• Gros Horloge - letzter Glockenschlag

    July 15 in France ⋅ ☁️ 23 °C

    Wir freuten uns nun auf den letzten Programmpunkt dieses dichten, sonnendurchtränkten Tages: die Gros Horloge, das Herz der Stadt, das seit Jahrhunderten über die Rue du Gros-Horloge wacht. Durch unser spätes Mittagessen im ehrwürdigen „La Couronne“ waren wir knapp dran – wie so oft an diesem Tag. Doch wir hatten Glück: wir waren die allerletzten Besucher, die man noch durch das alte Tor ließ. Fast ehrfürchtig schritten wir hinein – nur wir zwei und dieser Turm, der Geschichten flüstert, wenn man still genug ist, sie zu hören.

    Die Wendeltreppe schraubte sich eng und knarzend empor, und mit jedem Schritt wurde der Blick weiter, die Geschichte greifbarer. Auf jeder Etage blätterte sich eine neue Seite der Uhrmacherkunst auf: frühe Uhrwerke mit schweren Gewichten, kunstvoll verzahnt, tickend in der Stille. Werkzeuge, Zeichnungen, Alltagsgegenstände – wir sahen, wie über Jahrhunderte hinweg aus mechanischem Können fast etwas Spirituelles wurde. Diese Uhr war nicht nur Technik, sie war Taktgeberin des Lebens.

    Wir erfuhren, dass die Aufsicht über das Uhrwerk lange Zeit einem Uhrmacher oblag, der in einer kleinen Kammer im Turm wohnte. Er musste die Uhr täglich aufziehen, kontrollieren, dass sie schlug – und wehe, er vergaß es: dann zahlte er Strafe, in barer Münze. Margriet lachte bei der Vorstellung, wie ein verschlafener Uhrmacher über die Dächern von Rouen mit zerzausten Haaren aus dem Bett sprang, weil die Uhr nicht geläutet hatte.
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