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  • Day 20

    20. Tag Mansilla nach León

    July 24, 2022 in Spain ⋅ 🌙 16 °C

    Vor ein paar Jahren hatte ich während eines Praktikums in meinem Lehramtsstudium am Sportgymnasium in der 12. Klasse mal eine Stunde über ‚Wundergeschichten der Bibel‘ gehalten. Witzigerweise saß Sempi damals als Schüler mit drin - habe ich, nachdem wir uns kennengelernt hatten, rausbekommen - Sau witzig! „Alex, ich hab mal ne Frage“ - „Sempi, Herr Langner bitte!“ würde wohl heute eine Konversation aussehen, wenn wir uns damals schon gekannt hätten ☺️

    Während der Unterrichtsstunde ging es unter anderem über Wunderheilungen von Blinden, Stummen, Aussätzigen und Gelähmten (fragt gern Sempi, wird er sicherlich noch wissen) - die Stunde damit abgeschlossen, dass es viele Wunder auf Erden gibt, man nur genau hinschauen und daran glauben soll.

    Ich bin ehrlich, ich weiß nicht was Kamerade koreanischer Schnürschuh da mit meinen Knollen gezaubert hat, aber seitdem er sie angefasst und ein Gebet gesprochen hat, habe ich keine Schmerzen mehr und auch keine neue Blasen bekommen. Mit den Worten von Lawkin bestärkt, dass nichts aus Zufall auf dem Camino geschieht, war es bisher wohl mein persönliches Wunder!

    Mit Pablo‘s Machtwort im Zusammenspiel, dass ich mein Rucksack erstmal für 1-2 Tage jeweils senden soll, um für eine gute zusätzliche Erholung sorgen zu können, war das ein Weltklasse geschnürter Doppelpack!

    Der Tag war wieder ein sehr heißer, 37 Grad auf dem Tacho standen heute ca 23 Kilometer zu Buche. Nachdem die Füße vorerst standhaft wie ne deutsche Eiche waren, ging es jetzt auf die Knie - wäre ja auch Quatsch, wenn ich wirklich mal ohne Beschwerden laufen könnte. Daher wurde ne ganze ruhige Kugel gelaufen und gegen ca. 13:15 Uhr hieß es dann: Touchdown León! Kurz beim Stempeljungen die nächste Erinnerung geholt, hab ich für 8 Euro in der ortsansässigen Albergue Municipale eingecheckt.

    Über wunderschöne kleine Gassen mich dann mit Kevin, Andres und anderen Pilgernden zum Mittagessen getroffen, war ich ganz neidisch: alle haben sich heute in ein Hotel eingebucht. Nachdem wir letzte Woche in Burgos gelernt haben, sind Albergen in Großstädten nicht das cleverste, wenn dann mal wieder der Schnabel zu nass war und die Schließzeiten kollidierten. Ich mich nur mal provisorisch online informiert, was ein Hotel die Nacht kosten würde, stolperte ich dann leider Gottes über das Spa Hotel direkt an der Kathedrale. Mich als Riesen Saunaliebhaber damit ködernd, den Nachmittag im Swimmingpool und dem ein oder anderen Gang bei 90 Grad zu verbringen, war das schon fast frech. Na guuuut, den Lachs musste man natürlich direkt einbuchen.

    Schnell in der Alberge meinen Rucksack abgeholt, fühlte ich mich gegen 19 Uhr dann wie ein neuer Mensch. Komplett erholt in einem eigenen Bett mit normaler Bettdecke, super bequemen Kissen und nicht mit 15 anderen Personen, sich mit Schlafsack und Geschnarche im Hintergrund das Zimmer teilen zu müssen, ist wohl ein neu erreichter Luxus, den ich so nicht gedacht hätte, mal in meinem Leben auf so eine Art und Weise definieren bzw. genießen zu können.

    Gegen 20 Uhr trafen wir uns dann mit anderen Pilgernden in einer Bar. Dort erfuhr ich von einer Französin, die schon den Vorabend, wie ich ursprünglich eigentlich auch geplant hatte, da war und einen Restday machte, dass gestern alias Samstagabend ne Riesenparty hier ging und ich schmerzlichst von allen vermisst wurde. Alex Langner hat eine Party abgesagt, weil ein zusätzlicher Tagesfußmarsch leider nicht mehr möglich war - ich glaub der Junge muss in den Lebenslauf, blöde Füße! Wiederum im Nachhinein auch schön zu hören, dass es in Burgos doch besser war! ☺️

    Ich wurde am Telefon gefragt, ob zur Selbstfindung auch Party gehöre. Und ich bin ehrlich: für mich eine Riesenerkenntnis, dass es einfach zu meinem Wesen gehört, Menschen zusammenzuführen, eine gute Zeit zu haben, ihnen eine Plattform zu geben wo sie sich sehen können und mit meiner positiv-euphorischen Art unter anderem für einen super Abend beizutragen. Aber natürlich auch in einem gesunden, organischen Rahmen!

    Okay, back to business. Mit 2 Cañas mehr im Magen ging es dann gegen 21:30 Uhr zu Quentin, dem Koreaner in Paris wohnend, ins Hostel - er hatte uns eingeladen auf einen chinesischen Abend. Ich, gebratenen Reis mit Hühnchen erwartend, war völlig überrascht, was der gute Mann da aufs Parkett für uns zauberte. Bei 45 Grad in der Küche, Essen für 3 Fußballmannschaften ausreichend, gekocht, 4 Stunden komplett gekämpft, 2 Liter Wasser verloren, muss man den Mann echt dafür loben - Prädikat Weltklasse!

    Mich mit diesem Beitrag in einen Rausch schreibend, gab es eine wunderschöne Begegnung an diesem Abend. Ich komme mit den anderen aus der Bar ins Hostel hinein, sehe in der Küche mit dem Rücken zu mir sitzend, eine Silouette, die zu einer Person passen könnte. Ich kam ihr näher und irgendwann war es klar: Meeeggie! Die Amerikanerin von Tag 1 in Roncesvalles im Kloster, als ich mit Lawkin und Florian dem Forscher zu Abend aß und dort alles seinen Lauf nahm. Wir uns komplett gefreut uns zu sehen, gründlich umarmt, trifft der Satz doch immer wieder zu, dass man sich auf dem Camino immer zweimal sehe.

    Wir uns an Tag 3 oder 4 verloren, hatte sie den Bus für 3 Etappen genommen und war daher früher als geplant in León angekommen. Riesen Respekt davor, dass sie es bisher soweit geschafft hat. Ich meine, ich bin auch ein paar Kilos von meinem Ideal entfernt, aber wie sie selbst über sich zugibt, hat sie paar mehr Kilos auf den Rippen und da ist es noch eine größere Leistung bei der Hitzewelle in den letzten Wochen es ans Zwischenziel geschafft zu haben!

    Mit super positiven Emotionen und einem perfekten Grundkader ging es in den Abend, welcher klassisch 3 Uhr mit einem Polnischen meinerseits in der inzwischen fünften Bar endete - dieses Mal nicht die geschlossenen Albergentür als Kopfkissen, war es eine gute Nacht!

    Muchos saludos aus León!🍷🇪🇸
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