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  • Day 18–21

    Don't Hug a Tree

    November 20, 2023 in New Zealand ⋅ 🌧 19 °C

    Von der Bay of Islands fahren wir über einsame Landstraßen, an unzähligen überfahrenen Oppossums und Vögeln vorbei, denen meist einer der Flügel vom Rest des geplätteten Körpers absteht und im Wind auf und ab wiegt, als würde er uns zu winken. Wir fahren die Westküste der Tasmannsee entlang, durch Orte wie Opononi und Neuseelands Süßkartoffel-Hauptstadt Dargaville.

    Nur ich darf fahren, da Chiara verpeilt hat, ihren internationalen Führerschein zu beantragen. So sitze ich also viele Stunden vor dem Steuer und habe Zeit nachzudenken. Wie sinnlos diese ganzen Tierchen jetzt am Strassenrand vor sich hinfaulen, denke ich zum Beispiel. Ich habe einmal einen Artikel gelesen über einen Engländer, ein rüstiger pensionierter Biologe und selbsternannter "Roadkill Connoisseur", der sich ausschließlich vom Fleisch überfahrener Tiere ernährt. Es sei doch ganz offensichtlich sagte er, so erinnere ich mich, dass da bestes Biofleisch aus freier Wildbahn am Strassenrand rumläge, frei von Antibiotika und dem Leid der Massentierhaltung, welches er auf keinen Fall verkommen lassen möchte.
    Dieser unbeirrbare, von allen Konventionen und vom Ekel befreite Pragmatismus dieses Menschen hat mich fasziniert. Auch wenn ich ungern sein Mitbewohner wäre.

    Dann weicht die etwas öde Sumpflandschaft wieder Serpentinen mit dichtem Urwald auf beiden Seiten und wir sind an unserem Ziel, dem Waipoua Kauri Forest. Wir wollen die uralten Kauri-Wälder besuchen, von denen heute nur noch etwa 4 Prozent aufgrund von Abholzung übrig sind. Diese riesige Bäume, die viele tausend Jahre alt werden können, spielen in der Mythologie der Maori eine wichtige Rolle. Vor allem der Tāne Mahuta oder "Lord of the Forest" ist Neuseelands größter bekannter noch lebender Kauri-Baum und ist der Legende nach der Gott des Waldes, Sohn des Himmelsvaters Rangi und der Mutter Erde, die tatsächlich Papa genannt wird. Tāne drückte seine Eltern auseinander, die in Liebe eng umschlungen waren und damit die Erde in Finsternis ließen. Dadurch brachte er Licht, Luft und Raum zwischen Himmel und Erde. Tāne ist danach der Lebensbringer und alle lebenden Kreaturen sind seine Kinder.

    Wir also stehen vor dem Gott des Waldes, der über 50 Meter hoch ist und einen Stammunfang von fast 14 Metern hat. Schon Jesus könnte ihn als kleinen Spross umarmt haben, da sein Alter auf mindestens 2000 Jahre geschätzt wird. Aber das Berühren dieser Bäume wird aus zweierlei Gründen nicht gern gesehen. Erstens wird es als Entweihung betrachtet, wenn Außenstehende einen für Maori heiligen Kauri berühren - wobei sie für Jesus vielleicht eine Ausnahme gemacht hätten- und zweitens, leiden viele Kauri-Bäume an einer Pilzkrankheit, die vor allem Menschen durch mit Pilzsporen verunreinigte Schuhe verbreiten. So stehen und staunen wir andächtig und lassen die Klänge des Urwalds auf uns wirken. Hier wirkt auf uns vor allem der Vogel , der "Tui" genannt wird, dessen manisch flötendes Tönen, Rasseln und Trillern an einen R2-D2 auf Koks erinnern.

    Wir lassen die Baumriesen hinter uns und fahren wieder Richtung Auckland zurück, um unseren kleineren Toyota Hiace Campervan nach 10 Tagen zurückzugeben, mit dem wir eine sehr schöne und intensive Zeit hatten, aber der uns auch mangels ausreichend Platz mit sehr aktiver Josy, ständigen Suchaktionen und Geräume an den Rand des Wahnsinns gebracht hat.
    Wir freuen uns auf eine kleine Hütte direkt am Strand auf der Coromandel Halbinsel, die wir über AirBnB gebucht haben. Lesen, spazieren, mit Josy am Strand spielen und abends Netflix gucken.

    Danach wird der zweite Abschnitt der Reise beginnen mit unserem grossen Wohnmobil, die uns Richtung Süden der Nordinsel führen wird, über die Hippie-Surfer-Stadt Raglan, Rotorua, die Stadt mit heissen Quellen, Schwefeldampf und dem Geruch nach faulen Eiern, über den Tongariro-Nationalpark, wo der Schicksalsberg in Mordor liegt, bis schließlich nach Wellington und von dort mit der Fähre auf die Südinsel Anfang Dezember. Aber dazu bald mehr.
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