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  • Day 18

    Negreira - Santa Mariña (ca. 21 km)

    September 23, 2022 in Spain ⋅ ⛅ 20 °C

    - Take it easy. -

    Heute morgen rennt fast jeder an mir vorbei. Und ich bin auch mal wieder alles andere als langsam unterwegs. Eine Italienerin, die heute noch 42 km Wegstrecke vor sich hat (der ich heute noch drei weitere Male begegne) und ich übersehen im halbdunkeln unseren Wegweiser. Das bedeutete für uns, dass wir den Hügel, den wir gerade runter gelaufen waren, wieder hoch laufen durften. Eigentlich geht’s beim Laufen auf dem Jakobsweg nicht um Zeitdruck und Stress, dennoch wirken einige nicht unbedingt entspannt. Ich lasse mich auch erst einmal unbewusst unter Druck setzen und übe heute wieder, mich nicht davon anstecken zu lassen.
    Zeit, Druck, Stress, Wünsche, Hoffnung, der richtige Moment - ich dachte heute noch einmal an den 87-jährigen Joseph. Er hat sein Leben lang darauf gewartet, in Santiago zu sein und der richtige Moment war bei ihm wohl in hohem Alter. Ich überlege, wie geduldig er gewesen sein muss, um sagen zu können, dass er sein Lebensziel erreicht hat. Eigentlich ist er ein Vorbild was das Warten, Langsammachen und Ungeduld aushalten angeht - bewundernswert. Gleichzeitig zeigt es auch, dass es sich lohnt, an seinen Träumen und Wünschen festzuhalten, sie zu verfolgen und dabei vor allem auch an sich selbst zu glauben - dazu gehört viel und meistens trauen andere einem selbst so viel mehr zu als man sich selbst.

    Lektion 15: Denkzettel für mich.
    Du musst…
    … Sicherheit aufgeben, um in Neuem Halt finden zu können.
    … mutig sein, um dich selbst besser kennen zu lernen.
    … an dich glauben, um so viele deiner Begabungen wie möglich ausleben zu können.
    … dir zutrauen, Neues auszuprobieren, um dann entscheiden zu können, wie es weiter gehen soll.
    … an dich glauben, weil du stark bist.
    … dir selbst zeigen wollen, wer du sein kannst, wenn du es willst.

    - Don’t stop until you are proud. -

    Zur Route:
    Negreira - Piaxe (A Pena) - Vilaserío - Santa Mariña

    Heute führte der Weg an meist wenig befahrenen Straßen entlang durch Wälder, Feld, ländliches Gebiet und vorbei an Gärten. Der Himmel war lange grau, es war etwas windig und trüb bis sich die Sonne nachmittags doch noch für uns entscheidet. Höhenmeter zählte ich heute lieber nicht. Meine eigentlich langsam verheilenden Blasen haben heute keine Chance weiter zu heilen, beim Abwärtslaufen tut mein rechtes Knie wieder weh und meine Arillisverse macht sich auch bemerkbar. Dafür schwillt mein Knöchel langsam wieder ab (warum auch immer er angeschwollen war, das Problem hatten andere aber auch). Während mir auf meinem Weg nach Santiago das Ziel gar nicht mehr so wichtig war und stattdessen der Weg zählte, musste ich heute ständig daran denken, dass ich in 50 km, also in drei Tagen, wieder am Meer stehen werde. Dann schließt sich ein Kreis, ich bin am Meer losgelaufen und mein Weg wird bei Kilometer 0,00 am Meer enden. Den gesamten Nachmittag war ich müde, warum keine Ahnung. Heute genoss ich es wieder richtig alleine unterwegs zu sein. In meinem Tempo lief ich, blieb stehen wann ich wollte, um mir die wundervollen Aussichten anzusehen, die sich mir boten. Die Strecke zog sich gefühlt heute dennoch gewaltig in die Länge, obwohl sie abwechslungsreich und schön war. Irgendwann kam mir heute der Gedanke, dass ich seit fast drei Wochen weder Laptop noch Waschmaschine genutzt habe. Dafür schaute ich seit zweieinhalb Wochen das erste Mal auf meinem Weg für zwei Sekunden auf den Wetterbericht. Ich merkte dann, dass es mir irgendwie nichts bringt und dass mir nichts anderes übrig bleiben wird, als zu nehme was kommt, also lasse ich alles auf mich zukommen. In meiner Herberge lernte ich Antonia kennen, richtig spannend, sie studiert Sonderpädagogik und unter anderem das Fach evangelische Religion. Wir haben den gleichen Etappen- und Zeitplan. Das bedeutet, dass wir uns in den nächsten Tagen wortwörtlich noch öfter über den Weg laufen werden. Am Abend saß ich beim Abendessen mit einem Tschechen und drei Rentnern aus Deutschland zusammen. Wir genossen das wirklich sehr leckere Pilgermenü mit typisch galicischer Suppe zur Vorspeise bei ein paar Flaschen Rotwein. Eigentlich mag ich Rotwein ja gar nicht so aber der war wirklich sehr lecker. Ich bemerkte mal wieder wie gerne ich auf dem Camiño Zeit mit älteren Menschen verbringe. Es ist interessant, Erlebnisse aus ihrem Leben erzählt zu bekommen und ich bin auch einfach wieder zu neugierig - Menschen sind auch einfach spannend. Irgendwann ging ich schlafen. Heute sah ich das erste Mal eine Familie mit ihrer kleinen Tochter auf dem Jakobsweg. Die Tochter wirkte richtig glücklich. Total süß, im großen Schlafsaal kuschelte sie sich oben im Hochbett zu ihrem Papa, dass sie nicht so alleine ist. Dabei strahlte sie so sehr, dass ich selbst auch lächeln muss. Alles scheint gerade so friedlich (bis der erste anfängt zu schnarchen).
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