• Hitchhiken > Marschrutka

    11 juin 2024, Géorgie ⋅ ☁️ 26 °C

    Die Ereignisse überschlagen sich. Hier eine Kurzzusammenfassung von allem, was seit der Wanderung geschah: Die Rückfahrt aus unserem Bergdorf zurück in die Zivilisation verging zwar gefühlt etwas schneller, blieb aber bei Temperaturen um 30 Grad genauso kräftezehrend wie die Hinfahrt. Ob die Wanderung in den Bergen oder die Fahrt im überfüllten Minibus mit tropischen Bedingungen körperlich anstrengender war, war schwierig zu sagen. Nach dieser Erfahrung stand für uns fest, dass wir die restliche Strecke in PKWs zurücklegen wollen. Ab dem nächsten Tag sollten wir unser Glück als Hitchhiker auf die Probe stellen. Zurück in Kutaissi buchten wir uns auf Empfehlung das erste Mal in ein Dorm im Hostel ein, um uns mit anderen Backpackern zu vernetzen. Bei zeitweiligem Platzregen saßen wir bei einer Runde Karten noch länger im überdachten Garten des Hostels. Nach einem kurzen Stadtbummel am folgenden Morgen im Stadtzentrum von Kutaissi machten wir uns auf den Weg in Richtung Ortsende, um in der prallen Sonne auf gutmütige Autofahrer zu warten, die uns womöglich in die nächste Stadt mitnehmen könnten. Zufälligerweise gabelte uns das Münchener Paar auf, das wir zwei Tage zuvor bereits auf der Wanderung für einige Zeit begleitet hatten. Einen Großteil der Strecke hatten wir somit bereits überwunden, als wir abgesetzt wurden. Eine halbstündige Fahrt trennte uns noch von unserem Zielort Borjomi. Nach erfolglosen 20 Minuten Warten an der Schnellstraße mussten wir notgedrungen doch auf eine Maschrutka umsteigen. Borjomi, ein abgelegener kleiner Kurort, ist bekannt für sein heilendes Quellwasser und seinen Freizeitpark inmitten der Natur. Keine der Anlagen war allerdings in Betrieb, als wir am Morgen durch den Park schlenderten. Das konnte uns jedoch nicht davon abhalten, das Spielkind raushängen zu lassen und uns auf die Geräte zu schwingen.

    In unserem Guesthouse hatten wir endlich die Möglichkeit, uns unser eigenes Essen zubereiten zu können. Hungrig nach Carbs, fiel die Wahl schnell auf Nudeln mit Tomatensoße. Genauer gesagt Nudeln mit Chilisoße. Es wird gemunkelt, ich hätte behauptet, durch das Essen eine stärkere örtliche Betäubung erfahren zu haben als beim Zahnarzt. Michi verzog keine Miene, selbst als er das mineralienreiche Wasser aus den Quellen des Stadtparks trank, das noch schlimmer schmeckte, als es roch.

    Uns hielt es auch in Bojomi nicht länger als eine Nacht, bevor wir uns erneut, freundlich winkend, an den Straßenrand stellten, in der Hoffnung, auf ein ausscherendes Auto. Über den gesamten Tag verteilt saßen wir in Summe in acht verschiedenen Autos, sechs davon waren Hitchhikes. Nie warteten wir länger als fünf Minuten auf eine Mitfahrgelegenheit und erlebten besonders in den ländlicheren Gegenden totale Aufgeschlossenheit. Michi führte in der Regel das Gespräch und bemühte sich, für mich zu übersetzen. Der Zustand der Fahrzeuge, aber teilweise auch der Fahrer, wäre in Deutschland wohl nicht mehr als tauglich einzustufen gewesen. Trotzdem wurde sich nett um unser Wohl gesorgt und zwei besonders aufgeschlossene Georgier ließen ihre Kontakte spielen und organisierten uns sogar die letzte Mitfahrgelegenheit des Tages. Mit diesem, einem Geistlichen, der sich ausnahmsweise sogar anschnallte und sich an die Geschwindigkeitsbeschränkung hielt, machten wir einen echten Glücksgriff, denn er brachte uns direkt in die Stadtmitte von Mzcheta, kurz vor Tbilisi. Von unseren zwei Zwischenhalten in Gori, der Geburtsstadt von Stalin, und einer Ausgrabungsstätte in Uplisziche bleiben die kulinarischen Eindrücke in Erinnerung. Ohne Gori Unrecht tun zu wollen, denn die Stadt machte definitiv etwas her, komme ich nicht darum herum, von den Dumplings zu berichten, die wir beim Mittagessen bestellten. Diese Teigtaschen sind typisch für die georgische Küche und meist gefüllt mit Fleisch oder Käse. Wir entschieden uns für die vegetarische Variante und wurden maßlos enttäuscht. Ähnlich fiel unsere Bewertung aus, als wir später am Nachmittag die Höhlen von Uplisziche besuchten und dort an einem Weintasting teilnahmen. Spätestens als uns die Mitarbeiter Plastikbecher verteilten, verschwand die Hoffnung, das erste kulinarische Highlight in Georgien erleben zu können. Korrektur von Michi: Hin und wieder Khachapuri kommt schon clean.

    Die Kleinstadt Mzcheta wird in Blogs auch als das Mekka von Georgien gehandelt. Grund dafür sind die zwei imposanten Kirchen des Ortes – eine davon thront hoch oben auf einem Berg und lässt sich vom Zentrum aus bestaunen. An unserem Guesthouse werden wir von einer älteren Dame begrüßt, die sich herzlich um uns kümmert. Plötzlich einsetzender Schlagregen und Gewitter sorgten zwischenzeitlich für einen Stromausfall und wir saßen mit der Omi zusammen im Dunkeln. Nach einigen Minuten war das Problem aber schon wieder behoben.

    Nach einem ausgiebigen Abendessen statten wir uns mit Bier aus und begeben uns zum Fluss, um in Michis Geburtstag hineinzufeiern. Dort angekommen, trafen wir auf eine Gruppe von Einheimischen, die uns auf ein Bier einluden. Die Gastfreundschaft in allen Ehren, waren wir dennoch froh, als wir wieder alleine waren, denn die Jungs schreckten uns mit ihren stark konservativen und homophoben Kommentaren ab. Auch wenn nicht jede Erfahrung positiv in Erinnerung bleibt, steht für uns im Vordergrund, ein möglichst authentisches Bild von Land und Leuten zu erhalten. Dazu gehören ebenso Begegnungen solcher Art.

    Im Vergleich zur Wanderung gingen wir die letzten Tage mit mehr Spontanität an. Morgens wussten wir nie, was uns auf unserem Weg erwartet, und wir hatten lediglich eine vage Vorstellung davon, welche Stationen wir passieren wollten. Unsere Guesthouses buchten wir dementsprechend spontan. So entwickelte sich unser Selbstbild weg vom klassischen Touri hin zum Reisenden. Das braucht es, um ein Land wirklich zu erleben.
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