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  • Day 107

    Heimweh und freundliche Einheimische

    April 6, 2023 in Indonesia ⋅ ☁️ 29 °C

    Die Tage vergehen wie im Flug, wenn man sich an einem Ort für längere Zeit niedergelassen hat. Warum ist das so? Wir erleben nicht mehr ganz so viele Abenteuer und haben mehr Zeit für Müßiggang, vielleicht deswegen? Merlin wird wieder stark vom Heimweg geplagt und wir merken deutlich, wie es ihn durcheinanderbringt, plötzlich wieder in einem anderen und komplett andersartigem Land zu sein. Er scheint verloren zwischen den Welten zu sein und es dauert eine ganze Weile (also diesmal mehrere Tage), bis er wieder in sich ruht und nicht ständig von Berlin und seinen Kuscheltieren in Berlin spricht. Wir merken seine Verlorenheit vor allem an seinen emotionalen Ausbrüchen und daran, dass er keinen Appetit hat und „gesundes“ Essen total verweigert. Nur Süßes kann er zu sich nehmen, aber auch stark ausgewählt. Für ihn wäre es ok, jetzt endlich wieder nach Hause zu fliegen. Dennoch gelingt es ihm dann wieder, sich hier auf der kleinen fremdartigen Insel in dem feuchtheißen Klima einzuleben und sich auf die anderen Gegebenheiten einzulassen. Für Freddi ist es nicht ganz so schwierig. Aber bei ihm merkt man auch dass es ihm emotional gut tut, mit seinem Freund Leo zu chatten oder zu telefonieren. Danach ist er wie ausgewechselt und hat supergute Laune. Endlich mal wieder mit jemandem über minecraft und Roblox quatschen!!!
    Dem Merlin hilft enorm das kleine Fahrrad, welches wir für ihn ausgeliehen haben. Das schnappt er sich jetzt morgens und fährt erstmal eine Runde durch die Gegend. Vermutlich erinnert ihn das Fahrradfahren an zu Hause und gibt ihm ein Stück Selbstwirksamkeit zurück.
    Aber an ein Fahrrad in seiner Größe zu kommen, ist gar nicht so einfach hier auf der Insel. Es gibt hier nicht viele Kinder, sondern vor allem junge Erwachsene, die auf Party, Abenteuer und Tauchausflüge aus sind. Als wir beim Fahrradverleih nachfragen, wie es mit Fahrrädern für uns alle aussieht, geht Merlin erstmal leer aus, denn das kleinste Fahrrad ist ungefähr 10 cm zu hoch. Er versucht eine Probefahrt, aber es will beim besten Willen nicht funktionieren, da ja die Füße nicht an den Boden kommen und der Sattel auch schon fast ganz unten ist. Die geschäftstüchtigen Indonisier organisieren einen Schraubenschlüssel und versuchen an der Schraube zu drehen, aber alles ist so alt und verrostet, dass eher die Schraube abbrechen würde. Generell sind die Fahrräder in sehr schlechtem Zustand, durch das Salzwasser und das feuchte Klima ist alles erodiert, was aus Metall gefertigt wurde.
    Als Merlin realisiert dass es kein weiteres Fahrzeug gibt, bricht er in Tränen aus und schmeißt sich in den Sand auf die Straße. Dieser Anblick scheint in den Indonesiern etwas auszulösen. Sofort wird herumtelefoniert, ob nicht doch noch irgendwo ein Fahrrad in Merlins Größe aufzutreiben ist. Die verschiedenen Fahrradverleiher der Insel sind gut miteinander vernetzt, erklärt uns Warta, der Chef unseres Fahrradverleihs. Aber es scheint schwierig zu sein, wir sollen trotzdem warten. Also stehen wir am Straßenrand in der Hitze, Merlin immernoch am Weinen, Freddi sehr geduldig wartend. Irgendwann kommt ein Einheimischer auf dem Moped an, ein kleines Fahrrad unterm Arm. Er hat es von zu Hause geholt, es ist noch von seinem Sohn! Merlin probiert überglücklich… aber das Rad ist erstens viel zu klein und hat zweitens an jedem Rad einen Platten. Wir sollen nochmal warten, vielleicht kommt gleich noch ein anderes Fahrrad an. Und tatsächlich, ein anderer Einheimischer kommt mit einem Fahrrad in der richtigen Größe. Kein Platten, aber diesmal ist die Kette runter. Doch die ist schnell draufgehoben. Merlin probiert, und es passt!!! Merlin ist überglücklich. Das Fahrrad sieht fast so aus, wie Merlins Rad zu Hause. Nach einer Stunde Warten fahren wir endlich los, in Richtung Hafen wo viele Geschäfte und Restaurants zu finden sind. Wir wollen zum Turtle-Beach, wo man tatsächlich mit Schildkröten schnorcheln kann!! Der Verkehr ist leider sehr unübersichtlich und teils auch gefährlich. Pferdekarren, Fahrradfahrer und Fußgänger fahren kreuz und quer durcheinander auf einer nicht allzubreiten Straße. Und dann ist zusätzlich noch Linksverkehr, was aber die vielen europäischen Touristen entweder nicht wissen oder (verständlicherweise) immer wieder vergessen. Und dazu dann noch diese Hitze!!!! Zu allem Überfluss hat Merlin nach zehn Minuten Probleme mit dem Fahren, es will einfach nicht mehr gehen! Da sehen wir: Der Hinterreifen ist komplett platt! Puuuhhhh!!!! Erstmal tief durchatmen! Und sich klar machen, dass es halt hier so ist: Wir sind in Südostasien. Flo ruft Warta an, der sofort auf dem Moped vorbeikommt und sich tausendmal entschuldigt. Er bittet uns, hier am Straßenrand zu warten. Er wird das Fahrrad zu einer Werkstatt bringen. Ich muss erstmal die Kinder mit einem Eis besänftigen, und auch Flos Laune ist ziemlich im Keller. Nach 20 Minuten ist Warta mit einem reparierten Fahrrad zurück!!! Die Fahrt kann weitergehen! Und am Ende des Tages haben Freddi und Flo tatsächlich eine riesige Meeresschildkröte beim Schnorcheln gesehen!

    Aber die Erfahrung mit dem Fahrrad war sehr prägend und eines muss man den Einheimischen wirklich zugute halten: So viel hier auch kaputt und marode ist, sie bemühen sich sehr freundlich und engagiert darum, dass die Touristen einen schönen Aufenthalt auf ihrer Insel haben. Und es ist echt gemeint!! Wir haben hier noch nicht einen unfreundlichen Einheimischen getroffen und hatten bisher nicht das Gefühl, dass die Freundlichkeit oberflächlich oder aufgesetzt ist, sondern echt und ehrlich!! Das ist wirklich eine schöne Erfahrung :)
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