- Reise anzeigen
- Zur Bucket List hinzufügenVon der Bucket List entfernen
- Teilen
- Tag 36
- 23.10.2024, 09:29
- ⛅ 13 °C
- Höhe über NN: 176 m
Bosnien-HerzegowinaBanja Luka44°46’31” N 17°11’40” E
Hafen des Königs-> Banja Luka

In der Früh sause ich gleich mit dem Rad in die Stadt. Ich möchte mir einige Sachen anschauen. So richtig viel gibt es nicht. Ich bin schon sehr gespannt. Ein futuristischer Glockenturm springt mir sofort ins Auge. Es ist eine von 4 katholischen Kathedralen in Bosnien-Herzegowina. Dem hl. Buonoventura gewidmet ist es ein beeindruckendes Gebäude aus 1970. Die ursprüngliche Kirche wurde bei einem verheerenden Erdbeben 1969 zerstört. Leider, wie alle katholischen Kirchen ist sie versperrt. Ein Foto vom Innenraum habe ich von Wikipedia. Dann sause ich weiter, weil ich vielleicht zum Friseur gehen kann, wenn mich wer dran nimmt. Die Innenstadt ist so klein, dass ich schon von der Souvenirstandlverkäuferin angelacht werde, weil ich zum 5.x vorbeiradle. Ich bin auf der Suche nach Danis Salon, nicht da, gibt's vielleicht nicht mehr. Weiter zum nächsten. Das Stadtbild ändert sich. Mehr Leute, kleinere Straßen, enge Gehsteige, kleine Läden, 3,4 stöckige Wohnblocks aus jugoslawischer Zeit. Banja Luka hat keine Kriegsfront gestellt, darum ist sehr viel original. Der 2. Friseur hat keine Zeit für mich. Okidoki, dann den nächsten. Und. Wie immer ist mir das Glück hold. Zejlko, ein in Deutschland geborener Sohn von Gastarbeitern, bis 12 dort lebenden, die Eltern kehrten dann zurück und er verließ Bosnien wieder um die Friseurlehre in Deutschland zu machen, bot mir an zu bleiben. Sein Salon ist sehr geschmackvoll und modern. Er ein Zauberkünstler mit der Schere und sein Deutsch ist tadellos. Es ist so gut sich ein bisschen unterhalten zu können, damit runden sich Eindrücke einfach ab. Trotzdem der Eindruck den statistischen Daten widerspricht, bestätigt mir Zejlko, dass die Leute sehr arm sind. Er meint es sei so schade, dass die Natur nicht touristisch genutzt werde, es sei einfach kein Know-how vorhanden, auch keine Investoren. Ganz vorsichtig äußert er sich, dass die Politik jetzt so sei.
Was dem Land Wunden reißt sind die vielen jungen Leute, die weggehen und anstatt mit Ausbildung, Geld und Know-how zurück zu kehren, bleiben sie weg und das Land stehen. Glücklich gestylt radle ich weiter, schau mir das Kastel an und entdecke, dass ich ans andere Ufer komme. Hier bietet sich ein bekannte Bild. Menschenmassen an den Bushaltestellen. Betagte vor Kisten, die Socken, Häkelsachen, Hagebutten, gebrauchtes Kinderspielzeug, selbst gesammelte Kräuter und Früchte im kleinen Stil anpreisen. Gegenüber eine lange Schlange vor einer Suppenküche. Statt der Boutiquen "drüben", die Lagerfeld T-Shirts um knapp 200 Euro anbieten, sind es hier wieder 2nd Hand Läden. Die Expansion geht nach Osten, riesige Bauprojekte sind in Umsetzung, schnicke Einkaufszentren, Sportflächen, Bürokomplexe sollen Vorwärtsgerichtet sein ausdrücken, Bewegung, Entwicklung. Bei einem Gemüsestandl kauf ich ein bisschen Gemüse. Es kommt zwar nicht mehr an das albanische heran, aber die Gurken sind ohnehin traumhaft. In der Trčnika, der großen Markthalle gustiere ich die vielen herzrührenden Angebote. Zum Großteil keine Großhändler, sondern Frauen und Männer mit Parasol, Herrnpilzen, Hagebutten, dazwischen die selbstgestrickten Socken, geknackten Walnüssen, Mispeln, Birnen die bereits ins Kletzenstadium übergehen, und Berge von Mandarinen und Granatäpfel aus der Herzegowina. Die sind gerade reif. Nur mehr wenige Trauben, die Feigen getrocknet und aufgefädelt. Tomaten werden langsam durch Wurzel- und Rübengemüse ersetzt. Bei den Käsefrauen koste ich ein das eine oder andere. Es schmeckt mir nicht. Ranziger Topfen ist es eher als Käse. Den gibt es in allen Stadien. Mit meinen Säcken radle ich zurück zum Van und lade sie da ab. Ich möchte gerne noch das Museum für Contemporary Art sehen. Es ist in einem k&k Bahnhofsgebäude untergebracht. Das Erdbeben von 1969 hat große Schäden angerichtet und viele Gebäude mussten eingerissen bzw. erneuert werden 86000 Wohnungen, 300 kultur- und administrative Einrichtungen, 270 Schulen wurden zerstört. 15 Tote und 1200 Verletzte waren zu beklagen. Aber dieses Bahnhofsgebäude hatte es überstanden. Es sind junge Künstler aus dem ehemaligen Jugoslawien ausgestellt, die sich kritisch mit dem Thema Umwelt auseinandersetzen. Das hat enormes Potenzial und lässt unsere Augenauswischereien mit Esslöffel aus Holz und Cocktails mit Papiertrinkhalmen völlig lächerlich aussehen. Es wird geraucht, die Felder abgebrannt, vor allen Häusern wird Holz in rauhen Mengen gelagert, Isolation von Häusern gibt es nicht, Müll wird meist gleich neben dem Haus verbrannt- egal was es ist, dicke Plastikklumpen liegen dann herum-, Reifen, Elektrogeräte in den Flüssen versenkt, das meiste einfach weggeschmissen. Für alles bekommt man ein Sackerl. Wenn ich Tomaten, Gurken und Paprika zusammen in eines getan habe, meist wird es gemeinsam gewogen und verrechnet, haben sie es auseinander geklaut und in 3 einzelne und diese in ein gemeinsames packen wollen. Fahrzeuge blasen schwarze Rauchwolken hinaus, es gibt weder TÜV noch sonstige Kriterien für den Betrieb von Fahrzeugen. Hauptsache es fährt. Vermutlich funktionieren Industrieanlagen auch so. Sarajewo mit seiner Kessellage hat im Winter schlechtere Luftwerte als Peking oder Neu-Delhi und die Adria vor Albanien und die Gewässer sind so e. Coli belastet, dass vor dem Sommer immer gewarnt wird. Ein Künstler hat es sehr drastisch ausgedrückt: Kunst ist kein Spiegel, der die Welt reflektiert, Kunst ist ein Hammer mit dem man sie formt.
Diese Haltung steht in krassem Gegensatz zu den T-Shirts mit Putins und Princips Konterfei. Engen nationalistischen, reaktionären Ansichten, die Mörder verehren und in Landesgrenzen denken und handeln. Gavro Princip, der Königsmörder ist hoch verehrt, Straßen nach ihm benannt, Statuen errichtet, einer, der seinen Anschlag 1914 am Tag der Schlacht am Amselfeld im 14. Jhd. angesetzt hat. Das ist die andere Seite der Bevölkerung. Leider derer, die gerade regieren.
Es wird noch spannend in den Ländern des Balkans.Weiterlesen