• Tag 9 - Istanbul 4

    July 4 in Turkey ⋅ ☀️ 29 °C

    Arnd:
    Uns ist es uns am Tag 1 ja nicht gelungen, zum Taksimplatz und dem angrenzenden Gezipark zu gelangen. Das haben wir heute nachgeholt. Uns wurde bestätigt, dass die Schließung der U-Bahn zum Taksimplatz tatsächlich wegen einer Demo dort geschehen ist. Das passiert so wohl immer noch regelmäßig. In der ganzen Gegend ist auch ziemlich viel Polizeipräsenz.

    Auf dem Weg dahin sind wir nochmal beim Galatturm vorbeigegangen, sprich den Berg hochgelaufen, in der Hoffnung, dass dieses Mal die Schlange kürzer ist und wir den tollen Blick über die Stadt doch noch genießen können. Das war auch so, aber der Besuch des Ticket Office war ernüchternd. 30€ pro Kopf wollten sie haben (wird von der Stadt betrieben). Das Ding läuft als Museum, vielleicht ist innen ja auch ein Museum untergebracht. Touristen mit Interesse an Museen sollen sich das 5-Tage Museumsticket für 105€ kaufen. Dann tut der Besuch dieses Turms nicht weh. Also weiter zum Taksimplatz. Der Weg dahin verläuft durch die größte Istanbuler Fussgängerzone und man kann auch eine Museumsstraßenbahn benutzen (kostet wie ein normales Ticket mir der Istanbul Kart).

    Hea-Jee war ziemlich enttäuscht. Sie hatte Berichte gelesen, dass hier das Leben nur so pulsiert. Es war aber ziemlich öde. Das kann aber auch an der Uhrzeit gelegen haben. Am Freitag um 10:00 ruht sich das Leben vielleicht noch von gestern Abend aus. Am massiven Dönerangebot kann man aber sehen, dass hier manchmal doch mehr abgeht.

    Zurück sind wir dann erst durch die Fussgängerzone gelaufen. Da gab es wieder etliche Eisstände. Die rühren ständig mit einer dicken Stahlstange artistisch in den Eisklumpen rum. Das sieht sehr anstrengend aus und die haben auch meisten dicke Armmuskeln. Eiskaufen ist ein Abenteuer. Die Verkäufer ziehen eine ziemliche Show ab.

    Den Berg runter sind wir mit einer unterirdischen Kabelbahn gefahren. Das ist angeblich die zweitälteste U-Bahn der Welt. Unten haben wir den Super Mario gesucht. Hea-Jee hatte im koreanischen Internet eine Empfehlung dafür gefunden, weil der exzellentes Makrelen-Dürüm macht. War wirklich gut. Es scheinen auch öfter Koreaner vorbeizukommen, er hatte Handreinigungstücher mit einem Koreanischen Gruß drauf.

    Mittags Pause im Hotel, wobei ich eine lange Liste gemacht habe, was ich demnächst alles buchen muss. Denn jetzt wird die Reise wieder enger getaktet und fahrtechnisch etwas kompliziert.

    Nachmittags haben wir dann eine Schifftour den Bosporus rauf gemacht. Aber statt 30€ für einen Vergnügungsdampfer haben wir lieber in Summe 4€ für öffentliche Verkehrsmittel bezahlt, denn der Bosporus wird kreuz und quer von Schiffen befahren, die zum öffentlichen Nahverkehr gehören. Am nördlichsten Punkt hatten wir einen entspannten Aufenthalt an einer Uferpromenade mit Blick auf das asiatische Ufer. Dann wieder mit dem Schiff zurück zur asiatischen Seite für ein kleines Abendessen und schließlich mit der Marmaray nach Hause gefahren. Das ist die S-Bahn Linie, die unter dem Bosporus durchgeht. Außer dass diese Teilstrecke etwas länger dauert, bekommt man davon aber nichts mit.

    Abends nochmal das Licht auf der Dachterasse genossen und die erste Buchungen für eine archäologische Stätte gemacht, die wir nächsten Dienstag besuchen wollen.

    Hea-Jee:
    Mein Mann, der gerne fotografiert, wollte unbedingt auf den Galataturm hinauf. Also sind wir früh am Morgen aus dem Hotel aufgebrochen. Der Weg nach oben war ziemlich steil, aber als wir ankamen, war die Warteschlange tatsächlich sehr kurz. Wir freuten uns, dass sich das frühe Aufstehen gelohnt hatte.

    Doch dann meinte mein Mann, dass der Eintritt zu teuer sei und er nicht hineingehen wolle. Ich versuchte ihn zu überreden – bei etwas, das man so gerne macht, darf man sich doch auch mal etwas gönnen. Aber er war empört: Wie könne ein Aussichtsturm mehr kosten als das Museum der Menschheitsgeschichte, das wir gestern den ganzen Tag besucht hatten? Er hatte nicht ganz unrecht, und da es auch nicht mein Wunschziel war, kehrten wir ohne großes Zögern um.

    Wir spazierten weiter über den fast leeren Taksim-Platz, der mit Eisenbarrieren der Polizei teilweise abgesperrt war, und machten eine kurze Pause im Gezi-Park. Der Park war eine eher unscheinbare, kleine Grünfläche und schien ein Rückzugsort für Obdachlose zu sein. Ein fliegender Tee-Verkäufer war mit seinen Kannen unterwegs, und so genossen wir auf einer Parkbank ein Glas Tee. Als wir wie auf dem Sultan Ahmed Platz 100 Lira für zwei Pappbecher gaben, bekamen wir diesmal 50 Lira zurück.

    Am Nachmittag nahmen wir mit den Berufspendlern die Fähre und fuhren ein Stück den Bosporus hinauf. Wir stiegen an einem Ort aus, der kein Touristenort war, und ich war begeistert, einen Einblick in das alltägliche Leben der Menschen hier zu bekommen.

    Kinder und Jugendliche sprangen lachend ins Wasser, während Erwachsene am Straßenrand saßen, aßen und sich unterhielten. Die Stimmung war friedlich und warmherzig. Obwohl sich niemand für uns zu interessieren schien, begrüßte mich ein Mann so herzlich, als würden wir uns kennen, nur weil unsere Blicke sich zufällig kreuzten.

    Die Sonne brannte immer noch, also setzten wir uns auf eine schattige Bank am Pier und schauten hinüber zum asiatischen Ufer. Ich kaufte einen Maiskolben – wie auf dem Sultan Ahmed Platz zahlte ich 50 Lira, doch diesmal forderte der Verkäufer 25 Lira zusätzlich. Beim genaueren Hinsehen war das auch tatsächlich so angeschrieben. Seltsam. Aber der Mais schmeckte dafür umso besser. Arnd wollte ursprünglich keinen, fand ihn dann aber auch lecker, also teilten wir uns den einen freundschaftlich.

    Wir beobachteten noch kurz, wie Männer zwischen den festgemachten Fähren einen Fisch nach dem anderen angelten – winzig kleine Fische, kaum so groß wie ein Finger –, bevor wir wieder an Bord gingen.

    Abends aßen wir auf der asiatischen Seite in einem Marktviertel zu Abend. Der Weg führte uns durch eine Eisenwarenstraße, die mich an das alte Cheonggyecheon in Korea erinnerte, und dann durch eine Gasse voller Billigschmuckläden, bis wir schließlich in einer kleinen Essensstraße landeten, wo wir Pasta bestellten.

    Ich mag die türkischen Menschen sehr. Sie sind insgesamt ruhig, freundlich und rücksichtsvoll. Es macht mich traurig, dass solch sanfte und einfühlsame Menschen unter einem autoritären Herrscher leben müssen. Ich verabscheue Diktatoren – und auch jene, die davon träumten, einer zu werden.
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