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  • Day 23

    E21 : Bjelovar - Nijemci

    September 16, 2020 in Croatia ⋅ ☁️ 23 °C

    Trink genug Wein, hat er gesagt. Das ist gesund, hat er gesagt.

    Der Tag nach der Casa Vinia begann ziemlich schlaff. Es ist schon eine Weile her, dass ich eine solche Menge Alkohol zu mir nahm. Ich fühle mich das erste Mal seit meiner Reise erschöpft und schwach wie Flasche leer.
    Aber rumjammern hilft hier überhaupt nichts. Ich hatte zwei Optionen. Entweder ich reisse mich zusammen, oder ich bleibe
    einen weiteren Tag in der Casa Vinia, betrinke mich erneut mit dem Gastgeber und am nächsten Tag geht es mir noch schlechter. Dafür gibts aber noch Wein....... hmmm eine schwierige Wahl.

    Trotz der liquiden Vorteile habe ich mich gegen einen weiteren Tag entschieden und fuhr Richtung Virovitica los.
    Der Weg, welcher mich auf Nebenstrassen durch kleine Dörfer führte, war abwechslungsreich und unterhaltsam. Heute war gefühlt das ganze Land mit Gartenarbeit beschäftigt. Das heisst, dass die Frauen den Vorplatz wischen, Blumen und Gardinen tränken und sogar Holz spalten, während der Mann sich den ganzen Tag mit einem Bier und einem Rasentrimmer die Zeit vertreibt.
    Auch die Rasenflächen zwischen Strasse und Radweg wird getrimmt. Dazu braucht der kroatische Mann jedoch kein Trimmer, sondern ein umfunktioniertes Mähwerk am Traktor. Mehrmals konnte ich hautnah den umherfliegenden Steinen ausweichen und schlussendlich auch beobachten, wie ein Auto von einem Stein getroffen wurde. Nachdem der Lenker ausgestiegen war, ging der Zirkus auch schon los.
    Man konnte sich in den Schatten setzen und zusehen, wie sich die beiden mindestens 5min anschriehen und wild mit den Händen rumfuchtelten. Das schöne an der Situation war jedoch, dass auch nach jeder Auseinandersetzung irgendwann der Zeitpunkt kam, an welchem beide involvierten Personen nichts mehr zu sagen wussten, sie sich schlussendlich umarmten und beide ihre Wege gingen.
    In Virovitica angekommen, navigierte mich das Navi direkt zur Gastfamilie, wo ich mich heute ausruhen könnte. Das Haus schien jedoch schon länger verlassen und war total verwittert. Der Service stand also scheinbar nicht mehr zu Verfügung und ich musste eine Alternative auftreiben. Nachdem ich mich dann in die nächstgelegene Bar mit WiFi begab, wies mich auch schon ein Schild darauf hin, dass die Bar welche den liebevollen Namen "WESTERN Lucky Luke" trug, auch Zimmer vermieten würde. Ich bezahlte also die 150 Kunas (umgerechnet ca. CHF 20.00) und betrat mein Zimmer.
    Naja für 20 Stutz kann man ja wirklich nicht viel erwarten, jedoch könnte das Zimmer in jedem Horrorfilm locker als Filmset dienen. Ich untersuchte kurz das Bett und entschied mich nach weniger als 10 Sekunden für den Schlafsack auf dem Boden. Wenigstens funktionierte die Dusche, wenn auch das meiste Wasser, neben der Duschwanne auftrat. Da ich über keine Küche verfügte, wollte ich dem Bar-Essen eine Chance geben. Die Bardame sowie die Speisekarte existierten lediglich in kroatischer Ausführung, darum musste ich mein altes Baustellen-Kroatisch hervorholen. Dementsprechend verwirrend war auch das Essen. Ein frittiertes Brot, 8 gegrillte Würstchen und eine kleine Schale Ayvar. Ich gönnte mir anschliessend ein Schluck von meinem Flachmann und desinfizierte meinen Magen erstmals mit Entlebucher Schnapps (Verena, der Schnapps ist jetzt aus. Bitte um Nachschub!)
    Am nächsten Tag gings weiter Richtung Osten bis zum Stättchen Orahovitica. Leider gab es dazwischen keinerlei Radwege sondern lediglich Tempo 80 Hauptstrassen zu bestaunen. Ebenfalls bewundernswert waren die Lastwagenfahrer, welche auch in Kurven ohne Probleme ein Überholmanöver starten können und mich ab und an in eine etwas missliche Lage brachte. Naja wenigstens hatte ich so wieder Gelegenheit, meine Mittelfinger so richtig zu strecken und dehnen. Etwas Gutes hatte die Hauptstrasse aber an sich. Das Reiseziel war sehr früh erreicht.

    Kurz vor Orahovitica wies mich dann ein Schild auf ein nahgelegener Campingplatz hin. Da mein Apartment in dieser "Stadt" sowieso eine eher schlechtere Bewertung hatte und das Wetter sowieso gut war, entschied ich mich für die Campingvariante. Der Platz entpuppte sich dann als ein künstlichen See, welcher als Badeort mit Sportplatz inkl. Jogging-Strecke ausgebaut wurde.
    Nach der extrem kalten Dusche und meinem frisch zubereiteten Essen wurde ich sogar noch mit Musik beschallt. Eine kleine Bar, welche am anderen Ufer des Sees lag, öffnete seine Tore. Leider war dies nur zum Zwecke einer Geburtstagsfeier und darum auch nicht für Aussenstehende zugänglich. Jedenfalls nicht das Bier, denn die Musik wurde von Minute zu Minute lauter und vertrieb schon früh die ersten Badegäste und Sporttreibenden.
    Da an einem Gewässer auch die eine oder andere Mücke zugange war, verkrümelte ich mich schon früh in das Zelt, welches Moskitosicher war, um etwas zu lesen. Irgendwann war dann jedoch der Zeitpunkt da, wo ich eigentlich müde war. Der kroatische Peter Reber, welcher aus den Lautsprecher ertönte, hatte da jedoch etwas dagegen. Ich hätte nie gedacht, dass ich innert 4h von wilder kroatischer Musik an meine psychischen Grenzen stosse. Schliesslich habe ich an Openairs schon mindestens 10h Cantina Band am Stück konsumiert.
    Um 24:00 Uhr ist dann aber offensichtlich auch der letzte Kroate sternhagelvoll vom Bank gekippt und die Musik mit ihm.

    Am nächsten Morgen wurde ich wie erwartet von Sonnenstrahlen und Kroaten mit Rasentrimmer geweckt. In Windeseile war das Fahrrad zusammengebaut und los gehts nach Dakovo. Hier habe ich mir ein modernes Apartment reservieren lassen. Die Stadt hat neben einem Dom viele Sehenswürdigkeiten und auch kulinarisch viel zu bieten und sei auf jeden Fall einen Besuch wert, wurde mir vom Winzer der Casa Vinia, welcher mich fast vergiftet hat, gesagt.
    Erneut muss ich mich mit Hauptstrassen zufrieden geben. Dieses Mal waren die Strassen jedoch nicht so sehr befahren und ich konnte die Fahrt auch geniessen. Nach ca. 3.5h Fahrtzeit kam ich dann in Dakovo an, wo mich auch kurze Zeit später der Eiegentümer des Apartments empfangen hat. Lachend hielt er mir seine Ghetto-Faust schon entgegen, als ich die Auffahrt bei ihm heraufgefahren kam. Nach der Fistbomb folgte dann eine kurze Umarmung und ein Kuss auf die Wange. Das war ein wenig komisch, aber naja. Das Apartment war dann aber das modernste was ich seit meiner Reise gesehen habe.
    Spiegel mit Touchscreen. Elektrisch-verstellbare Betten, klimatisierte Fussböden. Übertrieben sowas auf einem Abenteuer zu buchen, aber das Apartment war auch eher im günstigen Segment unterwegs. Eventuell wurde ja der Preise gesenkt, da es sich ca. 2km ausserhalb vom Zentrum der Stadt befand, oder der merkwürdigen Eigentümer mit seiner Frau, welche keine vordere Schneidezähne mehr hatte, meine Vorgänger mit seiner Knutscherei verärgert hat. Ich schlief dann so gut in dem grossen Bett, dass ich am nächsten Morgen nicht einmal daran dachte auf den Sattel zu springen und buchte noch einen weiteren Tag dazu. Gegen Mittag erreichte mich dann die Nachricht, dass die Ergebnisse der Wirtschaftsinformatikprüfung Zuhause im Briefkasten liegen würden. Also sofort eine Nachricht mit Aufgabe an meinen Bruder versendet und ab in den lokalen Spar um Bier und Knapperzeugs zum Feiern besorgen.
    Um ca. 18:00 Uhr erlöste mich dann Beat mit dem Anruf und dem positiven Bescheid und ich konnte endlich mein mittlerweile warmes Dosenbier geniessen. Heute Morgen bin ich nun aufgebrochen Richtung Nijemci. Dies ist ein kleines Dorf direkt neben der Grenze zu Serbien. Ich habe mir dieses "Kaff" ausgesucht, da es sich direkt zwischen zwei Grenzübergängen befindet und da ich immer noch nicht weiss, welcher Übergang für Radfahrer offen ist, hätte ich zu beiden eher einen kurzen Weg.
    Auch dieses Mal wurde ich kaum mit Fahrradwegen beschenkt. Zuerst folgte zwar eine staubige Offroadpiste welche viele Schlaglöcher hatte, anschliessend fuhr ich aber wieder auf Neben- und Hauptstrassen bis das Ortsschild Nijemci zu lesen war.
    Wie gewohnt setzte ich mich auch heute in die erste Bar, welche mir vor die Augen kam. Schnell kam ich mit Zelijko ins Gespräch, welcher der Eigentümer und bester Kunde der Bar war. Nachdem ich ihm in mehreren Anläufen erklärt habe was Raclette ist, wozu es dient, warum es geschmolzen wird und das anschliessend die Zimmer immer super duften, konnte ich auch ein paar Fragen stellen. Als ich ihn dann fragte, ob und wo ich nach Serbien reisen kann, verfiel die ganze Bar in ein lautes Gespräch und alle brüllten durcheinander. Eine riesen Diskussion und ich mitten drin. Als ich mich der Situation entziehen wollte zog mich Zelijko zurück und verkündete den anderen anwesenden Gästen scheinbar meine Absichten und zeigte auf mein Fahrrad. Erneut musste ich feststellen, wie mich eine ganze Kundschaft einer Bar auslachte und jeder wollte auch noch einmal an den Bremsen und Schalthebeln rumdrücken. Irgendwann wurde dann aber telefoniert und es kamen auch nützliche Informationen zum Vorschein.
    So sei die Einreise derzeit erlaubt, jedoch müsste man am Zoll einen Covid19-Test machen, welcher eventuell an einem Sonntag aber nicht durchgeführt werden könne. Ebenfalls sei die Situation derzeit so wechselhaft, dass sich die Lage bis am Montag wieder verändern kann. Ihr seht also, eigentlich weiss ich immer noch nichts.
    Ich übernachte heute in einem weiteren Apartment. Irgendwie möchte ich zwar mehr Campen, jedoch sind die Apartments hier so extrem günstig, dass mir der Zeltaufbau definitiv zu mühesam ist. Da es hier kaum Campingplätze gibt und eine Dusche nach der Radtour Wunder wirken kann, gönne ich mir die Apartment für CHF 10.00 solange ich kann :)

    Morgen werde ich die Grenze und somit auch die Donau ein erstes mal auskundschaften.

    Zitat Pirmin: "Kann ich hier irgendwo gesund essen?"
    Zitat Kroate: "Ja natürlich, da vorne gibt es frittierte Würstchen!"
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