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  • Day 63

    Cuenca und der Chihuahua

    October 3, 2022 in Ecuador ⋅ ⛅ 17 °C

    Nach unserem Aufenthalt im Dschungel, kehrten wir wieder in das schöne zu Hause von Karina und Roberto zurück. Sie beherbergten uns nicht nur liebevoll, sondern verstanden auch unsere Gedanken, Bedenken und Erlebnisse, da sie die Waorani kennen. Wir genossen nochmal das Einschlafen bei Gewitter, die Dschungelgeräusche und regenerierten von Magenproblemen bevor wir uns weiter Richtung Süden aufmachten. Wir wollten uns die Stadt Cuenca anschauen, die wieder auf einer Hochebene in den Anden lag. Demnach erwartete uns eine recht lange und kurvenreiche Anreise, die uns die verschiedenen Klimazonen von Ecuador zeigte. Vom humiden Dschungel fuhren wir hoch durch die Nebelwälder, schlängelten uns an den Abhängen entlang, bis wir über der Baumgrenze waren und eine Art Heidelandschaft zu sehen war. Mal verschleierten die Wolken den Blick, mal konnte man tief ins Tal hinein blicken. Vom höchsten Punkt abwärts erreichten wir dann auf 2500m Höhe Cuenca, die dritt größte Stadt Ecuadors. Wieder hatten wir eine Busfahrt hinter uns, die uns traumhafte grüne Täler und karge Höhen zeigte, wo Menschen an den mit unerklärlichsten, entlegensten Orten zustiegen und mir die Serpentinen ganz schön zu schaffen machten.
    Wir fuhren zum Hostel Bella Vista, einer Empfehlung von unseren lieben Künstlerpärchen aus Puerto López, die sich dort auch verewigt hatten. Es war direkt wieder so herzlich die Beiden zu sehen. Das farbenfrohe Hostel selbst war auch sehr passend. Betrieben von zwei Brüdern und einer Frau von den Beiden. Offensichtlich ist einer der Brüder schwul und durfte es wohl leider nie zeigen, lebt es aber in der bunten, katholischen und detailreichen Dekoration im Haus aus. Die kreative Atmosphäre zeigte sich auch in der Stadt. Wir unternahmen einen Abendspaziergang und waren ziemlich schnell von Cuenca begeistert. Schöne Kolonialgebäude und Fassaden, eine unübersehbare Kathedrale, grüne Plätze und an diesem Abend Musik und viele Menschen. Auf dem Hauptplatz wird Cumbia gespielt und wir tanzten mit den Einheimischen. Auffällig schön war an diesem Ort, dass die Obdachlosen mitten im Gewusel mit tanzten und es niemandem störte. Sie teilten sogar ihr weniges Geld mit den talentierten Musikern.
    Am nächsten Morgen gönnten wir uns ein sensationelles Frühstück im Café con Amor und waren nach dem Dschungel selig über diese leckere Abwechslung und den lieben Service. Jedoch blieb die Leichtigkeit nicht lang erhalten. Als wir zurück zum Hostel gingen, wollten wir unbedingt ein Foto von der ulkigen Haustiertruppe vom Hostel machen: ein viel zu dicker Mops, eine grimmig schauende Katze und zwei sehr aufgeregte Chihuahuas. Als Paul mit den Süßen fürs Bild posierte, sprang einer der Chihuahuas runter und prallte mit viel Geschrei auf dem Boden auf. Nach dem ersten Schockmoment stellten wir fest, dass er sich beide Vorderbeine gebrochen hatte. Er weinte und wir konnten es erst gar nicht glauben. Als ich ihn hochnahm und tröstete, sahen wir wie die Füße nur noch an den Gelenken baumelten. Ein furchtbarer Anblick. Die Besitzer kamen bei der Aufregung natürlich sofort zu uns und wir mussten von unserer Schandtat berichten. Sie machten sich, bewaffnet mit Stock und Klebeband sofort daran, einfach selfmade die Beine wieder gerade zu biegen. Zu erst konnten wir sie kaum davon abbringen, da sie der Meinung waren, dass der Tierarzt den Hund sofort einschläfern würde aber ich drängte so sehr darauf, das professionell untersuchen zu lassen, dass sie darüber nachdachten. Als wir dann meinten, dass wir als Verursacher natürlich für die Kosten aufkommen und wir den Hund zum Arzt bringen würden, willigten sie dankbar ein. Den Wuffi in eine Decke eingekuschelt liefen wir, mit dem schlechtesten Gewissen überhaupt, zum Arzt. Am Empfang begrüßte uns der netteste Tierarzt und nahm sich unserer sofort an. Juren (der Chihuahua) wurde sofort geröntgt, mit der bitteren Erkenntnis, dass wirklich beide Beine komplett durchgebrochen waren. Der Chihuahua sagte seit dem ersten Schock nichts mehr, zitterte, kuschelte sich an mich und erduldete alles ganz tapfer. Er wurde noch am gleichen Tag operiert, bekam winzige Platten und Schrauben eingesetzt und wir hofften zu tiefst, dass er das überleben würde. Die Besitzer gingen auch erstaunlich gut damit um, waren kaum böse und vielmehr dankbar über unsere schnelle Handlung. An ihrer Stelle, wäre ich richtig sauer gewesen. In so einem Fall, kam uns die hier etwas distanziertere Haltung zu Haustieren vielleicht zu Gute. Allerdings hatte der eine dann auch eingeräumt, dass er uns schon am Abend vorher sagen wollte, die Hunde auf keinen Fall hochzunehmen, es aber nicht getan hatte und uns waren die Konsequenzen einfach nicht bewusst. Das graue, kühle Wetter passte zur Stimmung und uns war nach diesem Vormittag nur nach Aufwärmen zu Mute. Da Cuenca ebenfalls von Vulkanen umgeben ist, gibt es auch heiße Quellen. Wir fuhren also mit dem Bus ins nahegelegene Baños und legten uns in die heißen Thermalbecken „Piedra del Aqua“. Wir erfuhren zwar im Nachhinein, dass diese Becken künstlich angelegt waren und es natürliche tatsächlich gibt, aber das Ambiente war ganz fantastisch und wir lernten ein nettes deutsches Reisepärchen kennen, die aus der anderen Richtung von Südamerika kamen. Sie inspirierten uns dazu, doch Argentinien zu besuchen und wir gaben ihnen Tipps für Ecuador und Kolumbien. Ein schöner kurzer Austausch mit Nadine und Flo, den wir bei einem Wiedersehen auf deren Rückweg vielleicht wiederholen können. Es ist wunderbar so flexibel zu sein und die kleinen Geheimtipps auszutauschen.
    Am Abend war unser schlechtes Gewissen immer noch so groß, dass wir uns kaum ins Hostel trauten, aber wir durften bleiben und besuchten am nächsten Tag Juren. Die OP war super verlaufen, die Kleine stand schon wieder auf vier Beinen und ich kam aus dem Staunen nicht raus, bei diesen kleinen Superhelden. Mit nun etwas Stahl bestückt, brauchte Juren Zeit zum regenerieren und bekam ihre eigene Box und Pflege in der Praxis. Wir versuchten uns mit Leckerlies wieder beliebt zu machen und hatten das Gefühl, sie freute sich über den Besuch. Erstaunlich wie tapfer diese kleinen Kerlchen sind.

    An diesem Tag unternahmen wir auch eine „Free walking Tour“ durch Cuenca, um der Stadt etwas näher zu kommen. Eine hoch motivierte junge Studentin sauste mit uns 2 Stunden durch die Stadt, sodass wir kaum Zeit hatten alles von ihr gesagte aufzunehmen oder mal an einem Ort zu verweilen. Falls es vorkommt, dass SüdamerikanerInnen sehr gut englisch sprechen, übertragen sie ihr spanisches Temperament in die Satzbildung und quatschen sich fast einen Knoten in die Zunge. Es ist daher sehr anstrengend ihnen zu folgen. Dennoch war es hoch interessant etwas über die Stadt, einzelne Bauwerke und Bräuche erzählt zu bekommen. Zum Beispiel wurde die Kathedrale mit verschiedenen Bauepochen erbaut, nur keiner kann die Grenzen so wirklich definieren. Da ohnehin keine ausgebildeten Architekten und Statiker am Werk waren, gab es auch keine Pläne und es reichte statisch nicht die zwei Glockentürme fertig zustellen. Eine heilige Statue, die auf einem Podest zwischen die Glockentürme in ca. 20m Höhe gestellt wurde, war zu schwer und die Frontfassade begann Risse zu bilden. Zwar konnte die darunter liegende Decke stabilisiert werden aber für weitere Belastungen war das Mauerwerk nicht gemacht. An diesem Ort leben auch noch Nonnen, die niemand wirklich zu Gesicht bekommt. Mitten in der Stadt haben sie ihr kleines Kloster und einen Garten, indem sie alles für sich anbauen und auch nach draußen verkaufen. Eine Kommunikation mit der Außenwelt läuft nur über eine Glocke, die man ziehen muss und ein hölzernes Drehkreuz, durch das sie ihre Sachen verkaufen, jedoch nicht zu sehen sind. Fünf unter ihnen leben mit deutlich strengeren Regeln, werden nie gesehen und tragen ausschließlich schwarz. Ein kleiner Stand am Rand des Mauerwerks verkauft nur dort den einzigartigen Saft der Nonnen, der aus vielen Blüten des Gartens besteht und alles im Körper heilen soll (und unglaublich süß ist).
    Wir sahen außerdem erfreulicherweise viel mehr queere junge Leute als in ganz Ecuador und erfuhren, dass es seit wenigen Jahren nicht mehr verboten ist und sie sich auf die Straßen trauen. Dennoch ist die politische Lage im Land katastrophal. Mehrere Präsidenten versuchen seit längerem die Lage zu verbessern (oder auch nicht) aber entweder sind sie selbst korrupt oder wollen nicht mit dem korrupten Parlament zusammen arbeiten. Viele Menschen müssen mit 2$ am Tag auskommen, da die Besteuerung von allem so hoch ist, um die immensen Schulden des Landes zu begleichen. Deshalb streiken seit einiger Zeit die Menschen des Landes und vor allem gehen die Indigenen für ihre Rechte auf die Straßen. Die turbulenten Proteste der „El Paro Nacional“ sind oft recht brutal und führen zu wochenlangen Schließungen des Landes. Für den Oktober sind neue Proteste bereits angemeldet. Das Bussystem funktioniert in diesem Land auch wunderbar, wenn es auch große Unterschiede bei den Anbietern gibt. Wir erfahren, dass die Fahrer ihre Busse selber kaufen müssen und sich erst Jahre später die Fahrten rentieren. Das erklärt allerdings auch, warum die Fahrerräume oft wie kleine Wohnzimmer aussehen.
    In Puyo ist mir auch ein Protest für die Rechte der Frauen aufgefallen. Vielleicht bewegt sich ja was im Machismus von Ecuador. Dennoch konnte ich als Frau sehen, wie Paul beim Essen gehen immer zu erst den Teller bekommen hat oder meistens er angesprochen wird. Männer haben mir eigentlich nie den Vortritt gelassen oder etwas aufgehoben, wenn mir etwas runter gefallen ist. Männer kümmern sich um sich und Frauen machen eigentlich alles andere und vor allem sauber. Es sind die kleinen Dinge, die mir auffallen und sicherlich die Großen, die das Land zerrüttet.

    Nach fünf Wochen war es dann nun endlich Zeit, Ecuador zu verlassen. Wir verabschiedeten uns vom Wuffi, von der Stadt und unseren Hostel Brüdern. Wir fuhren mit dem einzigen Bus nachts über die Grenze und erreichten diese gegen 2:00 am Morgen. Wahrscheinlich der deutscheste Ort in Ecuador, wo alles nach Vorschrift und ohne Spaß lief, aber wir bekamen unsere Stempel und reisten glücklich und übermüdet ein. Noch im Dunkeln kamen wir am Ziel in Mancora 5:00 Uhr morgens an. Wir suchten uns einen Platz am Strand und schlummerten dort noch ein wenig, bevor es zu unserem eigentlich Ziel Punta Sal ging. Nochmal 20 Minuten nordwärts am Meer entlang kamen wir mit einem Sammeltaxi bei Jerry‘s Unterkunft an. Er und sein Haus, hieß uns direkt am Strand bei strahlendem Sonnenschein und Palmen im Sand willkommen. Jerry ist ein Kontakt von einer Freundin und eine echte Hausnummer. Seine spirituelle spaßige Art und die Gespräche versprechen eine verrückte und gute Zeit hier am Meer.

    Ecuador war so ganz anders als Kolumbien. Die Menschen sind nicht so laut, brauchen etwas länger zum Auftauen und die Musik dröhnt nicht aus jedem Winkel. Dennoch sind alle sehr freundlich und empfingen uns mit offenen Armen. Die Erlebnisse der letzten 5 Wochen sind kaum zu beschreiben und so vielfältig und das macht Ecuador so besonders. Auf einer relativ kleinen Landfläche, bietet das Land unglaubliche Natur, besondere Strände, urbane Gegenden, die langweiligste Hauptstadt und abgeschiedene Landschaften. Dazu einen Dschungel, der mehr Vielfalt in Flora und Fauna hat, als Nordamerika. Ich bin sehr dankbar, für all die schönen Dinge, die passiert sind.
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