1000 Meilen ostwärts

апреля - мая 2024
22-дневное приключение от Jens Читать далее
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  • День 11

    Rominten - oder zumindest nahe dran

    6 мая, Польша ⋅ ☁️ 13 °C

    Welcher deutsche Jäger hat nicht die Bücher von Walter Frevert verschlungen. All die Erzählungen von kapitalen Hirschen, Nachsuchen mit den Hannoverschen Schweißhunden, Gefechten mit Wilderern. Und heute sollte es Richtung Rominter Heide gehen, dem Inbegriff der deutschen Rotwildjagd! Leider kann man aber nicht mehr wirklich hin, weil es ja nun die Russen haben. Aber ich war nah dran!
    Der Reihe nach.
    Heute morgen brachte die Bekannte von der Frau von meinem Freund Pawel überraschend den lang ersehnten Brief mit meinen Geldkarten. Weil sie gehört hatte, dass ich schon voller Ungeduld wartete, hat sie den Briefträger nicht abgewartet, sondern ist direkt zum Postamt gefahren, den Brief geholt und zu meiner Unterkunft gebracht. Da war ich mal sprachlos! Als ich sie fragte, ob ich ihr was Gutes tun könnte zum Dank, schüttelte sie den Kopf. Ich solle Polen wie geplant durchradeln und das Land immer in guter Erinnerung halten.
    Das tue ich schon jetzt. Patente Frau!
    Endlich ging es richtig los, unbeschwert mit Kohle und den Geldkarten in der Tasche. Die Strecke heute war gleichbleibend schön. Tolle Landschaften, kleine und große Seen, klasse Waldbilder und es wurde immer einsamer und hügeliger. Auf halber Tour traf ich ein junges Schweizer Pärchen mit ca. 2 jährigem Jungen vorne in der Kiepe vom Lastenrad. Sie waren - genau wie ich - ebenfalls die Ostseeküste lang geradelt (fanden diese im Gegensatz zu mir ganz himmlisch), wollten aber hinter Kaliningrad nach Norden abbiegen und durch Litauen nach Klaipeda und von dort mit der Fähre zurück. Respekt! Und das mit dem Schnulli in der Kiepe!
    In Goldap angekommen (hier ließ Frevert immer die Sesamkuchen einfliegen mit denen die Hirsche gefüttert wurden wegen der besseren Geweihbildung. Und das, obwohl die Bevölkerung während des Krieges kaum was zu essen hatte! Was tut man nicht alles für gute Trophäen!
    Jetzt ist hier von Hirschen nix mehr zu spüren, zumindest habe ich auf den 100 km Sandweg heute nicht eine Fährte gesichtet. Außerdem wächst hier ein toller Wald mit viel Naturverjüngung komplett ohne Zaun. Das gefällt mir deutlich besser als ein leergefressener Wald voller Hirsche. Zum Schluss bin ich noch mal ordentlich nass geworden, hab mir leicht frierend 2 Bier im Slebsz gekauft und dabei ein Hinweisschild entdeckt: Agrituristika 600m . Das passt! Ein kleines sauberes Zimmer und im Keller ein Bistro. Was kann es schöneres geben? Da Internet im Keller für den google Übersetzer nicht funktionierte, hab ich als erstes eine Zupa bestellt (Suppen schmecken in Polen immer!) und für die Hauptspeise einfach auf ein Gericht auf der Karte gezeigt. Das allerdings war ein Fehler. Da lagen zwei aus Gallert bestehende und wie Froschlaich aussehende runde Teile auf meinem Teller. Ich hab tapfer aufgegessen, weil der Wirt und seine Frau ihren einzigen Gast ständig fragten, ob es denn schmecke. Hmmmm, lecker mit der kreisenden Hand vor dem Bauch. Ich glaube, das waren Flusspferdhoden! Schön abgehangen!
    Egal, müd und satt, wie schön is dat!
    Mein Lied des Tages: "Am Strand" von Farin Urlaub
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  • День 12

    Die Suwalki-Lücke...

    7 мая, Польша ⋅ 🌙 9 °C

    ... ist geschlossen! Der wunde Punkt der Nato-Ostflanke, das mögliche Einfallstor der Russen nach Europa, diese etwa 100 km Breite Lücke zwischen Russland (Kaliningrad) und Weißrussland wurde heute von mir zugefahren! Endlich mal wieder ruhig schlafen, dank mir!
    Leider muss ich morgen weiter, obwohl die Gegend um Suwalki bis jetzt die schönste auf meiner Tour de Polska war! Und die einsamste! Heute habe ich kaum einen Menschen zu Gesicht bekommen, weder Auto noch Trecker kreuzten meinen Weg. Es gab auch keine Orte und damit auch keine Slebsz. Hätte ich nicht meine zwei Reserve-Snickers in den Tiefen meiner Radtaschen gefunden (sie waren schon ganz zerschmolzen und klebten am Papier, lecker!), hätte ich kaum überlebt. Es hätte mich hier auch keiner gefunden!
    Dieser Radtag war der beste bisher, umso geringer die Bevölkerungsdichte desto besser die Radwege. Und dann auch noch Rückenwind, phänomenal! Zum Ende wurde es noch mal knapp mit der Unterkunft (die sind hier unten jetzt auch dünner gesät), bei zweien musste ich anrufen (weil keiner öffnete). Die Hoffnung jedoch, dass irgendjemand nur ein klitzekleines Wort englisch oder deutsch versteht, hat sich wieder nicht bewahrheitet. Das ist die große Schwäche der Polen! Die sind fleißig, in jedem Ort werden neue Häuser gebaut, es gibt unglaublich viele junge Familien mit ordentlich Kindern, aber es scheitert an den Sprachen. Ansonsten hätten die uns in der Wirtschaft schon überholt!!
    Zum Ende bin ich "all-inn" gegangen und hab eine abseits gelegene Agrotouristika-Unterkunft angesteuert und siehe da, eine junge Frau hat geöffnet, sie sprach gut englisch und die Wohnung ist klasse (für unter 20€)! Nach den undefinierbaren Flusspferdhoden von gestern hab ich mir lieber mal wieder Nudeln gekocht, mit Thunfisch und Tomatensauce. Dazu ein Bier aus dem Eisschrank! Kanns was schöneres geben??!!
    Da es die Nacht und heute morgen ordentlich geregnet hatte, mein Lied des Tages: "raining again" von Betoko (ein sensationeller Song!)
    Gute Nacht, Nachbarn
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  • День 13

    The Dembster Highway

    8 мая, Польша ⋅ ☁️ 10 °C

    Da hab ich mal eine Reportage im Fernsehen geschaut. Der Dembster Highway ist eine schnurgerade Straße im Yukon-Territorium/USA. Da geht es stundenlang nur gerade aus, immer gerade aus! Das hat mich ziemlich fasziniert und da wollte ich immer mal hin. Brauch ich aber gar nicht mehr, ich war heute auf dem polnischen Pendant. Auf meinen heute geradelten 130 km bin ich, glaube ich, nur 3-4 mal Kurven gefahren. Ansonsten immer geradeaus. Die ersten 50 km führten durch ein von Flüssen durchzogenes feuchtes Grasland. Und wenn ich in den Masuren von der Anzahl an Störchen geschwärmt habe, das hier hat alles übertroffen! Hunderte oder sogar vielleicht Tausende. Immer und überall Störche. Begleitet von einem unheimlich lauten Frosch - und Unkenkonzert. Bei letzteren denkt man immer an weit entfernte Kirchenglocken. Dazu die gerade Straße, immer eben und permanent Rückenwind. Geil!
    Als die riesige Grasebene zu Ende ging, fing der Wald an. Ein großer Wald. Um nicht zu viel Akku am Handy zu verbrauchen, schaue ich nur ab und zu mal drauf, wann das Komoot-Navi die nächste Abbiegung befiehlt (eigentlich braucht man das kaum, weil der GreenVelo perfekt ausgeschildert ist). Normalerweise zeigt komoot an, dass man in 600 m oder vielleicht in 2,1 km wieder abbiegen muss. Dieses mal zeigte das Navi an, in 56 km das nächste rechts weg. 56 km ohne eine Kreuzung, ein Dorf oder sonst eine Unterbrechung. Bin dann noch mal schnell zurück ins letzte Dorf gefahren und hab Snickers und Wasser gekauft. Die Straße durch dieses Waldgebiet war nicht etwa der hier sonst übliche Sandweg, sondern eine top geteerte absolut gerade Rennbahn. Und das nur für mich! Andere waren kaum zugegen. Bei dem Waldgebiet und wahrscheinlich der Grasebene vorher handelt es sich um den größten Nationalpark Polens, dem Biebrza-Nationalpark. Ein wirklich sagenhaftes Gebiet. Das Waldgebiet ist ein einziger riesiger feuchter Erlenbruchwald, durchzogen mit nassen Wiesenschlänken und ausgedehnten Schilfgebieten. Die Heimstatt unzähliger Elche!
    Und nun zu Christian: Die Berichte, die Mücken in Polen erreichen teilweise Schäferhundgröße sind völlig übertrieben. Sie sind höchstens groß wie Eichhörnchen! Allerdings reichen drei davon aus, um dich in 30 Sekunden in eine leere Hülle zu verwandeln. Pause war dementsprechend nicht möglich!
    Jetzt bin ich in einem tollen Hotel, hab Zupa und Pirogi gegessen und freue mich auf den Urwald von Bialystok morgen.
    Mein Lied des Tages: "On the road again" von Cannot heat
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  • День 14

    Rote Ampeln in Bialystok

    9 мая, Польша ⋅ ⛅ 15 °C

    Wir können es kurz machen. Da war nix dolles heute. Die meiste Zeit hab ich an roten Fußgängerampeln rumgehangen. An jeder Ampel mehrere Minuten und Bialystok ist voll von Ampelkreuzungen. Die Ansicht in der Stadt war auch nicht berauschend, erinnert an die Plattenbausiedlungen von Berlin/Marzahn. Als ich raus war aus dem schönen Bialystok und ich mich freute, endlich wieder in der Natur zu sein, kamen die Sandwege. Auf voller Breite geriffelt (ähnlich meinem Waschbrettbauch!), ohne Chance auszuweichen, ging es über zig Kilometer datdatdatdatdatdat! Gut, dass ich meine Zahnplomben schon hab rausnehmen lassen! Sehr selten, aber doch hin und wieder, kam ein Auto. In den Kurven mit ausgebrochenem Heck wie der gute alte Walter Röhrl bei der Rally Montecarlo, alles in eine riesige Staubwolke einhüllend. Zum ersten Mal auf ca. 1500 km durch Polen musste ich mehrmals die "Halsabschneidergeste" zeigen. Heute wäre ich wohl doch gern völlig entspannt mit 2-3 Hefeweizen in einem Mecklenburger Biergarten beim Vatertagsumtrunk gewesen. Morgen wirds spannender, da steht der letzte verbliebene Urwald Europas auf dem Plan. Zum Schluss bin ich dann noch bei der Quartiersuche reingefallen, ein wirkliches Loch! Naja, Wäsche gewaschen, Nudeln gekocht und weil der Kühlschrank funktioniert, kaltes Bier! Also doch alles gut!
    Mein Lied des Tages: "Sweet dreams", aber die Version von Marylin Manson (passend zu meiner Stimmung!).
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  • День 15

    Im Urwald

    10 мая, Польша ⋅ ☁️ 12 °C

    Die Nacht war der reinste Horror. Ich hätte gestern stutzig werden müssen, die Vermieterin sah aus wie die Mutter bei den Flodders. Nur rauchte sie keine Zigarre, sondern Zigaretten. Dafür hatte sie eine pinke Jogginghose an, auf der Taschen und Nähte gemalt waren, damit die wie eine Jeans aussieht. Kurzum, meine Wohnung war unglaublich keimig, alles voller Mist und Dreck. Hätte man mal unter dem Bett gefegt (das hat aber noch nie jemand getan!), ein Kehrblech voll davon könnte zwei bis drei Doktoranden der Endo- und Ektoparasitologie jahrzehntelang forschen lassen. Ich hab mir also meine Nudeln mit meinem Kocher draußen gebruzzelt und lieber in meinem Schlafsack geschlafen als unter der verwesten Bettwäsche. Hab nicht wirklich gut geschlafen, dafür saß ich dann schon um kurz nach sieben auf dem Rad. Rein ins Abenteuer, rein in den Urwald von Bialowieza und der war wirklich sehenswert. Tolle Waldbilder, uralte Eichen, eine Fülle von Baum- und Straucharten in allen Schichten und das kilometerlang! Dafür keine Menschen, keine Dörfer, nix als Wald.
    Da haben Reichsjägermeister Scharping und Oberforstmeister Frevert ganze Arbeit geleistet, als sie während des 2. Weltkriegs aus Bialowieza einen Idealtypus des Deutschen Urwaldes schaffen wollten. Nachgezüchtete Wiesente und Aurochsen auswildern und im Gegenzug die polnische Bevölkerung vertreiben. Über 90 Dörfer wurden in Brand gesteckt und die Einheimischen vertrieben (im besten Fall nur vertrieben!).
    Vielleicht hab auch ich die Auswirkungen dieser Kampagne heute gespürt, über 60 km hab ich keine Ortschaft gesehen, nur sehr selten einzelne Häuser. Da ich bei den vielen Mücken und Bremsen keinen Bock aufs zelten hatte, bin ich gefahren wie ein Mann. 160 km! Dafür sitze ich jetzt im Hotel etwas abseits meiner Route und trinke Paulaner Hefeweizen! Nicht übel!
    Mein Lied des Tages (wenn nach 30 km tiefer Sandweg plötzlich eine frisch asphaltierte Straße erscheint): "Booty swing" von Parov Stelar (unbedingt reinhauen!)
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  • День 16

    Am Bug

    11 мая, Польша ⋅ ☁️ 11 °C

    Der Bug ist ein wunderschöner Fluss. Er entspringt in der Ukraine bei Lemberg, fließt dann durch Weißrussland, bildet lange die Grenze zwischen Belarus und Polen. Letztendlich biegt er dann Richtung Westen ab und mündet in die Weichsel. Links und rechts vom Bug bilden großflächige Durchströmungsmoore und ausgedehnte Erlenbruchwälder einen natürlichen Hochwasserschutz und nebenbei ein Eldorado für seltene Tier- und Pflanzenarten. Insgesamt ein toller Fluss, wenn man nicht hinüber muss ("Alles was sich reimt ist gut!" sagt Pumuckel). Ich musste aber rüber. Der Radweg GreenVelo hatte heute das erste mal Schwächen bei der Ausschilderung. Zuerst hatte er mich direkt bis zur weißrussischen Grenze geführt (vor dem Krieg konnte man vielleicht noch auf der Grenze entlang fahren), dort sprang sofort ein wenig vertrauenserweckender weißrussischer Soldat aus einem grob zusammen gezimmerten Holzverschlag und schrie irgendwas. Ich wollte ja nur ein Foto machen, aber er schrie noch lauter hinter seiner Stacheldrahtwand. Da bin ich lieber schnell abgehauen. Also wieder zurück, da soll eine Fähre über den Bug führen. Die Beschilderung war noch da, aber die Fähre nicht. Schon ein wenig angefressen ging es weiter zurück auf der Suche nach einer Überquerungsmöglichkeit. Ständig über mir bzw genau über der Mitte des Grenzflusses patrollierten alte russische Hubschrauber (Mil Mi 24; die Älteren von uns kennen die noch aus Rambo 2) und machten einen Heidenradau. Endlich nach ca. 35 km in der falschen Richtung war eine weitere Fähre in der Karte eingezeichnet. Der Sandweg hinunter zum Fluss ließ mich nichts Gutes ahnen, doch der Schein trog: da war eine klitzekleine Fähre für maximal 2 Autos. Ein Auto stand schon da und ich mit meinen Rad dazu. Beide rauf! Statt die Kraft der Strömung zu nutzen (wie es eigentlich alle Flussfähren tun), malochten die zwei Fährmänner und zogen an einem Eisenseil die Fähre per Hand über den Fluss. Wie Galeerensträflinge! Endlich drüben konnte es in der richtigen Richtung weitergehen. Etwas nach dem Mittag kam ich an die Stelle, wo ich mit der ersten (nicht vorhandenen) Fähre den Fluss hätte überqueren sollen. Da wollte ich ein Foto machen, schlug den Lenker zu stark ein, kam mit den Radschuhen nicht schnell genug aus den Clickpedalen und legte mich männermäßig voll auf die Fresse. Das Schöne an der weißrussischen Grenze ist, dass da kaum einer wohnt und mich so keiner sehen konnte wie ich leise weinend unter meinem Fahrrad lag. Nix passiert, weiter! In der Zwischenzeit zeigte mein Tacho 1610 km an, dies entspricht ziemlich genau 1000 Meilen. Dies war ein mit mir selbst abgemachtes Ziel:
    1000 Meilen ostwärts!!
    Auf der westlichen Seite vom Bug wurden die Häusern neuer und größer (jetzt auch wieder aus Stein), der Verkehr stärker und die Radwege hörten auf. Leider auch die kleinen Tante-Emma-Läden und die günstigen Agrotouristika-Unterkünfte! Landschaftlich war das hier auch nicht mehr der Bringer! Um nicht wieder so einen Marathon wie gestern machen zu müssen (mit fast 160 km), um eine Unterkunft zu bekommen, mietete ich mich in einem schmucklosen weit außerhalb gelegenen Hotel mit angeschlossenem Restaurant ein. Nach dem einchecken merkte ich, dass das Restaurant geschlossen ist. Da ich nichts einkaufen konnte, verzehre ich gerade auf meinem Zimmerchen die eisernen Reserven: 2 Snickers, 1 polnische Kokoswaffel, 2 Äpfel und ein Carlsberg. Ich werds überleben!
    Mein Lied des Tages: "Keine Sterne in Athen" von Stefan Remmler (dem ehemaligen Frontsänger von Trio), blasmusikalisch untermalt von the BrassaBanda
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  • День 17

    # stand with Ukraine

    12 мая, Польша ⋅ ☀️ 11 °C

    Heute mag ich eigentlich gar nicht schreiben! Die Stimmung war für mich sehr bedrückend, da nur wenige Kilometer von mir entfernt ein erbarmungsloser Krieg tobt. Mit unendlich viel Leid, zerbombten Städten, zerstörten Krankenhäusern und vielen unschuldigen Opfern. Auch hier auf polnischer Seite bestimmt der Krieg und die Angst vor einem Angriff das Leben. Bei den Gottesdiensten passten die Menschen nicht in die Kirchen, auch viele Ukrainer nehmen teil. Auch heute Abend noch waren überall kleine Gruppen von Menschen an den Christuskreuzen versammelt und sangen leise gemeinsam. Dazu überall Militär, Patriot-Staffeln, Grenzpolizei. Selbst die unglaublich vielen Störche konnten mich nicht aufheitern.
    Nach 150 km bin ich heute in der schönen Stadt Chelm angekommen, hab ein nettes Hotel gefunden und wollte nur noch essen und schlafen! Da das ganze Haus mit drei großen Feiern völlig ausgelastet ist, war kein Platz mehr im Restaurant für mich. Weil ich aber wohl so hungrig (und durstig) ausgesehen haben mag, haben die beiden Mädels von der Rezeption mir eine tolle Mahlzeit kurzerhand aufs Zimmer gebracht + 2 kalte Flaschen Bier! Spätestens jetzt bin ich wieder aufgeheitert!
    Mein Lied des Tages: "Get up stand up" von den Pink Turtles
    P.s. don't give up the fight
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  • День 18

    Der Zeitsprung

    13 мая, Польша ⋅ 🌙 15 °C

    Heute bin ich ca. 100 km weniger Rad gefahren als die ganzen Tage zuvor. Trotzdem bin ich platter als sonst. Wollte mal ein wenig schummeln und die landschaftlich weniger interessante Gegend zwischen der ukrainischen Grenze und der Weichsel (Wisla) mit dem Zug überbrücken. Die Online-Buchung des Zugtickets hat natürlich nicht geklappt, weil die Fahrradmitnahme als Option nicht vorhanden war. Nicht schlimm, ich war ja vor Ort und im Gegensatz zu deutschen Bahnhöfen gibt es ja hier noch mit richtigen Menschen besetzte Ticketschalter! Die nette Dame hinter der Panzerglasscheibe sprach natürlich kein Englisch, dafür war sie aber auch besonders kurzsichtig (und hatte - war ja klar - keine Brille dabei). Alle Fragen auf meinem handydisplay mittels Google translator konnte die gute Frau nicht lesen, obwohl sie wie ein Scheibenputzerwels direkt am Panzerglas klebte. Die Schlange hinter mir wurde immer länger! Als ich gerade aufgeben wollte, kamen mir zwei Frauen zu Hilfe. Eine Inderin, die schon in Heidelberg gearbeitet hatte und eine Polin (Dokumentarfilmerin und gerade aus der Ukraine zurück). Jetzt gings Schlag auf Schlag. Erst buchten sie mein Ticket + Fahrrad und dann nahmen sie mich an der Hand und geleiteten mich zum richtigen Gleis und auch zum Fahrradwaggon. So dankbar war ich schon lange nicht mehr, ich würde jetzt noch mit dem Klingonisch-Polnisch-Translator in Chlem am Bahnhof stehen. Nach einigen Stunden stieg ich dann in Warschau aus. Größer kann ein Gegensatz nicht sein! Eben noch Störche und alle 2-3 Stunden mal ein Mensch und nun Sirenengeheul, Hupkonzerte und tausende hastig rennende Hauptstadtbewohner. Die Störche waren mir lieber! Alleine um Warschau mit dem Rad zu verlassen, brauchte ich Stunden. Jetzt sitze ich in einer kleinen Pension, das Zimmer doppelt so teuer wie die Agrotouristika-Unterkünfte im hinteren Osten (dafür viel viel kleiner) und kaue an meinen 2-Tage alten Reserve-Brötchen aus meiner Radtasche (hier gibt's nur Dönerbuden in der Nähe). Egal, morgen versuche ich mich so viel Kilometer wie möglich von der polnischen Hauptstadt abzusetzen.
    Mein Lied des Tages: "Timewarp" aus der Rocky-Horror-Picture-Show (it's just a jump to the left...)
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  • День 19

    Der wunderschöne Weichselradweg

    14 мая, Польша ⋅ ⛅ 19 °C

    Wenn ich gewusst hätte, wie scheiße der ist, hätte ich gestern meine Bahnfahrt bis Bisgzslzswsz oder so ähnlich verlängert! Hatte mich eigentlich auf einen entspannten Flussradweg gefreut. Wir kennen das von Donau, Elbe, Weser, Rhein und und und. Immer schön dicht am Fluss, top ausgebauter Radweg, immer schön eben und ab und zu ein Biergarten. Nicht so beim Weichselradweg. Die Beschreibung im Netz war toll, die Realität wirklich die Hölle. War man abseits der Straßen am Deich kam man schnell in eine grundlose Sandwüste. Teilweise musste ich das schwer bepackte Rad ziehen, weil schieben nicht möglich war. Aber dann kam dem Verkehrsplaner, zuständig für Radwege, die einleuchtende Idee: der Ausbau der Radwege ist teuer, aufwändig und in Polen fährt eh niemand Rad, wir verlegen den Radweg einfach auf die Straße. Das hat er sich vom Radwegeplaner vom Landkreis Mecklenburgische Seenplatte abgeguckt. Ist ja auch viel einfacher, Hauptsache die Statistik stimmt (wir haben soundsoviele neue Radwege ausgeschildert...)! Kurzum, ich bin heute von meinen 134 km 120 auf höchst befahrenen Straßen geradelt (die restlichen 14 km hab ich geschoben!). Dabei muss man wissen, dass in Polen der Abstand beim Überholen von 2 Metern offensichtlich nicht gilt. Es ist also egal, ob von vorne was kommt und die Straße dazu eng ist, Blinker setzen und mit 20 cm Abstand von meinem linken Lenkerende wird überholt! Das ist mir heute tausendfach passiert! Man traut sich nicht zu trinken oder an der Nase zu kratzen, einmal kurz den äußersten Fahrbahnrand verlassen = roadkill!
    Nach 100 km und mehr als tausendfachen "Arschloch"-Rufen (den Teleskopschlagstock immer griffbereit!) und meine Meinung über die Polen kräftig nach unten korrigiert, kam mir ein bepackter älterer Radler entgegen. Er hielt an und fragte mich etwas auf polnisch. Wie immer entgegnete ich, daß ich nur englisch oder deutsch spreche. Normalerweise ist dann alle Kommunikation sofort beendet. Nicht in diesem Fall. Der ältere Herr erzählte mir in fließendem Englisch, dass er früher auch lange Radtouren in verschiedene Länder absolviert hat und lud mich sofort zu ihm zum Übernachten ein. Mein leichter Groll gegen die Polen war wie weggefegt. Leider wohnte der Kollege 20 km in der anderen Richtung (wo ich hergekommen bin) und ich musste die Einladung schweren Herzens absagen. Das wäre seit langem mal wieder ein nettes Gespräch geworden.
    Seis drum, weiter Richtung Heimat, irgendwann wird der Feierabendverkehr ja mal vorbei sein und die Straße ruhiger werden. Wurde sie aber nicht! Plötzlich ein Schild mit den Piktogrammen "Bettchen" und "Teller, Messer, Gabel"! Sofort rechts ran und noch bevor ich das Zimmer bezogen habe, schnell ein kaltes Bier geschlürft. Das Leben ist wieder schön! Hier sah ich dann auch zum ersten Mal heute die Weichsel!!!
    Mein Lied des Tages: "Goodbye horses" von Q Lazzarus (bekannt aus Schweigen der Lämmer). Es wird jetzt die Lotion nehmen!
    Gute Nacht...
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  • День 20

    Der noch wunderschönere Weichselradweg

    15 мая, Польша ⋅ ☀️ 18 °C

    Das war ein kleines wirklich nettes Hotel. Das Frühstück war top und zum ersten Mal lief kein offensichtlich wirklich witziger Radiosender (zumindest lachen die sich auf polnisch pausenlos kaputt) mit Lautstärke V-max zum Morgenkaffee! Angenehm, diese Stille. In Polen scheint das allgemein Usus zu sein, ständig und überall Radiosender in voller Lautstärke zu hören. Meins ist das nicht! Super geschlafen, gut gefrühstückt, es kann los gehen! Der Weichselradweg zeigt sich plötzlich von seiner besten Seite (gestern hatte er diese Seite erfolgreich versteckt!), fein geteert, gut ausgeschildert, schöne Gegend! Wo ist der Haken? Nach ca. 10 km kam er, der Haken! Völlig abrupt verwandelte sich der gerade noch so nette Radweg wieder in die bekannte grundlose Sand/Staubwüste. Wieder schieben angesagt und wieder Richtung Straße. Die nächsten 20 km auf der Straße waren wie gestern, Autos und LKW's von vorne, hinten und von der Seite und mittendrin der radfahrende Fremdkörper! Plötzlich wurde es wieder nett, der Radweg wurde ein Radweg! Wenig Verkehr, schöne Aussichten auf die Weichsel, so hatte ich mir das vorgestellt! Bestimmt 50 km lang das pure Glück. Dass dies nicht anhalten würde, war ja klar, aber man muss jeden Moment genießen. Dann kam die Schnellstraße, teilweise 4-spurig und praktisch ohne Lücken im Verkehr. Da musste ich rüber, eine Aufgabe! Irgendwann tat sich eine kleine Lücke auf. Ähnlich wie der alte Bauer Ickus Riemenschneider aus meinem niedersächsischen Heimatdorf, der immer ohne links und rechts zu schauen mit seinem Trecker auf die Straße fuhr ("sei saht meck doch!") rannte ich im Zickzack über die Schnellstraße. Geschafft! Endlich kanns weitergehen! Und wieder gings in den Staub! Fahren, schieben, fahren, schieben, 15 km lang. Wenigstens sah ich dabei eine Försterin, die annähernd so schnell im Wald fahren kann wie Maren, so ca. 200km/h!
    Danach gings wieder an die Schnellstraße. Diesmal durfte ich - top ausgeschildert- direkt daneben einige Kilometer schieben. Radfernwege sind halt die Creme de la Creme aller Radwege. Allein durch das Einatmen des Reifenabriebs habe ich in 2 Tagen mindestens 4 kg zugenommen!
    Endlich am Ziel in Bydgoszszszsz (früher Bromberg) Hotel gefunden, top modern, teuer, aber mit gutem Hamburger und dunklem Bier! Morgen geht's ohne Radweg Richtung Westen!
    Das Lied des Tages kann nur "Rockin in the free World" von Neil Young sein, welches der US-Außenminister Blinken gestern in einer kleinen Kiewer Bar mit der Gitarre begleitet hat! https://youtu.be/eR9pndQ2uTE?feature=share
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