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  • Day 38

    E29 : Pozarevac - Widin

    October 1, 2020 in Bulgaria ⋅ ☁️ 15 °C

    Die letzten Tage standen vor allem im Fokus von Regen, Wind, Sliwowitz, schönen Radwegen, streunenden Hunden und gutem Essen. Nun aber der Reihe nach.

    In Pozarevac startete ich mit einem guten Frühstück und Sonne, welche sich durch den bewölkten Himmel kämpften. Es wartet eine kurze Etappe von ca. 60km und 400HM, welche grösstenteils auf Hauptstrassen verlief. Wie ich schon erwähnt habe, sind die Serben sehr rücksichtsvolle Autofahrer (ich dachte nicht, dass ich sowas jemals schreiben würde) und das Fahrrad fahren macht richtig Spass. Auf dem Weg nach Golubac lagen mehrere sehr coole Locations welche sich wunderbar für ein Foto anboten. Ansonsten zeichnete sich das gleiche Bild ab wie schon so oft gesehen und ignoriert. Brachland soweit das Auge reicht. Überfahrene Tiere, Abfall neben und auf der Strasse, unvollständige oder schon wieder halb abgerissene Häuser und vertrocknete Maisfelder, da sich der serbische Bauer den Anbau von Mais leisten kann, jedoch die Ernte nicht. Mann schaut sich dauernd um, wird jedoch auch irgendwann gelangweilt vom Anblick. Die Autofahrer welche dann aber hupend auf dich zufahren, eine Vollbremsung machen und dir einen Flachmann Sliwowitz entgegenhalten haben dann die Stimmung aber mehrmals aufgeheitert. Ja, diese Situation trat wirklich mehrmals auf und mehrmals bedeutet in diesem Fall ca. alle 20km. Verdammt, dabei habe ich doch so solide gestartet und bis ca. Slowenien meinen Alkoholkonsum im "normalen" Rahmen gehalten. In Serbien ist dies schlichtweg unmöglich. Ich weiss nicht, ob die Serben so gerne Fahrradtouristen haben oder ob es doch an der serbischen Flagge lag, welche mir Aleksa an mein Fahrrad geklebt hat.
    Wie dem auch sei, um ca. 14:00Uhr bin ich dann in Golubac eingetroffen und konnte mich vor einem riesen Gewitter in Sicherheit bringen...in einem Hotel....dem schlechtesten, welches ich je gesehen habe (und ja, das Hotel in Milano, ist mir noch präsent!). Der Dauerregen will nicht aufhören und es sieht schwer danach aus, dass ich eine zweite Nacht in dieser absoluten Hölle von Hotelzimmer verbringen muss, denn ich war ja schliesslich wieder in einem Dorf, welches neben einem Alkoholladen und einem Kebapladen nur ein kleines Cafe, welches rund um die Uhr mit serbischen Anglern vollgestopft war, zu bieten hatte. Ja es hätte noch anderes gegeben, jedoch haben viele Geschäfte die Corona Krise und die fehlenden Touristen nicht überlebt und wurden daher geschlossen und in einem Fall auch schon geplündert.
    Am Dienstag wurde dann der Regen ruhiger und es gab auch vereinzelte Regenpausen. Völlig durchzaust packte ich meine sieben Sachen zusammen und rannte sprichwörtlich aus dem verlausten Hotel. Mein neues Ziel war Donji Milanovac welches wieder eine Strecke von ca. 60km und 900HM war. Ich wollte diesen Ort so schnell wie möglich verlassen und raste in Rekordzeit den wunderschönen Radweg an der Donau entlang. Immer wieder setzen heftige Regenschauer ein und zwangen mich ab und an, mich in einem der vielen kleineren Tunnels unterzustellen. Auch das Fahrrad meckerte wieder rum und es wurden wieder Reparaturen fällig. Beide grossen Bidonhalter für die 1.5l Wasserflaschen brachen fast gleichzeitig ab. Das Problem lies sich aber schnell mit einer Rolle Isolierband reparieren.

    In Donji angekommen traf ich auf 2 andere Fahrradtouristen aus Frankreich. Louis und Marc flogen mit dem Fahrrad nach Wien und fuhren nun via Ungarn und Serbien ebenfalls nach Bulgarien und wollen dort in Sofia wieder zurückreisen. Die beiden waren eher passiv unterwegs und schmuggelten sich vor ein paar Wochen auch durch Ungarn. Bei der Ausreise nach Serbien haben sie sich sogar unter einem Zaun durchgebuddelt. Als ich Ihnen dann gesagt habe, dass ich bisher alle Zollübergänge mehr oder weniger easy meistern konnten, fingen die beiden an ein wenig zu streiten und ich hörte Marc mehrmals "merde" sagen und lachen.
    Anschliessend zogen die beiden dann weiter. Da sie mit Gravelbikes ausgestattet waren und sehr leicht reisten, konnten sie natürlich länger und schneller reisen. Deshalb hängten die beiden noch ein paar Kilometer an. Ich übernachtete nun im bisher ersten Radwegapartment. Diese meist spartanisch aber zweckmässig eingerichteten kleinen Zimmer verfügen über alles, was das Bikerherz begehrt. Eine Waschmaschine inkl. Tumbler, eine kleine Gemeinschaftsküche, eine ausgerüstete Werkstatt und natürlich ein warmes und sauberes Bett mit Strom. Der Betreiber war nur kurz vor Ort, um den Gästen eine Art Power-Gulasch zuzubereiten. Wunderbares Essen!

    Am nächsten Morgen fuhr ich dann weiter Richtung Süden. Erneut standen 65km und ca. 1000HM auf dem Plan. Ich verlies also die Donau und begab mich auf die Passstrasse Richtung Negotin, eine kleine Stadt, welche sehr nahe am Grenzübergang Bregovo liegt. Auch hier hatte ich wieder ein Radwegapartment reserviert, da das "Basecamp for Adventure" in jeder Art von Literatur, welche ich über den Euro6 Radweg durchstöbert habe, dieses Camp als absolutes MUST SEE gekennzeichnet wurde. So war es dann auch. Bojan, der Betreiber hiess mich herzlich im Camp willkommen, welches mitten in der Stadt liegt. Das Camp besteht aus mehreren Häuser, welche einen grossen Garten für Campinggäste umschliessen. Das ganze Camp ist so liebevoll gestaltet und die Bewohner sind sehr freundlich und wollen sofort meine Erlebnisse erfragen. Nach dem Gespräch mit Erwlan (hoffe ist richtig so), ein Russe und Han, gebürtig Chinese, wurde mir bewusst, dass es sich bei meinem Abenteuer doch wirklich nur um ein abenteuerLI handelt. Erwlan, wahrscheinlich der einzige Russe welcher kein Vodka trinkt, ist seit 3 Jahren auf Fahrradreise und Han sogar 8 Jahre. Han ist eines Morgens in China aufgebrochen und wollte einfach die Welt sehen. Wo es ihm gefiel, da blieb er und finanzierte sich seinen Aufenthalt mit Musik, kleineren Arbeiten und Jonglieren in den jeweiligen Stadtzentren. In Georgien wurde er dann von einem Lastwagen erfasst und er brach sich zum Glück nur die Schulter. Sein Fahrrad sowie seine Instrumente wurden dabei völlig zerstört. Er reiste nach seiner Genesung eine Zeit zu Fuss weiter und klapperte so eine Stadt nach der anderen ab. In Istanbul hatte er dann genug Geld zusammen, um sich wieder ein Fahrrad zu kaufen und radelte nun im Sommer bis nach Nigrin. Im Camp lebt er schon seit 45 Tagen und hat viele Freundschaften geschlossen. Bojan hat mit den anderen Bewohner etwas Geld zusammengelegt und ihm eine Ukulele gekauft. Bojans Bruder und Han üben jeden Abend zusammen spielen und unterhalten das Camp. Am Lagerfeuer gibt es ebenfalls am Abend für alle Bewohner Gulasch, welcher von Nonans Frau zubereitet wird.

    Schweren Herzens verlies ich heute das Camp und die Leute, mit welchen ich einen lustigen und trinkfreudigen Abend verbracht habe. Die Frau von Bojan hat mir noch mehrere kleine Küchlein als Snack gebacken und ein super Frühstück aufgetischt. Gestärkt ging es dann Richtung Grenzübergang, welcher so unspektakulär war, dass es schon langweilig war. Im Vergleich zu Kroatien-Serbien, wo ich beinahe Betteln und Lügen musste um zu passieren, empfing mich in Bulgarien ein gelangweilter Zollbeamter, welcher sich ca. 1min meine ID ansah, probierte meinen Namen in mehreren Anläufen auszusprechen, irgendwann aufgab und mir meine ID schon beinahe zurückwarf. Er schnaubte mir dann ein einfaches "GO" entgegen und öffnete die Schranke.
    Kaum hat man den Zoll passiert, zeichnet sich auch gleich die Armut von Westen Bulgariens ab. Ich konnte mir nur schwer vorstellen, dass ein Dorf noch heruntergekommener aussehen kann, als einige Dörfer in Serbien......es kann!
    Ein ganzes Dorf, verwittert, kaum bewohnt, verschmutzt, bemalt, kein Strom, kein Wasser. Ich sah, wie Mensch und Tier aus Regentonnen tranken. Ein umfunktionierter Tanklastwagen versorgte die wenigen Menschen vor Ort mit sauberem Wasser. In Widin bin ich nun wieder auf die Donau und etwas mehr von Allem gestossen. Für umgerechnet 8 Franken bin ich hier in einem kleinen Schopf am Übernachten. Neben Strom und WLAN, habe ich sogar eine eigene Sauna, welche ich sogleich benutzte um mir klar zu machen, dass ich einfach nicht so wirklich der Sauna Typ bin.
    Die nächsten Tage folge ich wieder der Donau und möchte auch wieder einmal richtig Gas geben und mehr Strecke abstrampeln. Die Strecke sollte gut zu befahren und mehrheitlich flach sein. Auch das Wetter sollte sich nun wieder bessern, eventuell sogar Sonnencreme würdig! Mal schauen ;-)
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