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  • Day 10

    Potosi, Stadt des Silbers

    January 3 in Bolivia ⋅ ☁️ 14 °C

    Heute lassen wir unser Auto stehen und lassen uns von Taxifahrer Edy die 15km bis ins Stadtzentrum von Potosí bringen. Dort haben wir eine Verabredung mit Oscar vom Tour-Anbieter CH'ASKITA, der uns mit einer aus Brasilianern, Argentinern, einem Iren und uns bestehenden Gruppe ins Innere des Cerro Rico bringen soll.
    Nachdem wir uns mit Gummi (Jacke, Hose Stiefel) und Helm ausgestattet haben, fahren wir hinauf zum Mercado de los Mineros. Auf diesem Markt decken sich die Minenarbeiter mit Dynamit, Kokablättern (und Pflanzenasche, um die Aufnahme der Wirkstoffe zu verstärken), Alkohol (96%!) und Zigaretten ein, die sie dann mit zur Arbeit nehmen. Bevor sie in den Berg steigen ("Einfahren" gibt es nicht, aber dazu später), nehmen sie diese Mischung zu sich, um die harten Arbeitsschichten zu überstehen (in denen sie nicht zu essen oder zu trinken haben werden). Auch wir kaufen diese Dinge ein, aber dazu später.
    Auf einem Aussichtspunkt am Cerro Pequeño, der neben dem Cerro Rico liegt und von dem man einen tollen Blick auf die Stadt hat, erklärt uns Oscar die Geschichte und Bedeutung Potosís. Es ist mir nicht alles unbekannt, aber viele Einzelheiten eben doch - dass die Indigenas, die vor den Inkas im Raum des späteren Potosís bevölkert haben, schon das Silber für sich genutzt haben, ohne sich dessen Wertes bewusst zu sein; dass die Inka diese Indigenas dann versklavt haben, um sich des Silbers zu bemächtigen; dass die Spanier dann dasselbe getan haben und auch noch die afrikanischen Sklaven hinzugeholt haben, um genügend Arbeitskräfte zur Verfügung zu haben etc. Und dass die Bedeutung Potosís im 17. Jahrhundert auf einer Stufe mit Städten wie Paris und London war. Und immer mit dem Cerro Rico im Hintergrund, Fluch und Segen der Stadt ...
    Danach fahren wir an den Cerro Rico an einen der Einstiegsschächte, die in diesen Berg führen (und der auch heute noch von den Bergarbeitern genutzt wird). Das ist eine Welt, die wir uns nicht vorstellen können. Das hat nichts mit dem Bergbau zu tun, den wir aus Mitteleuropa kennen. Nichts ist motorisiert, die Loren werden von Hand geschoben, es wird mit Hammer und Meißel und Dynamit gearbeitet, man steigt zu Fuß Hunderte Meter in den Berg hinab ... Außer dass man heute einen Helm mit Lampe auf dem Kopf hat, hat sich zum 17. Jahrhundert wohl nicht so viel geändert.
    Wir steigen in den Berg ein, zunächst ist es noch kühl und zugig, aber schon im ersten Seitentrakt wird die Luft stickig und unangenehm, man mag sich nicht vorstellen, wie es hunderte Meter weiter unten sein mag. Überall Enge, Dunkelheit, Feuchtigkeit. Und dabei machen wir noch nicht einmal die ganz abenteuerliche Tour, auf der man durch engste Schächte kriecht (diese Optionen gibt es auch, da haben wir uns aber gegen entschieden) und auch noch gegen die Platzangst würde ankämpfen müssen ...
    Wir sehen Arbeiter beim Lorenziehen, Silberadern, die sich durch den Berg ziehen und den Mineros zeigen, wo sie langarbeiten müssen, Löcher, durch die man in den Berg hinabsteigt, und schließlich auch "El Tío", die Gottheit der Bergarbeiter, der sie als Opfergaben genau die Dinge darbringen, die wir zuvor auf dem Mercado gesehen und mit denen wir uns eingedeckt haben.
    Das waren faszinierende 4 Stunden, die einen mal wieder tief in die Ungerechtigkeit der Welt haben eintauchen lassen. Dass hier Kinder ab 15 Jahren arbeiten müssen, die kaum eine andere Wahl haben, um sich und ihre Familien über Wasser halten zu können; dass die Menschen eine durchschnittliche Lebensdauer von unter 50 Jahren haben; dass Politik und Kooperativen sich die Gewinne zuschustern, ohne dass ihnen die Arbeiter besonders am Herzen lägen. Vom Einfluss der europäischen Kolonisatoren ganz zu schweigen.
    Im Anschluss an diese Führung geht es zur Casa de la Moneda, in der wir nun sehen, was die Spanier (und später der bolivianische Staat) mit dem gewonnenen Silber angefangen haben. Wie wurden Münzen geprägt, wie wurde der Reichtum verwaltet, wie hart wurde auch hier von Mensch und Tier gearbeitet ...
    Ganz spannend ist hier das Bild eines unbekannten Künstlers des andinen Barocks, der Maria und den Silberberg ein einziges Ganzes darstellt, d.h. die christliche Mutter Gottes wird mit Bodenschätzen, dem Inneren der Erde, in Verbindung gebracht. Wie oben beschrieben wird bis heute im Berg auch die Berg-Gottheit Tío verehrt und gleichzeitig der Pachamama Cocablätter auf dem Boden geopfert. Im Bild wird Maria = Berg von der Dreifaltigkeit gekrönt; zu ihren Füßen befinden sich Papst Paul III., ein Kardinal und ein Priester. Ihnen gegenüber stehen Karl V. und ein Kazike. Zwischen ihnen befindet sich die Weltkugel. Am Fuße des Berges ist der Inka Maita Capac abgebildet. Sonne und Mond befinden sich links und rechts der Bergjungfrau und implizieren den Aspekt der Krönung aus inkaischer Sicht. (zitiert aus: https://www.lai.fu-berlin.de/forschung/lehrfors…; ein weiterer interessanter Artikel hier: https://taz.de/!374013/.)
    Zum Abschluss streifen wir noch ein wenig durch die wirklich hübsche Altstadt Potosí, die wenig vom dem unterwelthaften Chaos der Unterstadt hat, um uns dann von Edy zurück ins idyllische Cayara bringen zu lassen (welch Kontrast!) und den Tag ausklingen zu lassen. Dieser war wirklich ein Erlebnis!
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