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  • Day 25

    Regen in Kyoto

    April 10, 2019 in Japan ⋅ 🌧 7 °C

    Leider täuscht sich der Wetterbericht nie, wenn man es brauchen kann: wie angekündigt wachen wir zu strömendem Regen auf. So lassen wir es beim Frühstück ruhig angehen und lassen uns unseren italienischen Kaffee schmecken, denn in unserem Hotel haben wir die Wahl zwischen japanischem und westlichem Frühstück, welches im hoteleigenen, italienischen Restaurant serviert wird und für welches wir uns entschieden haben.
    Da der Regen leider noch nicht nachgelassen hat, entscheiden wir uns als ersten Sightseeing Programmpunkt für den Nishiki-Markt, die mitten in der Innenstadt seit über 400 Jahre bestehende Markthalle mit mehr als 130 Ständen und Shops mit allen möglichen lokalen Spezialitäten. Praktischerweise ist dieser nur wenige Minuten zu Fuß von unserem Hotel entfernt, sodass wir einigermaßen trocken dort ankommen. Natürlich sind wir nicht die einzigen, die bei diesem Wetter hier her wollten und so schieben sich die Menschenmengen durch die eine schmale Gasser. Der Markt besteht nämlich im Grunde aus einer überdachten Straße. Tatsächlich gibt es hier alles, was man sich vorstellen kann: jede Menge frischen Fisch, Gewürze, Tee, aber auch Keramik, Essstäbchen, Textilien. Und das beste ist, dass man an vielen Ständen die Möglichkeit hat, die Spezialitäten kostenlos zu probieren. Das lassen wir uns natürlich nicht entgehen, auch wenn wir gerade erst gefrühstückt haben. So probieren wir z.B. Takoyaki, einen beliebten Snack in Japan. Wir kommen auch gerade zur rechten Zeit und können beobachten, wie der Koch neue Oktopusbällchen, das ist nämlich Takoyaki, zubereitet: in eine etwa pflaumengroße Teigkugel wird ein Stückchen Oktopusarm eingelassen. Zum Garen benutzt man ein spezielles Brateisen mit runden Vertiefungen, ähnlich einem einseitigen Waffeleisen. Das Wenden erfordert ein wenig Geschick, um eine ansprechend runde Form zu erhalten. Die Bällchen werden dann je nach Geschmack mit Sauce und wahlweise Mayonnaise garniert. Auf die Sauce kommt dann noch Aonori (getrockneter Seetang) und Katsuobushi (in hauchdünne Flocken geraspelter getrockneter Bonito-Fisch). Sehr lecker.
    Außerdem lassen wir uns einen Oktopus am Spieß schmecken, in dessen Kopf ein Ei steckt. Auch nicht schlecht. Am Ende der Einkaufsstraße sind wir ziemlich durchgefroren und kehren erstmal im nächsten Starbucks auf einen Kaffee zum Aufwärmen ein. Mittlerweile hat der Regen auch nachgelassen und wir überlegen beim Kaffee mit welchem Programmpunkt wir nun weitermachen. Wir entscheiden uns für einen Spaziergang durch das Gion Viertel, den alten Geisha-Distrikt, welches nicht weit von uns entfernt liegt. Hier scheint tatsächlich die Zeit etwas stehen geblieben, vor allem in der Shirakawa Minami Street, die sehr idyllisch an einem kleinen Fluss mit vielen Kirschbäumen liegt. Aufgrund des wenig attraktiven Wetters ist hier auch nicht besonders viel los und wir können alles in Ruhe auf uns wirken lassen. Wir schlendern durch die kleinen Gassen, die gesäumt sind von Machiyas, den typischen zweistöckigen Stadthäusern Kyotos aus Holz.
    Von Gion aus machen wir uns auf den Weg zum Kiyomizudera-Tempel. Da Kyoto mit seinen 1,5 Mio. Einwohnern sehr viel kleiner ist als Tokio, kann man mit etwas Zeit viel zu Fuß erledigen. Zudem ist die Stadt schachbrettartig aufgebaut, sodass die Orientierung sehr leicht fällt. der Kamo-Fluss teilt die Stadt in West und Ost, die Gojo Avenue, die Hauptverkehrsstraße, in Nord und Süd. Wir laufen also los und kommen auf dem Weg zufällig noch an der Chion-In Tempenlage vorbei. Da es die ausgedehnteste Tempelanlage Japans ist, entscheiden wir uns nur für einen Blick auf das Haupttor und laufen dann weiter. Zudem bietet Kyoto allein 13 buddhistische Tempel und drei shintoistische Schreine sowie die Shogun-Burg, die allesamt als UNESCO-Welterbestätten ausgezeichnet sind, und darüber hinaus eine schier unermessliche Zahl an weiteren Tempeln und Schreinen. Man muss sich also ein bisschen disziplinieren, wenn man so wenig Zeit hat wie wir...
    Der Regen hat nun fast aufgehört und wir können den Weg genießen. Kyoto ist wirklich komplett anders als Tokio, viele kleine Gassen, hauptsächlich zweistöckige Häuser und - sicherlich auch aufgrund des schlechten Wetters - deutlich weniger Trubel. Wobei dieser deutlich zunimmt umso näher wir dem Kiyomizudera-Tempel kommen. Wie zufällig befinden wir uns plötzlich in den sogenannten Teekannenwege, die hoch zur Tempelanlage führen. Hier ist es dann vorbei mit der Ruhe, die engen Gassen sind gut gefüllt mit Touristen, rechts und links werden sowohl jede Menge Touristen-Kitsch als auch viele Töpferwaren angeboten, laut unserem Reiseführer die besten Kyotos. Dem geneigten Traumschiff-Fan (als mir) sind diese Gassen aus der letzten Folge an Weihnachten bekannt und ich bin ein bisschen aufgeregt :)...
    Die eigentliche Tempelanlage hätten wir fast übersehen, denn die Haupthalle wird leider gerade restauriert und ist daher komplett eingehaust. So bleibt uns der Blick auf die von hunderten Säulen getragene Holzterrasse, eines der Wahrzeichen Japans, leider verwehrt. Auch die laut unserem Reiseführer "schönste Aussicht auf Kyoto" leidet etwas - sowohl unter den Baumaßnahmen als auch unter dem trüben Wetter - schön ist sie aber trotzdem. Wir schlendern noch eine ganze Weile durch die weitläufigen Anlagen bevor Kälte und Hunger siegen und wir uns auf Restaurantsuche begeben - es ist endlich mal wieder Zeit für Ramen! Wir stoßen auf einen winzigen Laden, der nur Ramen und einige Kleinigkeiten auf der Karte hat. Außer uns sitzen ausschließlich Arbeiter im Laden, denn Ramen sind eigentlich ein klassisches Arbeiteressen. Und sie schmecken fantastisch!
    Aufgewärmt und gestärkt machen wir uns auf den Weg zum Philosophenweg, Kyotos erster Adresse während der Kirschblüte. Es ist zwar mittlerweile schon nach 17h, d.h. in ca. einer Stunde wird es dunkel sein, aber laut Internet soll der Weg und die Bäume beleuchtet und abends deutlich los sein als tagsüber. Auf dem Weg dorthin liegt noch der alte Kaiserpalast (Gosho), von 1331 bis zum Umzug des Kaisers nach Tokio 1868 seine offizielle Residenz. Wir beschließen also etwas früher auszusteigen und noch einen Abstecher dorthin zu machen. Wie schon in unserem Reiseführer angedeutet, ist der Palast allerdings quasi gar nicht zugänglich. Er liegt zwar einem schönen, großzügigen Park, der Palast selbst ist jedoch von hohen Mauern umgeben und weder zu sehen geschweige denn zu begehen. Aber gerade aus diesem Grund, weil er so schwer zugänglich ist, ist er für die Japaner etwas Besonderes. Nirgends sonst in Kyoto wird bis heute so viel Wert auf höfische Form gelegt wie hier. So ist das Südtor nach wie vor dem Tenno (Kaiser) vorbehalten, das Osttor der Kaiserin und ihrer Mutter. Bei Staatsgästen legt das Protokoll jeden Fall individuell fest: Präsidenten gehen gemeinsam mit dem Tenno. Bei weiblichen Staatsgästen zieht man sich am liebsten so aus der Affäre, dass sie im Wagen durch das Besuchertor am Westen gefahren werden.
    Wir laufen also an den Mauern vorbei und irgendwann auch wieder aus dem weitläufigen Park hinaus. Wir stellen fest, von hier ist es doch noch deutlich weiter zum Philosophenweg als ursprünglich gedacht, daher beschließen wir noch ein paar Stationen mit dem Bus zu fahren. Dies ist das erste Mal, dass wir in Japan Bus innerhalb der Stadt fahren (in Rustusu sind wir nur einmal mit dem Überlandbus nach Toya gefahren), wir sind also etwas gespannt, wie das funktioniert. Wir lernen, man steigt nicht vorne beim Fahrer ein, sondern in der Mitte. Bezahlt wird dann beim Aussteigen und das vorne beim Fahrer (daher steigt man dort auch nicht ein). Der Preis ist immer gleich (230 Yen), egal wie weit man fährt. Bezahlen können wir auch mit unserem Pasmo, der praktischerweise auch in Kyoto gilt. Von der Bushaltestelle laufen wir noch ca. 10 Minuten bis zum Philosophenweg. Das Internet hatte in sofern recht, dass hier abends weniger los ist - wir sind die einzigen. Dies mag aber auch daran liegen, dass sich das Internet in einem anderen Punkt geirrt hat: weder der Weg noch die Bäume sind beleuchtet... Wir können die herrlich blühenden Kirschbäume zwar gerade noch so erkennen, aber so richtig prickelnd ist es nicht. Nach kurzer Zeit beschließen wir daher, die nächste Bushaltestelle anzusteuern und lieber morgen noch einmal im Hellen wiederzukommen.
    Wir finden einen Bus, der direkt bis zur Kyoto Station durchfährt, die Fahrt dauert ca. 30 Minuten. Leider sind die Scheiben des Busses aufgrund der feuchten Witterung ziemlich beschlagen, sodass wir nicht ganz so viel sehen können, aber ein bisschen was von der Stadt können wir noch erkennen. An der Kyoto Station angekommen erwerben wir noch unsere Bahntickets für morgen, da wir von Kyoto noch 1,5 Std. zum Flughafen nach Osaka fahren müssen. Ziemlich erschöpft und doch recht durchgefroren kommen wir gegen 21h wieder im Hotel an und fallen ins Bett. Hoffentlich beschert uns Petrus morgen noch einmal besseres Wetter für unseren letzten Tag in Japan.
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