Planlos durch die Welt

September 2018 - Mei 2024
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    Malawi Part II

    1 Februari 2019, Malawi ⋅ ☁️ 30 °C

    Auch rückblickend zählen wir die Mushroom Farm zu unseren Lieblingsunterkünften der gesamten Reise, weshalb ein wenig Wehmut mitschwang, als wir diese verließen. Im Gegensatz zu unserer Anreise wollten wir den Berg herunter dieses Mal ohne Hilfe bewältigen. Also machten wir uns kurz nach Sonnenaufgang frohen Mutes alleine auf den Weg. Lukas hatte uns zuvor von seiner weiteren Reiseroute erzählt. Sein Plan war es, als nächstes nach Nkhata Bay zu radeln, eine am Malawisee gelegene Hafenstadt. Kurzum kürten auch wir diesen Ort zu unserem zweiten Stopp im südostafrikanischen Binnenstaat. Die ersten Kilometer überwanden wir leichtfüßig und unsere Backpacks ließen sich recht komfortabel tragen, was wir sehr genossen. Schließlich wussten wir aus Erfahrung, dass sich das gefühlte Gewicht unserer Rucksäcke schon sehr bald vervierfachen würde. Doch noch bevor dieser Zustand eintreten konnte, kam neben uns ein Krankenwagen zum Stehen. Aus einem heruntergekurbelten Fenster hinaus wurden wir gefragt, ob wir die lange Schotterstraße bis nach unten tatsächlich laufen wollten. Falls nicht, könnten wir gerne einsteigen. Das Angebot war einfach zu verlockend und der Ehrgeiz, die Strecke mit eigener Körperkraft zu bewältigen, nicht groß genug. Auf vier Rädern gelangten wir recht flott zum Fuße des Berges, wo wir in einen Kleinbus umstiegen. 

    Die schmale Straße, auf der wir in dem sogenannten Motola unterwegs waren, schlängelte sich durch eine dicht bewaldete Berglandschaft. Immer wieder bot sich eine traumhafte Sicht auf endlos weite Täler. Die Vielfalt an Bäumen und Büschen leuchtete in den verschiedensten Grün-Nuancen. Während wir die großartigen Breiten bewunderten, tauchte plötzlich eine Horde Paviane am Straßenrand auf, die sich ein Wettrennen mit dem öffentlichen Verkehrsmittel lieferte. Schnell stellten wir fest, dass die klugen Primaten nicht zufällig aufgetaucht waren. Scheinbar auf die Situation vorbereitet, wurden nämlich vom Busfahrer und einigen Mitreisenden Bananen aus dem Fenster geworfen, was zu einem Freudenfest der Affen führte. Ein herrliches Spektakel! Im Laufe der Fahrt stiegen mehr und mehr Leute zu, bis der Minibus bis oben hin vollgestopft war. Neue Fahrgäste reichten ihre Taschen, Einkäufe, ja, sogar ihre Kinder zu den sitzenden Mitfahrenden durch und quetschten sich in gebückter Haltung in den Türbereich. Christina strahlte vor Glück, als eines der niedlichen malawischen Babys auf ihrem Schoß Platz fand und sich dort bis zum Ende der Reise einkuschelte. 

    In Nkhata Bay angekommen, kehrten wir in die Butterfly Lodge ein. Von der im Außenbereich gelegenen Bar hatten wir einen wunderbaren Panoramablick auf den zum Grundstück gehörenden Strand und den riesigen See. Unser hölzerner Acht-Betten-Schlafsaal fügte sich perfekt in den umliegenden Regenwald ein. Leider wurde Hygiene in diesem Backpackers nicht gerade großgeschrieben. Wir sind alles andere als pingelig, aber in einem Bett übersät mit toten Insekten, Kakerlakensekret, Geckokot und weiteren ominösen Flecken, fühlen selbst wir uns nicht mehr allzu wohl. Auch die fast überlaufenden Plumpsklos waren in keinem sehr ansehnlichen Zustand. Die zuvor besuchte Mushroom Farm hatte gezeigt, dass die ökologisch wertvollen Toiletten ohne Wasserspülung zwar immer einen gewissen Geruch mit sich bringen, aber sehr wohl sauber sein können - nicht so in der Butterfly Lodge. Kakerlaken Lodge wäre wohl der passendere Name gewesen. 

    Wenn wir nicht gerade auf der Toilette oder in unserem Zimmer waren, gefiel uns die Unterkunft aber sehr gut. Wir freundeten uns mit der Handvoll anderer Gäste an, verbrachten schöne Spieleabende, bummelten durchs Dorf, erfrischten uns im See und genossen leckere Mahlzeiten. Mit Ausnahme des vorbestellten Abendessens gestaltete es sich meist etwas schwerer, Speisen oder Getränke von der Karte zu ordern. Wir versuchten unser Glück mit einem Ingwer-Zitronen-Honig-Tee. Leider seien keine Zitronen vorrätig, sagte man uns. Dann würden wir einfach einen Ingwer-Honig-Tee nehmen, schlugen wir vor. Wieder Fehlanzeige: Ingwer war auch aus. Okay, nächster Versuch: ‚Einen Bananenshake, bitte!‘ Dreimal dürft Ihr raten, welche Zutat gerade nicht verfügbar war…Richtig, Bananen! Na gut, dann entspannten wir eben ohne Getränk.

    Während Lisa sich mit der Israelin Dana, die wir auf der Mushroom Farm kennengelernt und in Nkhata Bay zufällig wiedergetroffen hatten, ins Wasser begab, genoss Christina im Schatten der Bäume einen spannenden Roman. Vollkommen in das Buch vertieft, vernahm sie plötzlich einen Luftzug neben sich, dicht gefolgt von einem aufklatschenden Geräusch. Eine gut zwei Meter lange grüne Mamba war aus dem Geäst gefallen und hatte Christina dabei nur um Haaresbreite verfehlt. Anstatt in eine angemessene Schockstarre zu verfallen, zückte Christina ihr Handy und filmte die blitzschnelle Flucht der hochgiftigen Schlange, in deren Maul sich eine tote Maus befand.

    Nach nur zwei Übernachtungen in der Butterfly Lodge packten wir schon wieder unsere Sachen. Wahrscheinlich wären wir noch ein wenig länger in der irgendwie sympathischen Schmuddelunterkunft geblieben, allerdings fuhr unser nächstes Transportmittel nur einmal wöchentlich ab: Eine Fähre sollte Dana und uns am späten Abend innerhalb von drei Tagen den Malawisee runter nach Monkey Bay bringen. Das hörte sich nach einem schönen Abenteuer an und eine ganze weitere Woche wollten wir nicht noch warten. Um die Aussicht während der Schifffahrt genießen und frische Luft schnuppern zu können, entschieden wir uns für Tickets der ersten Klasse. Die zweite und dritte Klasse reiste nämlich unter Deck. 

    Zwei Stunden vor Abfahrt strömten wir gemeinsam mit dutzenden Menschen auf das große Ladeschiff. Darunter war zufälligerweise auch das deutsche Pärchen mit dem wir nahe der Mushroom Farm die rutschige Wasserfallwanderung unternommen hatten. Die vielen Passagiere teilten sich auf drei Etagen auf. An Deck angekommen, stellten wir fest, dass nur etwa ein Drittel der Fläche überdacht war. Zügig sicherten wir uns dort ein Plätzchen auf dem harten Holzboden, da ein plötzlicher Regenguss nicht allzu unwahrscheinlich war. Nach einem gemütlichen Abend mit Kartenspielen, Quatschen und leckeren Snacks kehrte die Müdigkeit ein. Vorsorglich zogen wir uns mehrere Schichten Kleidung an und bedeckten uns mit unserem Handtuch, um den recht starken Böen, die auf See herrschten, zu trotzen. Gegen Mitternacht war es dann soweit: Es schüttete wie aus Eimern. Unglücklicherweise trug der Wind die Wassermassen bis weit unter die Abdeckung. Um der Nässe und Kälte zu entfliehen, quetschten sich alle Passagiere der ersten Klasse samt ihres Gepäcks auf die wenigen trockenen Quadratmeter. Zusammengerollt auf unseren Rucksäcken fanden wir bis zum Morgengrauen tatsächlich noch ein paar Stunden Schlaf. Erste Klasse in Malawi unterscheidet sich eben schon ein bisschen von den europäischen Standards. Der Blick auf die rot-orange leuchtende Sonne, die sich am Horizont aus dem ruhigen Wasser erhob, ließ jedoch jegliche Unannehmlichkeiten der letzten Nacht sofort verblassen. 

    Am Vormittag gab es einen längeren Ein- und Ausladestopp, welchen wir nutzten, um eine kleine Insel zu erkunden. Auf einem Spaziergang von der einen zur anderen Seite, wurden wir von allen Bewohnern, die uns begegneten, freundlich gegrüßt. Man winkte uns aus Fenstern zu und Kinder, die gerade von der Schule kamen, rannten freudig hinter uns her, ergriffen unsere Hände und begleiteten uns im Hopserlauf. Am gegenüberliegenden Ufer angekommen, trafen wir auf eine Gruppe Frauen, die lachend und tratschend ein ausgiebiges Bad im See genoss. Einige Jungen ließen am Strand selbstgebastelte Drachen fliegen. Wir waren von der wundervollen Stimmung, die auf der ganzen Insel herrschte, total entzückt. Uns wurde bewusst: Malawi hatte schon längst unser Herz erobert. 

    In der zweiten Nacht auf See war das Wetter auf unserer Seite und wir wurden von jeglichem Regen verschont. Allerdings hielt uns diesmal ein neuer Mitreisender auf Trapp: Eine winzige graue Maus flitzte immer wieder ganz nah an unseren Köpfen vorbei und riss uns so Mal um Mal aus unserem Schlummerschlaf. Einen ganz besonderen Schreck bekam Dana am frühen Morgen, als sie durch etwas Flauschiges an ihren Füßen geweckt wurde. Der kleine Nager hatte es sich gewitzt in ihrem Schlafsack gemütlich gemacht. 

    Fast ein wenig widerwillig verließen wir die Fähre an unserem Ankunftsort. Drei Tage lang die Weite des Malawisees auf sich wirken und sich langsam darauf forttragen zu lassen hatte uns in einen angenehmen Entspannungszustand versetzt, den wir nur ungerne aufgaben. 

    Vom Hafen aus konnten wir unsere zuvor ausgesuchte Unterkunft, die Mufasa Lodge, fußläufig erreichen. Das nächste Paradies erwartete uns! Die Bungalows waren in eine kleine Bucht direkt am Malawisee eingebettet, geschützt von Wäldern und hohen Felsen. Dieses Mal waren wir die allereinzigen Gäste und konnten unseren 'Privatstrand' in vollen Zügen genießen. Zwischen Bäumen machten wir es uns in gemütlichen Hängematten bequem. Immer wieder blickten wir von unseren Büchern auf, um freche Meerkatzen zu beobachten, die sich uns neugierig näherten. Das kristallklare Wasser des Malawisees hatte die perfekte Erfrischungstemperatur. Dem konnten wir trotz der Gefahr vor Bilharziose, einer Wurmerkrankung, nicht widerstehen und begaben uns immer wieder ins kühle Nass.

    Nach zwei gemütlichen Tagen in dem gefühlten 5-Sterne-Resort, begaben wir uns auf der Suche nach etwas Essbarem und um Geld abzuheben ins Dorf. Unsere Herbergsmutter hatte uns geraten, direkt am Morgen aufzubrechen, weil den zwei einzigen vorhandenen Bankautomaten gerne schonmal das Geld ausging. Doch trotz früher Stunde mussten wir feststellen, dass beide Maschinen leider keine Scheine ausspuckten. Der eine Automat schien ganz kaputt zu sein, beim anderen wurde uns versprochen, dass jemand unterwegs sei, um das Problem zu beheben. Wir waren uns darüber im Klaren, dass dies mindestens noch einige Stunden dauern würde. Deshalb liefen wir die einzige Straße des Dorfes einige Male hoch und wieder herunter, kauften frische Früchte, Gemüse und Brot zum Kleckerpreis, nahmen einen Imbiss zu uns und ließen uns schließlich wieder vor der Bank nieder. Es hatte sich mittlerweile eine kleine Menschenschlange gebildet. Allzeit darauf vorbereitet sich in afrikanischen Ländern schonmal länger gedulden zu müssen, packte Dana ihr Kartenspiel aus, womit wir uns die restliche Wartezeit auf angenehme Art vertrieben. Wir konnten es gar nicht glauben, als der Geldautomat nach drei Stunden tatsächlich wieder befüllt wurde und wir unsere Mission erfolgreich abschließen konnten. 

    Am Nachmittag wollten wir die Natur um uns herum erkunden. Auf Nachfrage empfahl uns die Besitzerin der Mufasa Lodge, eine ausgewiesene Wanderroute zu nehmen, die direkt hinter den Waschräumen startete. Auf ging‘s. Da wir uns, wie schon erwähnt, zur Regenzeit in Malawi befanden, waren Gräser, Büsche und Bäume hochgewachsen. Nach dem Schild, das den Start der Wanderung markierte, waren weder irgendwelche Streckenhinweise zu erkennen noch konnte man nach einigen Metern einen Weg ausmachen. Wir schlugen uns also blindlings durch den Dschungel, krabbelten unter oder kletterten über Baumstämme, mussten steile Felswände und Klippen überwinden und wussten irgendwann überhaupt nicht mehr, wo wir waren oder wo es lang ging. Zum Glück endeten wir letztlich am Rande des Malawisees und gewannen unsere Orientierung zurück. Froh darüber, nicht mehr verloren zu sein, entledigten wir uns all unserer Klamotten und sprangen lachend ins Süßwasser, um Schweiß, Dreck und Blut abzuwaschen. Anschließend fanden wir entlang des Ufers zu unserer Unterkunft zurück.  Eine Wanderung ganz nach unserem Geschmack.

    Zur Stärkung ging es abends noch einmal ins Dorf.  Wir nahmen in einem kleinen Restaurant auf weißen Plastikstühlen Platz und erkundigten uns, welche Gerichte zur Auswahl stünden. 'Reis mit Bohnen.‘, war die knappe Antwort. Gut, dann war die Entscheidung ja schnell getroffen. Getränke gab es keine. Ein Mann, der wohlgemerkt nicht für das Restaurant arbeitete, bekam mit, dass es uns dürstete. Wenn wir ihm Geld gäben, dann würde er uns davon etwas zu trinken besorgen, bot er freundlich an. Wir vertrauten ihm, was dazu führte, dass wir kurze Zeit später kühles Bier zu köstlichem Reis mit Bohnen für weniger als zwei Euro genossen.
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  • Hari 153

    Malawi Part III Bushman’s Baobabs Lodge

    4 Februari 2019, Malawi ⋅ ☁️ 31 °C

    Unsere israelische Freundin Dana hatte den Plan gefasst, auf ihrer Reise durch Malawi eine Mehrtageswanderung auf den Berg Mulanje im Süden des Landes zu machen. Das hörte sich spannend an, weshalb wir uns ihrem Vorhaben anschlossen. In der Mufasa Lodge erfuhren wir von unserer betagten Herbergsmutter, die eine jugendliche Aura besaß und stets einen Hauch von Hippietum versprühte, dass es bis zu unserem nächsten Ziel eine ziemlich weite Reise sei, die mit mehrmaligem Umsteigen einherginge. Auf halber Strecke hätten Bekannte von ihr ein Resort, direkt an einem Nationalpark gelegen. Die vollständig ergraute Frau zog genüsslich an einem süßlich riechenden Joint und riet uns, in der Bushman’s Baobabs Lodge für kleines Geld einen Zwischenstopp zu machen. Da weder Dana noch wir unter zeitlichem Druck standen, ließen wir uns auf diesen Vorschlag mit Begeisterung ein. Schon am nächsten Morgen wollten wir aufbrechen. 

    Gekonnt schwangen wir nach dem Frühstück unser Gepäck auf die Schultern und schlenderten gemächlich in Richtung Dorfmitte, wo wir uns ohne Eile ein Sammeltaxi suchen wollten. Wir waren noch nicht weit gelaufen, als fast zeitgleich zwei Autos direkt vor uns in einer großen Staubwolke zum Stehen kamen. Aus den Gefährten stiegen hastig einige Männer aus, die wild miteinander gestikulierten. Zwar verstanden wir kein Wort, jedoch war es offensichtlich, dass sie sehr aufgebracht waren und sich gegenseitig verbal attackierten. Einen der Herren erkannten wir wieder: es war der Mann, der am Vorabend so lieb gewesen war, uns kühle Getränke zu unserem Reisgericht mit Bohnen zu besorgen. Er hatte von unserem Aufbruch erfahren und seinen Cousin darüber in Kenntnis gesetzt. Dieser war Taxifahrer und Besitzer von einem der beiden Wagen. Das andere Gefährt gehörte der Konkurrenz, die genau wie er ein lukratives Geschäft roch. Es war nicht das erste Mal, dass man sich in Afrika um uns als Kunden regelrecht stritt. Tauchten wir mit unserem europäischen Aussehen an einem Busbahnhof oder Taxistand auf, wurden wir meistens innerhalb von Sekunden von einer Menschentraube umringt, lauthals mit Angeboten bombardiert und teilweise von einer Ecke in die andere geschoben. Das war uns natürlich äußerst unangenehm und oft etwas überfordernd, sodass wir uns während der gesamten acht Monate auf dem schwarzen Kontinent nicht wirklich daran gewöhnen konnten. Dennoch behielten wir geübt nach außen hin die Ruhe, ließen beide Parteien sich gegenseitig unterbieten, bis wir mit einem Fahrpreis zufrieden waren und letztlich zu dem Cousin unseres Bekannten in das Auto stiegen.

    Wir hatten eine gute Wahl getroffen: zwar machte der Wagen äußerst merkwürdige Geräusche, allerdings war unser Fahrer Benjamin bester Laune und um keinen Plausch verlegen. Weil wir in einem Sammeltaxi saßen, genossen wir zudem in gemütlicher Atmosphäre die Gesellschaft ständig wechselnder Mitreisender. Nach einigen Kilometern gerieten wir wieder einmal in eine Polizeikontrolle, die sich als immense Geduldsprobe erwies. Benjamins gültiger Führerschein wurde von den Beamten ohne ersichtlichen Grund einbehalten. Wir stellten die Vermutung auf, dass die Polizisten sich ein Bestechungsgeld erhofften. Das war der Fahrzeugführer aber nicht bereit zu zahlen. Es folgten Gespräche und Verhandlungen, dann nichts. Alle standen einfach nur herum. Dann erneute Verhandlungen, wieder nichts. Wir hatten keine Ahnung, was da vor sich ging, was besprochen wurde und ob Benjamin nun seine Geldbörse hatte hinhalten müssen oder nicht. Jedenfalls wurde ihm zu guter Letzt sein Führerschein wieder ausgehändigt und die Fahrt konnte fortgesetzt werden. Als wir zu irgendeinem Zeitpunkt nur zu viert im Auto saßen, legte Benjamin liebenswerterweise einen Stopp in einem kleinen Dorf ein, wo wir uns auf einem Markt mit Proviant für die kommenden Tage eindeckten. 

    In der Stadt Liwonde angekommen, hatte das Sammeltaxi seine Endstation erreicht. Für ein paar Kwatcha mehr beförderte uns Benjamin noch über einen langen schottrigen Feldweg, bis wir die Bushman’s Baobabs Lodge erreichten. Es dauerte nicht lange und uns wurde bewusst: Wir hatten das nächste Paradies erreicht. Im Eingangsbereich stand ein rostiger, armygrüner, schlammbespritzter Geländewagen, bereit auf Entdeckungstour zu gehen. Die Lust auf eine Safari war sofort entfacht. Verschlungene, dicht bepflanzte Wege führten zu verschiedenen strohbedeckten Holzhütten. Wir wurden zu unserem 18-Betten-Dorm geführt, wo wir mit Überraschung feststellten, dass wir den Schlafsaal ganz für uns alleine hatten. Wir schlüpften schnell in unsere Bikinis und machten uns auf den Weg zum Pool, von wo aus man die umliegende Savanne bestens überblicken konnte. Als wir erfrischt aus dem Schwimmbecken kletterten, erspähten wir in der Ferne eine Herde Elefanten. Aufgeregt beobachteten wir, wie die grauen Riesen immer näherkamen und schließlich nur wenige Dutzend Meter vor uns friedlich die Steppe abgrasten. Immer wieder fanden kleine weiße Kuhreiher auf den Rücken der Säugetiere Platz und pickten eifrig die Parasiten von ihrem Wirt. Eine perfekte Symbiose, also ein Zusammenleben zweier Lebewesen verschiedener Art, von dem beide profitieren. So macht Biologie Spaß. Als sich am Tagesende der brennende Ball am Himmel dem Horizont näherte und das Land in ein strahlendes Orange-Rot hüllte, bot sich uns ein Sonnenuntergang ohnegleichen. Schönheit pur. 

    Am späteren Abend freundete sich Lisa mit den zwei einzigen weiteren Gästen der Lodge an. Die beiden Männer unseres Alters waren gerade dabei, ein für unseren Geschmack etwas zu teures Fünf-Gänge-Menü zu verputzen. Da dieses seinem Preis aber mehr als gerecht wurde und für mindestens die doppelte Personenanzahl zu reichen schien, boten die vollgestopften Herrschaften großzügig die Reste an. Das ließ Lisa sich nicht zweimal sagen, sandte ihrer besten Freundin, die sich im Schlafsaal befand, noch kurz via WhatsApp die frohe Botschaft und langte genüsslich zu. Bewaffnet mit ihrer Handytaschenlampe tapste Christina kurz darauf hinaus in die Dunkelheit. Im schwachen Lichtkegel setzte sie vorsichtig einen Fuß vor den anderen, sehr bemüht nicht vom Weg abzukommen. Doch was war das? Ein Knacken, gefolgt von einem tiefen Schnaufen. Sofort war klar, wer Verursacher der Geräusche war. Vielleicht fünf Meter entfernt schlug sich ein Elefant genügsam seinen Weg quer durchs Camp. Stockstarr und mit laut klopfendem Herzen ließ Christina den Dickhäuter passieren und schnellte dann weiter zu Lisa und den anderen. Dort wurde sie von drei aufgebrachten Mitarbeitern in Empfang genommen. Diese mahnten, wir sollten uns nach Einbruch der Dunkelheit unter keinen Umständen ohne deren Begleitung im Camp fortbewegen. Auf Grund der Wildtiere sei das viel zu gefährlich. Doch auch mit Begleitung gab es nach dem opulenten Abendessen keinen Weg mehr an einer Elefantenherde vorbei, die nach und nach in das Resort eingedrungen war. So kam es, dass wir ein paar Stündchen im Gemeinschaftsbereich festsaßen und erst kurz vor Mitternacht, als die schweren Rüsseltiere endlich von dannen gezogen waren, in unsere Betten schlüpfen konnten.

    Am nächsten Morgen ging es nach der Einnahme einer heißen Tasse Tee und ein paar köstlichen Plätzchen, die für uns bereitstanden, mit dem Aufgang der Sonne auf Safari. Vorfreudig stiegen wir drei mit zwei Führern in den bereitgestellten Jeep. Der Schlüssel wurde im Schloss gedreht, es ratterte kurz und der Motor ersoff. Auch ein zweiter, dritter und vierter Versuch brachte das Triebwerk nicht zum Starten. Die beiden Malawesen steckten ihre Köpfe unter die Motorhaube und fingen an zu werkeln. Keine 20 Minuten später erklang das ersehnte knatternde Motorengeräusch. Es war schon faszinierend, wie oft in Afrika die Autos ihren Geist aufgaben und fast genauso oft mit ein wenig Hantier vor Ort wieder ans Laufen gebracht werden konnten. Wir waren wieder mal beeindruckt. 

    Nun konnte es wirklich losgehen. Im kühlen Wind, der die dunkle Wolkendecke allmählich auflockerte, fuhren wir hoffentlich vielen heimischen Tieren entgegen. Christinas sehnsüchtiger Wunsch, ein paar Löwen oder einen Leoparden zu sichten, erfüllte sich zwar nicht, dafür aber sahen wir zahlreiche Antilopen, Giraffen, Paviane, Zebras, ein Nilpferd und Warzenschweine. Ebenso begegneten wir Elefanten mit klitzekleinem Nachwuchs. Als wir uns dem Baby ganz vorsichtig mit dem Safariwagen näherten, löste das den Beschützerinstinkt der Herde aus. Zunächst wurden wir mit aufgestellten Ohren und einem lauten Trompeten gewarnt. Anschließend wurden wir Zeuge eines ganz besonderen Naturschauspiels: Nach und nach umstellten die erwachsenen Dickhäuter im Rückwärtsgang das kleinste Familienmitglied, den Blick dabei ohne Unterlass auf uns gerichtet, bis von dem Baby absolut nichts mehr zu sehen war. Dieser Gemeinschaftssinn und dieses Füreinander in der Wildbahn berührte uns sehr. Schnell traten wir den Rückzug an, um den schweren Tieren zu bedeuten, dass wir keine Gefahr darstellten. Wir setzten die Tour fort und waren wieder einmal dankbar, während der Regenzeit in Malawi unterwegs zu sein. Zwar war es deutlich schwieriger, die Tiere in dem hochgewachsenen, dichten Gras auszumachen, allerdings hätten wir uns in der Hauptsaison mit Sicherheit die Sitzbank im Auto mit einigen anderen Touristen teilen müssen. So kamen wir aber in den Genuss einer ganz privaten Safari nur für uns Drei, die unvergessen bleiben wird. 

    Den restlichen Tag verbachten Dana und wir auf einer am Rande der Lodge gelegenen Aussichtsplattform. Quatschend beobachteten wir die vielen Vögelchen, die in den schillerndsten Farben um uns herumflatterten. Der Ausguck war nur wenige Meter von einem Fluss entfernt. Hier würden zu später Stunde bestimmt noch ganz andere Tiere unterwegs sein. Gepackt von unserer Neugier fragten wir beim Personal nach, ob wir die kommende Nacht nicht dort verbringen könnten. Es gab keine Einwände, so dass wir fröhlich unsere Siebensachen packten und unser Schlafgemach auf dem hölzernen Turm aufschlugen. Während wir unsere letzten Brötchen, Avocados und Tomaten verputzten, versüßte uns ein weiterer bezaubernder lila-pinkfarbener Sonnenuntergang den Abend. Anschließend schlüpften wir unter unsere Decken und lauschten den Geräuschen der Natur. Das Zwitschern der Vögel war verstummt und gab Raum für das Rascheln des Schilfes, dem seichten Rauschen des Flusses und dem Summen zahlreicher Insekten. Apropos Insekten: Gut, dass wir unser Moskitospray immer zur Hand hatten, sonst hätten wir vermutlich nach kurzer Zeit wie Streuselkuchen ausgesehen. Nach und nach fielen wir in den Schlaf. Christina, aufgeregt wie ein kleines Kind, war bei jeder kleinsten Geräuschveränderung wieder hellwach. Keinesfalls wollte sie etwas verpassen. Und so kam es auch, dass sie als erste das durchdringende und tief dröhnende Schnauben wahrnahm, begleitet von gewaltigen, immer näherkommenden Fußstapfen. Sofort weckte sie Lisa und Dana. Zusammen krabbelten wir auf allen Vieren zum Geländer und spinksten hinunter. Im schwachen Licht der Taschenlampe konnten wir gerade noch erkennen, wie sich eine Gruppe Nilpferde so schnell wie sie gekommen war, auch schon wieder vom Acker machte. Die gefährlichsten Tiere Afrikas, die pro Jahr für mehr Todesopfer als beispielsweise Löwen verantwortlich sind, in ihrer aktivsten Tageszeit und so von nahem zu beobachten, war mehr als imposant. 

    Am darauffolgenden Tag wollten wir unsere Reise zum Mount Mulanje fortsetzen. Beim Auschecken stellten wir zu unserer Überraschung fest, dass uns die zweite Nacht als Camping-Tarif berechnet wurde und damit sogar nochmal günstiger war als der ohnehin schon preiswerte 18 Betten-Schlafsaal. Zudem teilte man uns mit, dass die gängigen Fortbewegungsmittel in Liwonde sogenannte Fahrradtaxen seien und orderten uns welche. Eine knappe Stunde später trafen vier trainierte Männer auf klapprigen Drahteseln im Camp ein. Die Gepäckträger waren jeweils mit einem gemütlichen Polster ausgestattet auf denen wir bequem Platz nehmen konnten. Das vierte Fahrrad wurde mit unseren Backpacks beladen. Und schon begann die Fahrt ins Dorf über eine lange Schotterpiste. 

    Die Sonne leuchtete hoch am Himmel, der warme Wind wehte durchs Haar und die Landschaft war schön anzusehen. Alles war nahezu perfekt, wären wir uns nicht so faul vorgekommen. Nach all den eher ruhigen Tagen würde es doch bestimmt noch viel befreiender sein, selbst in die Pedale zu treten. Eine kleine Flussüberquerung, bei der wir absteigen und die Räder schieben mussten, nutzte Lisa für die Gelegenheit, den fleißigen Fahrer nach einem Tausch zu fragen. Der konnte es zwar kaum fassen, sprang aber ohne zu zögern auf den Gepäcksitz. Christina fand die Idee ganz hervorragend und schlug ihrem Fahrradgenossen kurz darauf selbiges vor. So düsten wir nun über die staubigen Straßen und genossen die sportliche Betätigung. Als wir die ersten Häuser erreichten, staunten uns sämtliche Bewohner jubelnd und grölend hinterher. Unsere Mitfahrer konnten sich vor Rufen und Lachen kaum auf dem Gefährt halten. Augenscheinlich genossen sie die ihnen zugeteilte Aufmerksamkeit des Dorfes sehr. Es war wohl kein alltäglicher Anblick, dass zwei weiße Frauen den Fahrradchauffeur spielten. 

    Glückselig kamen wir schließlich abgestrampelt am Kleinbusbahnhof an, von wo aus es weiter zum Mount Mulanje ging.
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