.

    Der Montag ist wieder Auto-Service Tag. Wir haben uns entschieden Reparaturen im Umfang von 800 Dollar durchführen zu lassen, unter anderem die eine defekte Bordsteckdose damit wir die neue Kühlbox nutzen können. Die Zeit, bis der Van abgeholt werden kann, verbringen wir in Downtown (wir fahren Öffies, Tram) bei Powell’s - ein verwinkelter Buchladen über mehrere Etagen und Zwischenebenen. Man kann sich hier wirklich verlieren. Die Regale sind bis unter die Decke mit Büchern zu allen nur erdenklichen Themen gefüllt. Wir stöbern und entdecken. Aufgeregt zeigen wir uns gegenseitig unsere Fundstücke. Mit dabei sind Disney Kochbücher die die Orginalrezepte zu etlichen DisneyKlassikern enthalten oder auch ein Buch über die Sex Pistols in dem unter anderem ein Foto von Sid Vicious und Lemmy Kilmister zu sehen ist, wie sie sich Arm in Arm ablichten lassen (na, wer hat hier wohl welches Buch beigesteuert?). Im Powell’s Café blättern wir bei einem Käffchen noch durch das ein oder andere Buch bevor die Werkstatt sich meldet, dass das Auto abgeholt werden kann. Also gehts mit der Tram wieder los.

    Wir quatschen mit dem Mechaniker und zahlen. Dann los jetzt. Schnell noch die Kühlbox einstöpseln und ab dafür. Aber sie geht nicht. Dass an der Bordsteckdose gearbeitet wurde sieht man jedoch an den Kratzern und dem abgebrochenen Schutzdeckel. Isn Scherz. Kühlbox in die andere Buchse: Hier gehts. Wir gehen wieder zurück zum Mechaniker. Er versichert er hätte die Buchse repariert. Wir bestehen drauf dass er sie sich nochmal anschaut. Es dauert etwa 45 min, dann ist das Problem gelöst, es war eine Sicherung. Aber die Kratzer und der abgebrochene Deckel bleiben. Wir haben aus dem PizzaKat Dilemma gelernt und fangen an zu verhandeln: Nach kurzem Hin und Her bietet er an, uns die kompletten Kosten für die Reparatur der Boardsteckdose zu erlassen (200 Dollar). Wir geben uns nach außen betont mürrisch und stimmen zu. Innerlich feiern wir beide ne riesen Party!

    Der Dienstag wird der vielleicht wichtigste Tag für uns in Oregon. Warum? Na weil es keine Mehrwertsteuer gibt. Das ist der Grund warum es in Oregon einige der größten Outlet Center der USA gibt. Daher wird heute geshoppt. Um es kurz zu machen: Wir kaufen Hemden, Gürtel, Hosen, Taschen, T-Shirts,…es is jede Menge und am Ende sparen wir etwa 800 Dollar. Die ca. 150 Shops verlangen uns am Ende eine Menge Durchhaltevermögen ab aber wir sind am Ende glücklich über unsere neuen Errungenschaften. Ab sofort sind wir also besonders stylisch unterwegs.

    Am Abreisetag spazieren wir noch ein wenig durch Portland, besuchen noch einmal kurz Powell’s auf ein weiteres Käffchen und dann war da ja noch was! Die “offene Rechnung” bei PizzaKat. Es wartet ja noch eine Pizza auf uns nach dem Malheur von Sonntag. Die Chefin hatte uns ja versichert dass sie am Montag da ist. Da war aber Schließtag. Genauso am Dienstag. Kann man jetzt mutmaßen ob hier Kalkül im Spiel war, muss man aber auch nicht. Wie dem auch sei: Wir bleiben hartnäckig und stehen also Mittwochs zur Mittagszeit im Laden. Die Chefin hinterm Tresen. Sie erkennt uns sofort. Etwas schmallippig kommt von ihr ein langgezogenes “Hiii, how are you doooing?”. Wir kommen direkt zur Sache und fordern unsere 18-Zoll Pizza. Sie nimmt die Bestellung auf. “Anything else?”, wir darauf: “Two Coke, please”. Sie darauf: “only the Pizza is the free part of the deal”. “All right, then we just take two tap water, please”. Die Luft ist zum schneiden. Auf der Pizza kauen wir gehemmt herum, sie steht am anderen Ende des Raums hinterm Tresen, würdigt uns keines Blickes und tippt beton wichtig auf ihrem Handy rum. Den Pizzarand bekommen wir beim besten Willen nicht runter. Wir sehen zu den Laden zu verlassen. Der Deal ist damit erfüllt, die Art und Weise wie das von statten ging war letztlich etwas ehrenlos. Aber immerhin sind wir satt. Portland war cool. Wenn auch nicht so cool wie vorher in unserem Reiseführer angekündigt. Wir schwingen uns in den Van und fahren gen Süden. Immer der Sonne entgegen. Ciao Portland. (R)
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