• Ein Platz, eine Kirche – und ein Moment

    July 15 in France ⋅ ☁️ 21 °C

    Wir standen auf der Place Barthélémy, einem kleinen urbanen Platz mit Renaissance-Brunnen und Fachwerk umringt, benannt nach dem Architekten Barthélémy, der im 19. Jh. die charakteristische Spitzenflèche über der Laternenturmkirche errichtete.

    Der Platz ist ruhiger, die Luft warm vom Sonnenlicht.

    Vor uns erhob sich die Église Saint‑Maclou – ein wahres Juwel der gotischen Flamboyant-Architektur, erbaut zwischen 1437 und 1517 unter Leitung mehrerer Baumeister, doch stets vereint im Stil.

    Die Westfassade schwingt in sanftem Bogen, mit fünf Portalen in einem halbrunden Vorbau und einem imposanten Tympanon, das den Jüngsten Tag darstellt. Die Türen – mit Szenen wie Taufe, Guten Hirten, der Jungfrau Maria – sind fein geschnitzte Arbeit aus der Renaissancezeit.

    Daneben steht ein halbverdeckter Brunnen – Renaissance-Stil, fast wie ein kleiner Bruder der berühmteren Brunnen in Brüssel – und wirkt zugleich wie eine Einladung, ins Licht der Kirche zu sehen, obwohl die Tore leider verschlossen waren.

    Wir umrundeten das Gebäude. Ich zeigte auf ein Fachwerkhaus, das sich eng an die steinernen Mauern schmiegt – sichtbar über Jahrhunderte mit der Kirche verwachsen. Besonders auffällig waren die überhängenden Balkone, von denen gesagt wird, dass sie einst Weberfamilien beherbergten, die hier arbeiteten und lebten – zwischen Fäden, Farbe, Gebeten.

    Die mächtige Tour lanterne, gekrönt von der Spit­ze aus dem Jahr 1868, bot ein fragiles Gleichgewicht zwischen Normandiens Himmel und der Dunkelheit des Nordens. Während der Zweiten Weltkriegs bombardiert, war die Kirche schwer beschädigt und musste in langen Restaurationsphasen im 20. Jahrhundert wiederaufgebaut werden.

    Die Fassade glänzt heute wieder, als wäre sie gerade erst befreit – makellos, detailverliebt, leicht wie Eisenladen aus Spitze.

    Wir stellten uns vor, wie es gewesen wäre, damals durch diese Türen zu treten – während der Symbole am Westportal flüsterten Geschichten von Jüngstem Gericht und Erlösung. Aber die Tore waren verschlossen. Kein Schlüssel. Keine Möglichkeit, hineinzugehen.

    So blieben wir auf dem Platz, spürten die kühle Brise am Fuß der Rückseite, sahen, wie die Mauern im Vormittagsschatten spielten. Nur wenige Meter weiter liegt der Aître Saint‑Maclou, ein ehemaliger Pestfriedhof mit holzgeschnitzten Säulen voller Totentänzer und Symbolik – heute Kunstschule und Galerie.
    Doch da schauen wir gleich noch vorbei.

    Margriet legte ihre Hand sanft auf den kalten Stein an meiner Seite.
    „Auch verschlossen… doch voller Augenblicke.“
    Sie lächelte. Und ich wusste: Es war genug. Die Kathedrale war eine Begegnung, nicht nur ein Gebäude.
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