- Show trip
- Add to bucket listRemove from bucket list
- Share
- Day 3
- Tuesday, July 15, 2025 at 12:04 PM
- ☁️ 21 °C
- Altitude: 28 m
FranceRouen49°26’24” N 1°5’58” E
Wo Knochen sprechen -Aître Saint-Maclou

Der Aître Saint-Maclou – ein Ort, der gleichermaßen verstört und fasziniert. Als wir ihn betraten, war es, als hätte jemand die Geräusche der Stadt auf stumm geschaltet. Kaum Schritte, nur das Knarzen alten Holzes unter unseren Füßen und das ferne Zwitschern einiger Spatzen, die in den Fachwerkbalken nisteten.
Ein Ort der Stille mit makabrer Vergangenheit:
Im Mittelalter war dieser Ort ein Friedhof – ein sogenannter Aître, ein Pestfriedhof, angelegt während der verheerenden Schwarzen Pest im 14. Jahrhundert. Über 30.000 Tote wurden hier beigesetzt. Später errichtete man die umgebenden Gebäude, um Platz für eine Schule zu schaffen, doch die Knochen blieben unter dem Hof. Und wer heute genau hinschaut, entdeckt an den Balken noch geschnitzte Totenköpfe, Knochenbündel, Schädel mit gekreuzten Tibiae – eine symbolische Mahnung an die Vergänglichkeit, eingefroren in Eichenholz.
Margriet und ich betraten den Hof und trennten uns beinahe automatisch. Sie schlenderte nach links, ich nach rechts. Jeder schien diesem Ort seine eigene Stille ablauschen zu wollen. Ich blieb an den kunstvoll geschnitzten Balken stehen – die Details der Figuren, die aus dem Holz hervortreten, waren beinahe unheimlich lebendig.
Begegnung mit der mumifizierten Katze:
In einem kleinen verglasten Schaukasten, gut versteckt in einem der Räume, stieß ich schließlich auf sie – die mumifizierte Katze. Man hatte sie vor Jahrhunderten in der Wand eingemauert, vermutlich als eine Art Schutzzauber gegen böse Geister oder die Pest selbst. Sie lag dort zusammengerollt, die Pfoten fest an den Körper gezogen, das Maul zu einem stummen Schrei geöffnet. Verstörend – und gleichzeitig berührend, fast wie ein Gruß aus einer anderen Zeit.
In diesem Moment hörte ich Margriets leises „Ah!“ hinter mir. Auch sie hatte sie entdeckt. Wir standen da, schweigend, wie verabredet – vereint im Staunen.
„Stell dir vor, man dachte, das würde helfen…“, flüsterte sie.
Ich nickte. „Und jetzt liegt sie hier, zwischen Touristenhandys und Geschichte.“
Ein letzter Blick, ein leiser Moment des Respekts – dann gingen wir weiter. Schritt für Schritt, aus dem Schatten der Vergangenheit zurück ins Licht der kleinen Gasse. Und doch war der Aître Saint-Maclou einer dieser Orte, die man mitnimmt – in Gedanken, im Herzen, vielleicht sogar im Schlaf.Read more