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  • Day 23

    Last day in Santiago de Compostela

    September 28, 2022 in Spain ⋅ ☁️ 18 °C

    - Meine Gedanken, die Weggefährten. -

    Mir sind auf dem Weg wieder ein paar Zeilen eines Poetrys eingefallen, die ich bereits vor längerer Zeit aufgeschrieben habe. Irgendwie fassen sie meine Eindrücke und Gedanken der Reise ganz gut zusammen:

    Von Kioskwägen und Hamsterrädern
    Leere Straßen, wieder eine kalte, dunkle Nacht. Um uns herum himmelhohe, uns erdrückende Gebäude und wir stehen unten - verstummt.
    Wie ein Hamster im Rad, der keine Zeit für den Blick in eine andere Richtung hat, kommen Gedanken ins Rollen obwohl wir eben noch dachten dem Alltag zu entkommen.
    Nach dem uns heute wieder so viele Eindrücke erreichten, wir Entscheidungen fällten und uns Sinnfragen stellten, fragen wir nun konkret danach, was dein, nein was mein Leben wirklich erhellt.
    Weiter ziehen wir durch die dunklen Straßen, landen vor einem hellerleuchteten Kioskwagen, der den heutigen Tag perfekt darstellt.
    Viel zu viele Angebote die uns scheinbar drohend gegenüber stehen, wir wagen gar keines auszuschlagen, wir könnten ja was verpassen, dann am Rande stehen und gar nicht mehr mitreden.
    Also - entscheiden wir uns für ein Leben, vollgestopft vom Alles nehmen und Alles geben bis wir irgendwann bemerken, dass wir so nicht weiter machen wollen.
    Was mein Leben wirklich erhellt? Das sind die einzelnen Lichter im Hintergrund, die es wieder wahrzunehmen gilt.

    - Alles hat seine Zeit. -

    Zum Tag:

    Um 7:30 Uhr machte ich mich im Nieselregen auf den Weg, um um 8 Uhr in der Igrexa de San Fiz de Solovio, der wahrscheinlich ältesten Kirche Santiagos, die deutsche Pilgermesse mitzufeiern. Wir waren zu acht im Altarraum und die Feier war ziemlich familiär. Der Lesungstext, Kohelet 3, war mehr als passend.

    „Alles hat seine Stunde. Für jedes Geschehen unter dem Himmel gibt es eine bestimmte Zeit: eine Zeit zum Gebären / und eine Zeit zum Sterben, / eine Zeit zum Pflanzen / und eine Zeit zum Ausreißen der Pflanzen, eine Zeit zum Töten / und eine Zeit zum Heilen, / eine Zeit zum Niederreißen / und eine Zeit zum Bauen, eine Zeit zum Weinen / und eine Zeit zum Lachen, / eine Zeit für die Klage / und eine Zeit für den Tanz; eine Zeit zum Steinewerfen / und eine Zeit zum Steinesammeln, / eine Zeit zum Umarmen / und eine Zeit, die Umarmung zu lösen, eine Zeit zum Suchen / und eine Zeit zum Verlieren, / eine Zeit zum Behalten / und eine Zeit zum Wegwerfen, eine Zeit zum Zerreißen/ und eine Zeit zum Zusammennähen, / eine Zeit zum Schweigen / und eine Zeit zum Reden, eine Zeit zum Lieben / und eine Zeit zum Hassen, / eine Zeit für den Krieg / und eine Zeit für den Frieden.
    Wenn jemand etwas tut - welchen Vorteil hat er davon, dass er sich anstrengt?
    Ich sah mir das Geschäft an, für das jeder Mensch durch Gottes Auftrag sich abmüht.
    Das alles hat er schön gemacht zu seiner Zeit. Überdies hat er die Ewigkeit in ihr Herz hineingelegt, doch ohne dass der Mensch das Tun, das Gott getan hat, von seinem Anfang bis zu seinem Ende wiederfinden könnte.
    Ich hatte erkannt: Es gibt kein in allem Tun gründendes Glück, es sei denn, ein jeder freut sich und so verschafft er sich Glück, während er noch lebt, wobei zugleich immer, wenn ein Mensch isst und trinkt und durch seinen ganzen Besitz das Glück kennenlernt, das ein Geschenk Gottes ist. Jetzt erkannte ich: Alles, was Gott tut, geschieht in Ewigkeit. Man kann nichts hinzufügen und nichts abschneiden und Gott hat bewirkt, dass die Menschen ihn fürchten. Was auch immer geschehen ist, war schon vorher da, und was geschehen soll, ist schon geschehen und Gott wird das Verjagte wieder suchen.“

    Nach dem Gottesdienst ging ich mit Hannah, die auch im Gottesdienst war, frühstücken und wir bummelten durch die Straßen. Mittags ging ich mein letztes Pilgermenü essen. Dort traf ich später auch Nina wieder, die ich vor zwei Tagen in der Herberge in Finisterre kennengelernt hatte. Während sie sich auf ihren Weg machte, nutzte ich die Zeit, in der es heute ausnahmsweise mal nicht regnete und setzte mich noch ein letztes Mal auf den Kathedralplatz. Ich redete mit ein paar Italienern und Argentiniern, die den Küstenweg ab Porto in neun Tagen gelaufen sind, da sie nicht mehr Zeit hatten. Nach dem ich ein paar Fotos von ihnen gemacht hatte, fragten sie mich, ob ich Lust habe, etwas mit ihnen trinken zu gehen. Aber ich lehnte ab, irgendwie brauchte ich gerade nochmal etwas Ruhe. Als mir kalt wurde, suchte ich das nächste Café. In dem saß ich so lange, bis die Führung durch die Kathedrale von der deutschen Pilgerseelsorge begann - da traf ich dann auch Toni und Hannah wieder.
    Achso, und da ich ja heute solange Zeit hatte, dachte ich, ich schaue mal nach, wie lange die Autofahrt von Porto nach Santiago und nach Finisterre dauert. Für den Weg, für den ich mir 19 Tage zu Fuß Zeit nahm, brauchen Autofahrer wohl bis zu 4h 15min.
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