Satellite
Show on map
  • Day 38

    Huayna Potosi Tag 2: Verdientes Essen

    May 8, 2016 in Bolivia ⋅ ☀️ 9 °C

    Wir erwarten einen aufregenden Tag. Das war ironisch gemeint. Für uns ganz ungewohnt, und besonders ungewöhnlich, wenn man in den Bergen ist, gibt es erst um acht Uhr Frühstück. So kann kein aufregender Tag beginnen. Wir sind verwundert, vertrauen aber voll auf die Planung vom Hugo, denn er hat uns ja gestern schon so gut zum Low Camp gebracht. Das war auch ironisch gemeint.

    Um halb elf soll ein Fotoshooting sein. Also Zeit, um Fotos zu machen. Wir sind pünktlich dort, aber irgendwie war das von den Guides so gemeint, dass alle Teilnehmer der Bergtour draußen rumeiern dürfen und halt Fotos machen. Macht aber keiner. Ich erkenne mit meinem Verstand, der trotz der Höhe wie gewohnt messerscharf ist und einwandfrei funktioniert (auch das war ironisch gemeint): Ein Fotoshooting ohne Leute mit Kameras ist gar kein Fotoshooting. Es ist eher wie folgende Situation: Treffen sich zwei und einer kommt nicht.

    Ein Höhepunkt jagt den nächsten: Um halb zwölf gibt es Mittagessen. Wir haben an diesem Tag noch absolut nichts getan. Mein Vater würde fragen: "Bub, hast du dir heute schon etwas verdient?" Und ich müsste mit traurigen Augen antworten: "Nein, Vater." Wir wissen aber, dass es nach dem Essen endlich zum High Camp, unserem einzigen Halt auf dem Weg zum Gipfel des Huayna Potosí, geht. Deswegen stärken wir uns indem wir so viel essen wie halt reingeht. Ich kann an dieser Stelle nicht sagen, dass es angenehm ist. Ich fühle mich am Ende des Essens wie eine Mastgans. In Zukunft höre ich auf meinen Vater, und werde mir noch essen, wenn ich es mir verdient habe. Außer, wenn meine Mutter gekocht hat. Denn das schmeckt immer so gut! Dennoch werde ich in Zukunft wohl etwas abnehmen.

    Dann, um halb eins, geht es endlich los zum High Camp. Wir lassen noch etwas Gepäck im Low Camp und beginnen den Aufstieg von 550 Höhenmetern. Was sich jetzt nicht nach viel anhört, sollte uns dennoch zweieinhalb Stunden kosten. Ausgestattet mit Eispickeln, die auch als Gehhilfen benutzt werden können, Skateboardhelmen, Skihosen, Steigeisen die was taugen, und unseren eigenen guten Klamotten machen wir uns auf den Weg. Endlich verdienen wir uns etwas zu essen. Vater, kann man sich Essen auch im Nachhinein verdienen?

    Der Weg schlängelt sich zunächst recht gemütlich den Berg hinauf, wird jedoch bald deutlich steiler. Auf etwa der Hälfte kommt sogar eine seilversicherte Stelle. Ist für uns aber voll der Kindergarten, da wir alle mehr oder weniger klettersteigerfahren sind. Ich würde schätzen, dass es Schwierigkeitsgrad A ist. Also für alle Menschen, die des aufrechten Ganges mächtig sind, durchaus machbar. Aber wir spüren die Höhe. Es hat zwar keiner Symptome der Höhenkrankheit, aber selbst die Nichtraucher Schnauben wie Walrösser. Sie sehen aber besser aus als letztere Tiere. Die Raucher auch. Wir bleiben des aufrechten Ganges mächtig.

    Ohne Gletscherberührung kommen wir am High Camp auf 5300 Metern an. Das High Camp sind drei Hütten aus Blech, die innen mit Styropor isoliert sind. Es gibt auch Toiletten. Diese sind aber Gestelle, die dazu dienen, sein Geschäft in einen Müllsack zu verrichten. Um die Gestelle ist auch jeweils ein metallener Sichtschutz, der wohl dazu dient, dass die Bergführer nicht erkennen, wer da in die Müllsäcke macht, und den jeweiligen Klienten zum Abtransport der eigenen Hinterlassenschaften nötigen. Wir wollen keinen Bergführer dazu nötigen, unsere Hinterlassenschaften ins Tal zu tragen. Selbst wollen wir das aber auch nicht tun. Deswegen, und wegen der besseren Aussicht, wählen wir die umliegende Natur.

    Das High Camp liegt direkt am Gletscher und uns bieten sich grandiose Aussichten. Ein paar Wolken unter uns machen das ganze perfekt. Mysteriös kleiden sich die umliegenden Berge in ein samtenes Gewand aus Wolken.

    Wir sind doch ein bisschen geschafft. Deswegen breiten wir schnell unsere Schlafsäcke im Matratzenlager aus und bereiten unsere Rucksäcke für den morgigen Gipfelsturm. Das ist recht einfach. In unseren Rucksäcken befinden sich lediglich Sonnenbrillen und Sonnencreme, sowie Cola und Wasser. Alle Kleidung planen wir zu anzuziehen, und alle Ausrüstungsgegenstände auch.

    Endlich haben wir uns Essen verdient. Wir bekommen ein fürstliches Mahl von unseren Bergführern. Sie zaubern ein Menü in zwei Gängen und kredenzen leckere Suppe, die uns echt gut tut, und Nudeln mit Würstchen. Wir hauen rein, schon wieder so viel wir können, um gut auf den morgigen Tag vorbereiten zu sein. Ob wir uns das mag der Völlerei am Mittag verdient haben, ist unklar. Aber bekanntlich, das sagt auch mein wissenschaftlicher Verstand, macht Aufessen gutes Wetter. Und das können wir morgen gut gebrauchen.

    Nach dem Essen ein weiteres Highlight: Schlafen! Pünktlich um sechs Uhr abends schicken uns die Bergführer ins Bett. Allerdings haben irgendwie alle Teilnehmer ganz kleine Blasen oder vergessen, vorm Bettchen noch aufs Töpfchen zu gehen. So steht etwa alle halben Stunden irgendwer auf und macht neben das Camp. Ich selbst darf das in Unterhosen und T-Shirt erleben. Es ist wärmer, als ich dachte. Das ständige Aufgestehe und die frühe Uhrzeit wirken sich negativ auf unser Schlafpensum aus. Diejenigen, die mehr als zwei Stunden Schlaf bekommen, können sich zu den Ausgeschlafenen zählen. Denn pünktlich zur Geisterstunde heißt es wieder aufstehen, um sich mehr Essen zu verdienen. Vielleicht springt morgen ja sogar eine Leberkässemmel raus? Davon träume ich süß, aber mit scharfem Senf.
    Read more