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- Day 1
- Sunday, July 13, 2025 at 8:14 PM
- ⛅ 27 °C
- Altitude: 41 m
FranceRouen49°26’26” N 1°5’38” E
Margriet gegen die kleine Chinesin

Da war sie.
Notre-Dame de Rouen.
Erhaben, still, riesig. Eine Kathedrale, die eher Wellen schluckt als Worte. Wir setzten uns auf die Stufen, mittig auf dem großen Platz – die Steine noch warm vom langen Sommertag. Der Himmel glühte nicht mehr, aber die Luft trug noch die Hitze des Tages in sich. Es war kurz vor zehn, und der Platz begann sich langsam zu füllen.
Wir hatten davon gehört: Notre-Dame Lumière – eine Lichtshow, die die Fassade der Kirche in Bewegung setzt, in Geschichte verwandelt, in Farbe, Klang und Erzählung. Jedes Jahr ein neues Thema. Dieses Mal: die Wikinger.
Passend, denn sie waren einst bis hierher gesegelt, die Seine hinauf, hatten Rouen belagert und später besiedelt.
Ein Kapitel, das sich in das Steinbuch dieser Stadt eingebrannt hatte. Und nun – neu erzählt, mit Licht statt Schwertern.
Nur… es passierte nichts.
22 Uhr. Nichts.
22:15 Uhr. Noch immer nichts – aber der Regen kam. Erst zögerlich, dann mit Kraft.
Ein Gewitter zog auf, und mit ihm der Wind, der unsere Haare zerzauste und uns zu besseren Strateginnen machte.
Wir flüchteten unter einen großen Türbogen auf der gegenüberliegenden Seite. Nicht wir allein: Drei chinesische Touristinnen suchten ebenfalls Schutz.
Eine von ihnen drängte sich immer weiter an Margriet heran – Stück für Stück, fast unmerklich.
Doch Margriet bemerkte es sehr wohl.
„Die will mich hier rausdrängen!“
„Sie ist doch klein ;0)...“, sagte ich.
„Unverschämt ist sie, aber nicht mit mir“, sagte Margriet.
Sie blieb standhaft, wie eine Burgherrin.
Direkt vor uns stand noch eine junge französische Mutter mit ihrer Tochter. Das Mädchen war vielleicht acht Jahre alt, ungeduldig, gespannt.
„Encore dix minutes,“ sagte die Mutter beruhigend.
Ich schaute auf meine Uhr. 22:50 Uhr.
Draußen auf dem Platz, mitten im Regen, saß ein Mann immer noch auf den Stufen.
Reglos. Ohne Schirm.
Er ließ den Sommerregen auf sich niederprasseln, als wäre er im Hammam.
„Franzosen…“, murmelte ich.
Ich begann, sie ein kleines bisschen zu hassen – für ihre lässige Unpünktlichkeit, für ihr stoisches „C’est la vie“, für ihr ewiges „Bald“.
23 Uhr. Nichts.
Und dann.
23:20 Uhr.
Licht.
Zuerst nur ein Flackern. Dann wuchs es. Die Kathedrale lebte plötzlich.
Ihre Fenster begannen zu leuchten, Runen flackerten über das Portal, Schlangenköpfe krochen über das Mauerwerk, als wären sie nie verschwunden. Musik setzte ein – tief, nordisch, rhythmisch. Die Geschichte der Wikinger in Rouen, erzählt in Licht und Klang.
Wir schwiegen. Margriet lächelte.
Der Regen hörte auf.
Der Platz dampfte.
Als es vorbei war, war es nach Mitternacht.
Wir gingen zurück – durch stille Gassen, vorbei an dunklen Fenstern.
Unser Zuhause für diese Tage lag hinter einer Schranke, in einem hohen Wohnkomplex.
Ich öffnete die Tür zu meinem Zimmer, drehte mich noch einmal zu Margriet um und sagte mit einem Lächeln:
„Du kannst morgen gerne ausschlafen – kein Wecker, nur der Nationalfeiertag.“
Sie nickte, hielt inne – und verschwand in ihr Zimmer.
Durch die geöffneten Fenster wehte die warme Nachtluft. Irgendwo im Haus wurde gefeiert und gelacht, Stimmen hallten durch die offenen Fenster – ein leiser Vorgeschmack auf den morgigen Tag.
Ich legte mich aufs Bett, hörte, wie auch Margriet ihr Fenster öffnete.
Die Stadt atmete tief durch nach der Hitze des Tages.
Und wir auch.Read more