Neuseeland

November 2023 - May 2024
An open-ended adventure by Moritz Read more
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  • Day 1

    Unser erster Abend in Piha Beach

    November 3, 2023 in New Zealand ⋅ ☀️ 15 °C

    Ankommen im strömenden Regen, Wohnung kalt, alle müde, komatöser Tiefschlaf, Chiara kommt mit schlaffer, schläfriger Josy und weckt nicht, wir machen einen Abendspaziergang am Strand. Nach Pesto und Pasta und ein wenig Streit fallen wir alle tot ins Bett.Read more

  • Day 9

    Auf dem Weg nach Bay of Islands

    November 11, 2023 in New Zealand ⋅ ☀️ 18 °C

    Nach unserer Zeit in Piha Beach holen wir am 11.11.23 unseren Campervan in Auckland ab. Mit schreienden Baby starten wir müde und etwas gestresst in Richtung Norden. Am Nachmittag kommen wir am Te Arai Beach vor Mangawhai an. Am Strand angeln Locals, sie haben Mithilfe einer Drohne den Köder über 400 Meter raus ins Meer befördert und fangen ei en grossen Red Snapper. Im Camper herrscht Chaos, unser Timing mit Essen- und, Bett fertig machen und Josy ins Bett bringen ist noch nicht harmonisch. Als die Kleine endlich schläft und wir dann kalt unser Pilzcurry gegessen haben, sitzen wir draussen und schauen in eine sternenklare Nacht ohne
    LIchtverschmutzung, wie wir sie in Deutschland fast nicht mehr kennen. Bei 5 Grad schlafen wir zu dritt dicht gedrängt ein. Mit verkleben Augen und gerädert weckt uns am nächsten Morgen Josy, die seit vielen Monaten genau in dieser Nacht ihren besten Schlaf hatte: sich anatmende Körper, Herdeninstinkt? Müdigkeit durch abendliches Dünenklettern? Wir leihen uns die French-Press der campenden Kleinfamilie gegenüber und trinken den Cafe am Strand und fahren weiter Richtung Norden. Bei Warehouse decken wir uns mit Camping Sachen ein und werden in der Mittagspause auf dem Parkplatz Zeugen einer neuseeländischen Black-Metal-Bandprobe. Nach der Abzweigung Russell Rd bei Whakapara schlängelt sich die Strasse in Serpentinen Hügel hinauf. Allgäu meets Karibik, grün-sattes Gras mit Kühen, dazwischen Palmen und bunte Papageien. Hier und da kleine Farmhäuser zwischen den Hügeln. Wie wäre es so zu leben? Da Josefin aufwacht und weint halten wir bei The Gallery and Cafe Helena Bay Hill. Uns überrascht eine unglaubliche Aussicht auf die Berge und das türkise Meer aus einem Garten mit Kunstwerken.
    Nach Fütterung der "Little Creature" (liebevoller Kosename für Josy von einer alten neuseeländischen feinen Grandma) geht es weiter nach Oakura, wo es die einzige Tankstelle im Umkreis gibt. Hier fahren wir zum Whangaruru Beachfront Camp & Motel, da es mittlerweile später Nachmittag geworden ist. Der Campingplatz ist direkt an einer Bucht gelegen und sehr trubelig. Vor allem Neuseeländer mit Maori Abstammung verbringen hier ihren Sonntag, Kinder rennen, fahren auf Quadbikes, werfen Frisbees und beäugen neugierig Josy. Heute Abend essen wir in der Abendsonne zusammen, so langsam haben wir uns eingegroovt.
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  • Day 11–12

    Oke Bay

    November 13, 2023 in New Zealand ⋅ ☀️ 17 °C

    Weiter geht es Richtung Norden an grünen Almwiesen und der zerklüfteten Küste mit türkisfarbenen Buchten entlang. Unser Ziel: die Oke Bay Lodge, eine restaurierte, 140 Jahre alte Villa an einer Küste, die das National Geographic Travel Magazin angeblich als die zweitschönste der Welt bezeichnete. Eine sehr steile Auffahrt führt an der Lodge vorbei zu einem grasbewachsenem Plateau, welches Teil des Grundstücks ist, wo wir -oben angekommen - einen unglaublichen Ausblick auf das Meer und einsame Buchten haben und sowohl Sonnenauf- und Untergang sehen können. Hier wollen wir die Nacht verbringen. Ob die Zimmer der Lodge frei sind bringen wir gar nicht in Erfahrung. Als ich einem kleinen Pfad, der zur linken unseres Platzes beginnt, in der Abenddämmerung folge, stehe ich plötzlich vor Grabsteinen. Direkt vor mir, am Hang gen Westen gelegen ist ein Friedhof, die Namen auf den Grabsteinen in der Abendsonne sind maorische, man hört nur das Rauschen des Windes, ein magischer Ort.
    Am nächsten Morgen steht eine junge Frau mit Gummistiefeln, kurzem Jeansrock mit Tatoos auf beiden Oberschenkeln, Hund und zwei kleinen Kindern mit Zottelhaar und schokoladenverschmierten Gesichtern an unserem Campervan. Sie erzählt, dass wir auf uns aufpassen sollten, da an diesem Ort schon Camper angegriffen worden seien, da dieser Ort ein heiliger der Maori und der ganze Hügel eigentlich ein Grabhügel sei, in dem die Gebeine von tausenden Maori ruhten, welche durch Krankheiten, die von den Europäern eingeschleppt wurden, starben. Auch würden Manche hier Dinge sehen, die nicht erklärt werden könnten. In den Hügeln würden Geister leben.
    Diese Begegnung lässt uns nachdenklich zurück: Die Schönheit des Ortes, unsere Unwissenheit, die komplexe und grausame Geschichte dieses Landes, maorische Mystik, die auf die moderne Zeit trifft....
    Wir verlassen den Ort und fahren weiter nach Paihia.
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  • Day 12–15

    Bay of Islands: Reihenhäuser und Delfine

    November 14, 2023 in New Zealand ⋅ 🌬 18 °C

    In Paihia angekommen checken wir in den Paihia Holiday Camping Park ein. Wir freuen uns auf warme Duschen und müssen unseren 65 Liter Wassertank vom Camper auffüllen. Dieser Campingplatz ist ein bisschen wie eine Reihenhaussiedlung: Leben in Reih und Glied, wer hier wohnt ist weder arm, noch (unbedingt) reich, hier jedoch geeint von der Vorstellung vom Wohnglück als ultimative Freiheit seinen Handtuchgarten jeden Tag woanders ausbreiten zu können. Oder auch nicht, denn eigentlich lebt man genauso wie zuvor, dicht an dicht, muss ständig grüssen und die Vorhänge zuziehen. "Die Psychologie der Campingplätze" hätte sicher Fromms Buch "Furcht vor der Freiheit" um ein interessantes Kapitel ergänzt.

    Seitdem ich ein Kind war wollte ich Wale sehen, Chiara und Josy haben also keine Wal und ich buche uns eine 6 stündige Dolphin-Eco Cruise Tour, jedoch erst 2 Tage später, um einen Tag "Leerlauf" zu haben und die Zeit zu nutzen, um Nichtsnütziges zu machen. Mit all dem Um-, Auf-, Weg-, Nachräumen, Verlorenes suchen und Baby-on-the-road-Stress sehnen wir uns nach etwas Stillstand. So teilen wir uns mit Josy-Diensten zu festen Zeiten ein und merken, dass diese Art der Organisation essentiell für unser Glück ist, da wir beide seit langer Zeit nicht mehr alleine waren. Ich lese - aktuell das Buch " Die satanischen Verse" von Salman Rushdie, für welches er von Chomeini 1989 mit einer Fatwa belegt wurde, in der alle Muslime dazu aufgerufen wurden, Rushdie zu töten. Auf mehrere Übersetzer wurden Anschläge verübt, einige starben, er selbst überlebte nur schwer verletzt einen Messerangriff und ist seitdem auf einem Auge blind. Welch krasser Kontrast die Geschichte des Buches und Rushdis Schicksal, der lieber nicht so bekannt geworden wäre, zu den leichten, lebhaften und von Leben erfüllten Zeilen bilden.

    Dann ist es soweit, wir besteigen das Boot vom Charakter einer Butterfahrt und los geht's zum ersten Halt, der Urupukapuka Insel. Bevor wir von Bord gehen, werden wir gebeten, in unser Gepäck zu schauen, ob wir sicher keine Nagetiere dabei haben. Ja, denn seitdem Neuseelands größte Feinde, die Ratten, Oppossums und Wiesel, auf dieser Insel seit 2009 als ausgerottet gelten, konnte sich die Vogelwelt hier wieder erholen. Insgesamt sind jedoch etwa 70 Arten aufgrund dieser eingeschleppten Arten seit Ankunft der Europäer ausgestorben. Ihre Flugunfähigkeit und fehlender Fluchtinstinkt machten sie und ihre Eier zur leichten Beute. Heute gibt es beispielsweise noch den plüschtierartigen, flugunfähigen Papageien Kakapo, von dem es nur noch rund 200 Tiere auf geschützten Inseln im Süden des Landes gibt.

    Wir verbringen die nächsten 2 Stunden, bevor unsere eigentliche Delfin-Tour mit einem kleinerem Boot losgeht, mit einer kleinen Wanderung durch die sanften Hügel, auf denen gesund-mollige Schafe grasen und am Strand. Dann geht es endlich los und wir fahren mit etwa 20 anderen Leuten bei leichtem Seegang zu kleineren Buchten, Inseln und schließlich aufs offene Meer wo wir nach Vögeln über dem Wasser ausschau halten als Zeichen eines Fischschwarmes. Denn dort sind dann meist auch die Meeressäuger. Lange passiert nichts und dann sehen wir zuerst die Vögel. Vor allem Tölpel stürzen sich wie Pfeile im Sturzflug in die See, Möwen kreisen und dann sehen wir sie: Delfine! Dutzende plötzlich überall ums uns herum. Einige springen in die Luft, andere surfen auf der Bugwelle und kratzen sich am Buckel, wieder andere jagen Fische. Es ist wie eine Szene in einer BBC-Doku mit David Attenborough, der mit seinem unverwechselbar beruhigendem Timbre das "Feeding Franzy" begleitet. Viel zu früh müssen wir den Ort des Gemetzels und meiner Faszination verlassen und kehren in den Hafen zurück.

    Es ist später Nachmittag und wir fahren nun Richtung Süden, verlassen die Bay of Islands und übernachten eine Nacht auf einem Campingplatz, der den schrägen Namen "African Safari Experience" trägt. Auf unserer App "Camper Mate" haben uns die Bilder von Pferden, Wald und einem Fluss in einem verlassenem Tal überzeugt. Nachdem wir einer Schotterstrasse entlang eines Flusses für etwa 10 Minuten folgen, kommen wir an eine große Wiese, auf der einige verblichene Zelte in Safari-Manier aufgebaut sind. Ein paar Pferde schauen uns gutmütig-dümmlich mit langen Wimpern an, sonst ist hier keine Menschenseele. Auf einem vergilbten Schild mit abgeblätterten Buchstaben steht der Name Sandra und eine Telefonnummer, die ich anrufe. Es meldet sich eine Frau, die mit starkem, seltsamen, mir unbekanntem Dialekt englisch spricht. Ich verstehe nur soviel, dass wir uns hinstellen dürften, wo wir wollen und sie gleich vorbeikäme.

    In der Zwischenzeit gehen wir mit Josy zu den ersten Pferden ihres Lebens, Chiara streichelt sie furchtlos und wir tanzen auf der Wiese zu J.J. Cales Tulsa Sounds. Einige Minuten später nähert sich ein kleines, weisses Schrottauto und eine ältere Frau mit kurzem, lockigem Haar, Gummistiefeln und einem intensiven, fast unheimlichen Lächeln steigt aus. Sie fixiert Josy, schreit: " I love Babys!". und läuft auf sie zu. Josy, die nicht zum fremdeln neigt, bricht sofort in Tränen aus und krabbelt panisch davon. Ich rufe noch: "Don't take it personally, it's the age ya know", nehme sie auf den Arm und versuche sie zu beruhigen. Sandra, stellt sich raus, kommt ursprünglich aus Südafrika und ist vor 20 Jahren nach Neuseeland ausgewandert. In der scheunenartigen Küche hängen etwas deplatziert Köpfe von Oryx-Antilopen neben verblassten Fotos und Dankesbotschaften von Gästen aus alten Zeiten. Es scheint, als wäre lange niemand mehr hier gewesen. Hier fällt mir eine Geschichte von Roald Dahl ein, die "The Landlady" heisst und die mir mein Papa als Kind vorgelesen hat. In dieser wird ein junger Mann in einem "Bed and Breakfast" von einer eigenartigen Wirtin zum Tee gebeten und im Laufe der Geschichte erfährt er, dass sowohl ihr Papagei als auch der Dackel am Kamin ausgestopft sind und die Wirtin lange keine Gäste mehr empfangen hat. Das offene Ende der Geschichte, in dem der Junge einen bitter riechenden Tee zu sich nimmt, lässt den Leser nichts Gutes ahnen.

    Wir bleiben in dieser Nacht jedenfalls die einzigen Gäste auf diesem sehr schönen, einsamen und etwas schrägem Campingplatz. Chiara schließt aufwändig alle Autotüren als es dunkel wird und wir schlafen zum Ruf einer Eule ein.
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  • Day 18–21

    Don't Hug a Tree

    November 20, 2023 in New Zealand ⋅ 🌧 19 °C

    Von der Bay of Islands fahren wir über einsame Landstraßen, an unzähligen überfahrenen Oppossums und Vögeln vorbei, denen meist einer der Flügel vom Rest des geplätteten Körpers absteht und im Wind auf und ab wiegt, als würde er uns zu winken. Wir fahren die Westküste der Tasmannsee entlang, durch Orte wie Opononi und Neuseelands Süßkartoffel-Hauptstadt Dargaville.

    Nur ich darf fahren, da Chiara verpeilt hat, ihren internationalen Führerschein zu beantragen. So sitze ich also viele Stunden vor dem Steuer und habe Zeit nachzudenken. Wie sinnlos diese ganzen Tierchen jetzt am Strassenrand vor sich hinfaulen, denke ich zum Beispiel. Ich habe einmal einen Artikel gelesen über einen Engländer, ein rüstiger pensionierter Biologe und selbsternannter "Roadkill Connoisseur", der sich ausschließlich vom Fleisch überfahrener Tiere ernährt. Es sei doch ganz offensichtlich sagte er, so erinnere ich mich, dass da bestes Biofleisch aus freier Wildbahn am Strassenrand rumläge, frei von Antibiotika und dem Leid der Massentierhaltung, welches er auf keinen Fall verkommen lassen möchte.
    Dieser unbeirrbare, von allen Konventionen und vom Ekel befreite Pragmatismus dieses Menschen hat mich fasziniert. Auch wenn ich ungern sein Mitbewohner wäre.

    Dann weicht die etwas öde Sumpflandschaft wieder Serpentinen mit dichtem Urwald auf beiden Seiten und wir sind an unserem Ziel, dem Waipoua Kauri Forest. Wir wollen die uralten Kauri-Wälder besuchen, von denen heute nur noch etwa 4 Prozent aufgrund von Abholzung übrig sind. Diese riesige Bäume, die viele tausend Jahre alt werden können, spielen in der Mythologie der Maori eine wichtige Rolle. Vor allem der Tāne Mahuta oder "Lord of the Forest" ist Neuseelands größter bekannter noch lebender Kauri-Baum und ist der Legende nach der Gott des Waldes, Sohn des Himmelsvaters Rangi und der Mutter Erde, die tatsächlich Papa genannt wird. Tāne drückte seine Eltern auseinander, die in Liebe eng umschlungen waren und damit die Erde in Finsternis ließen. Dadurch brachte er Licht, Luft und Raum zwischen Himmel und Erde. Tāne ist danach der Lebensbringer und alle lebenden Kreaturen sind seine Kinder.

    Wir also stehen vor dem Gott des Waldes, der über 50 Meter hoch ist und einen Stammunfang von fast 14 Metern hat. Schon Jesus könnte ihn als kleinen Spross umarmt haben, da sein Alter auf mindestens 2000 Jahre geschätzt wird. Aber das Berühren dieser Bäume wird aus zweierlei Gründen nicht gern gesehen. Erstens wird es als Entweihung betrachtet, wenn Außenstehende einen für Maori heiligen Kauri berühren - wobei sie für Jesus vielleicht eine Ausnahme gemacht hätten- und zweitens, leiden viele Kauri-Bäume an einer Pilzkrankheit, die vor allem Menschen durch mit Pilzsporen verunreinigte Schuhe verbreiten. So stehen und staunen wir andächtig und lassen die Klänge des Urwalds auf uns wirken. Hier wirkt auf uns vor allem der Vogel , der "Tui" genannt wird, dessen manisch flötendes Tönen, Rasseln und Trillern an einen R2-D2 auf Koks erinnern.

    Wir lassen die Baumriesen hinter uns und fahren wieder Richtung Auckland zurück, um unseren kleineren Toyota Hiace Campervan nach 10 Tagen zurückzugeben, mit dem wir eine sehr schöne und intensive Zeit hatten, aber der uns auch mangels ausreichend Platz mit sehr aktiver Josy, ständigen Suchaktionen und Geräume an den Rand des Wahnsinns gebracht hat.
    Wir freuen uns auf eine kleine Hütte direkt am Strand auf der Coromandel Halbinsel, die wir über AirBnB gebucht haben. Lesen, spazieren, mit Josy am Strand spielen und abends Netflix gucken.

    Danach wird der zweite Abschnitt der Reise beginnen mit unserem grossen Wohnmobil, die uns Richtung Süden der Nordinsel führen wird, über die Hippie-Surfer-Stadt Raglan, Rotorua, die Stadt mit heissen Quellen, Schwefeldampf und dem Geruch nach faulen Eiern, über den Tongariro-Nationalpark, wo der Schicksalsberg in Mordor liegt, bis schließlich nach Wellington und von dort mit der Fähre auf die Südinsel Anfang Dezember. Aber dazu bald mehr.
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  • Day 21–27

    Raglan & Waitomo Höhlen

    November 23, 2023 in New Zealand ⋅ ☁️ 21 °C

    Am 23. November ist es soweit und wir holen nach 3 Tagen Entschleunigung auf der Coromandel Halbinsel unser neues Wohnmobil ab.
    Der "Iveco Daily" ist brandneu und bietet den Stoff, aus dem die feuchten Träume aller Rentner mit Abenteuerlust sind, die aber unterwegs auf nichts verzichten wollen. Wenn unser erster Camper das Tinyhouse mit Traumfänger und verspieltem Unkrautgarten war, ist dieser die Penthousewohnung mit Panoramaterasse, Rasenmähroboter und analfixiert gestutzter Rasenfläche. Er bietet insgesamt Platz für 6 Personen, hat eine Dusche mit Warmwasser, einen Fernseher, eine Toilette, eine Küche und eine Liegewiese mit Panoromafenstern am Heck. Das trifft sich gut, denn wie sich herausstellt, ist Josy eine leidenschaftliche Voyeuristin, die im Schutze unserer verdunkelten Scheiben Leute beobachtet.

    Als wir endlich Aucklands Feierabendverkehr entkommen sind und Josy nach langer Schreiorgie und dramatischen "DA"s in allen Variationen (ihr bislang einziges Wort) erschöpft einschläft, sind wir von unserem Ziel nicht mehr weit entfernt: Raglan, das "Byron Bay" Neuseelands, Surf-Mekka und Hippi-Enclave, wo "Rainbow Bowls" mit Chia-Goji-Beeren-Müslis auf der Speisekarte konkurrieren und nach dem Yoga über Workshops zur gewaltfreien Kommunikation gesprochen wird (kein Scherz, war tatsächlich so!).
    Wir fahren zu unserem Campingplatz auf einem grünen Hügel mit Blick aufs Meer und auf die, wie mit einem lineal gezogenen, brechenden Wellen. Hier werden Yoga-, und Surfstunden angeboten, erstere mit einer Yogalehrerin aus Kalifornien (die mit dem Workshop zur gewaltfreien Kommunikation). Wiegenden Schrittes und immer ein Lächeln zwischen den Zähnen (scheint mir passend ob des immensen Muskeltonus, den ein 24 Stunden Lächeln erfordert) kann man das Gelände erkunden, zwischen den Gemüsebeeten schlendern, an Schildern wie "BE PRESENT" vorbei, oder Angebote zu Erdhüttenübernachtungen einholen. Etwas verschmutzte Kinder laufen mit Zottelhaar barfuss umher oder springen auf dem Trampolin, ganz zur Begeisterung von Josy.

    Raglan selbst ist klein, aber voller Cafés, Surfshops, Secondhand-, und Plattenläden. Chiara geht morgens zum Yoga und kommt natürlich super ausgeglichen zurück, während ich, verpennt mit einem Kaffee in der Hand, versuche, Josy davon abzuhalten, sich irgendwelche Abhänge hinunter zu stürzen oder Steine zu essen (sie hat eine Vorliebe für Steine). Ich gehe abends surfen oder trinke bei Vollmond ein Bier im Campingstuhl. Abends koche ich (Chiara mag nie, räumt aber leidenschaftlich und sorgt für Ordnung) und seitdem ich ein Baby habe freue ich mich danach auch aufs Spülen (und in Ruhe Podcast hören).

    Nach einigen schlumpfigen Tagen fahren wir weiter nach Süden zu den Waitomo Höhlen. Das sind hunderte Kalksteinhöhlen und Heimat von Arachnocampa luminosa, eine besondere Langhornmückenart. Und genau wegen dieser möchten wir unbedingt hier hin. Der Name verrät ihre besondere Fähigkeit schon: Sie ist biolumineszent, leuchtet bläulich im Dunkeln und erhellt in Kolonien die abgelgensten Winkeln der Höhlen mit surreal funkelnden Sternenhimmeln.
    Durch die Höhlen fließt kaltes Wasser (12-14 Grad) und hat über die Zeit ein Tunnellabyrinth im Kalkstein geschaffen, welches man mit einer geführten Tour erforschen kann.
    Schon beim Lesen denke ich mir "Geil, das muss ich unbedingt machen!".
    Und am nächsten Tag stehe ich mit einer Gruppe von insgesamt 7 Leuten (2 neuseeländische Studentinnen sind unsere Guides) vor dem Eingang der Höhle, vor Kälte bibbernd im dicken, aber vom Vortag noch nassen Neopren, mit Helm, Stirnlampe, Gummistiefeln und Gummireifen, die aussehen wie riesige Hämorrhoidenkissen.
    Für etwa 2 Stunden lassen wir unsere Welt hinter uns und betreten einen anderen Stern. Wir kriechen durch enge Felsspalten, springen unterirdische Wasserfälle runter, schwimmen auf unseren Hämorrhoidenkissen unterirdische Flüsse entlang, versuchen dabei nicht die riesigen Stalaktiten und Stalagmiten zu berühren, die alle 100 Jahre nur etwa 1 Kubikzentimeter wachsen und das Leuchten nimmt zu, je tiefer wir vordringen.
    Und dann öffnet sich das schmale, mitunter klaustrophobische Höhlensystem und mündet in eine grosse Höhle, deren Decke von tausenden blauen Lichtern erhellt ist. Es ist wie in dem Film "Avatar", wie in einer Traumwelt. Interesant ist gerade wegen der Schönheit dieses Anblicks jedoch der Lebenszyklus dieses Tierchens (Achtung, es wird etwas nerdy) , hier ein kleiner Auszug: Die Weibchen legen ihre Eier an geschützten Orten wie Höhlendecken oder Felsvorsprüngen ab. Die geschlüpften Larven sind fleischfressend und setzen mehrere Zentimeter lange Klebefäden ein, um Beute anzulocken und zu fangen. Ihr Leuchtorgan sitzt hinten am Po und lockt kleine Insekten an, die in ihren Fäden kleben bleiben. Jedoch kommt es bei solch grossen Ansammlungen vor, dass sie ihre kleineren Geschwister quasi als nahrhaften Start ins Leben verspeisen. So beginnt (fast) jedes schöne Leuchten hier mit Kannibalismus, auch hier hat jede Schönheit ihre (sehr kleine und schleimige) Tragödie.
    Durchgefroren, aber völlig beseelt und traumtaumelig von dieser Erfahrung kehre ich zu Chiara und Josy zurück, die sich später einen anderen Teil der Höhle mit einem Boot anschauen.
    Zum Abschied fängt es an in Strömen zu regnen, der dichte (Regen-)Vorhang fällt und wir fahren am Nachmittag weiter Richtung Rotorua, die Stadt der heissen Quellen und des Geruchs der Hölle. Und dazu bald mehr.
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  • Day 24–30

    Schwefel und Mount Doom

    November 26, 2023 in New Zealand ⋅ ⛅ 15 °C

    Rotorua riechen wir, bevor wir sie sehen. Es riecht nach faulen Eiern. "Rotten-orua" wäre ein vielleicht passenderer Name. Die Stadt liegt in einem geothermischen Gebiet, das Teil des pazifischen Feuerrings ist, ein Vulkangürtel, der den Pazifischen Ozean von drei Seiten umgibt und durch die Plattentektonik entstanden ist. Etwa zwei Drittel aller Vulkanausbrüche und ca. 90 % der weltweiten Erdbeben gehen auf dieses Gebiet zurück.

    Wir gehen durch die Stadt, die wie viele Städte Neuseelands wie eine Kulissenstadt eines modernen Westernfilms aussieht. Es riecht wie an Silvester, wenn man gerade durch Schwefelschwaden des Schwarzpulvers wankt und um einen herum die Böller knallen und Raketen explodieren.

    So geht es mir mit Gerüchen oft. Sie wecken die unterschiedlichsten Assoziationen. Mich fasziniert, wie schnell und willkürlich diese zustande kommen und meine Tagträume bestimmen. Chiara jedoch ist die Königin der schrägsten Assoziationen und könnte mit dem Spiel "Assoziations-Pingpong" Geld verdienen. Das ist eine Eigenschaft an ihr, die mich fasziniert und oft zum lachen bringt. Oder vielleicht ist diese Fähigkeit eben Voraussetzung für eine blühende Phantasie.
    Ich bin beim Lesen über Sinne und Assoziationen auf den "Proust-Effekt" gestoßen. Dieser bezieht sich auf das Konzept, dass Gerüche (mehr als alle anderen Sinne) die Fähigkeit besitzen, eine Erfahrung von wieder erlebten, emotionalen und alten autobiografischen Erinnerungen hervorzurufen. Der Name geht zurück auf eine Episode in Marcel Prousts Roman "Auf der Suche nach der verlorenen Zeit," (hab versucht es zu Lesen, hatte aber das Gefühl von verlorener Zeit) in welcher die Erfahrung einer wieder erlebten, extrem lebendigen, lange vergessenen Erinnerung beschrieben wird. Es ist nämlich so, dass nur der Geruchssinn über den Riechnerv eine relativ direkte Verbindung zum limbischen System und damit zu unserem emotionalen Zentrum und unserem Gedächtnis hat.
    Visuelle und auditive Reize hingegen werden durch komplexe neuronale Netzwerke im Gehirn verarbeitet. Umso erstaunlicher, dass jeder von Déjà-vu-Erlebnissen spricht, aber niemand von "déjà senti" (schon gerochen).

    Na gut, zurück zu der Eier-Stadt. Hier gibt es in den öffentlichen Parks statt Ententümpeln und Springbrunnen warme Thermalquellen, in die Leute ihre Füße halten, teilweise noch im Anzug auf dem Weg zur Arbeit.
    Überall sprudelt und dampft es aus heissen Schlammbecken und Fumarolen (Löcher, aus denen vulkanischer Dampf austritt) und auch ich kann nicht wiederstehen und besuche die heissen Therme und bade im Schwefelwasser.

    Wir lassen die Stadt hinter uns und fahren in das Waimangu Tal für eine Wanderung. Das Tal entstand 1886 durch einen Vulkanausbruch und ist immer noch aktives Vulkangebiet. Der etwa 4 Kilometer lange Weg führt uns vorbei am Frying Pan Lake, der die größte Thermalquelle der Welt ist mit einer Fläche von fast 4 Fussballfeldern.
    Wie aus einer Bratpfanne, in der man das gute, kalt gepresste Olivenöl zu stark erhitzt hat, steigen aus seinem Wasser Rauchschwaden empor. Überall blubbert es, das Wasser scheint zu kochen. Es ist stark sauer, hat eine Temperatur von etwa 60 Grad. Unterschiedliche pH-Werte begünstigen das Wachstum diverser Algenarten, die den See gelb, blau oder grün färben.
    Wir lassen den Bratpfannensee hinter uns, laufen mit Josy in der Trage an dampfenden Bächen entlang und am türkis-blauen Inferno Crater vorbei, dessen idyllischer Schein trügt, da man bei seiner Temperatur von 80 Grad schnell wie ein Hummer gekocht wäre. Unsere Wanderung endet am Lake Rotomahana, auf dem schwarze Schwäne schwimmen, die aussehen, als wären sie von den heissen Dämpfen verkohlt.
    Auch Josy hat, trotz mehrfacher Eincremungen und trotz ihres Sonnenhuts mit Krempe, der sie wie eine blasse, pausbäckige englische Landlady aussehen lässt (wir nennen sie "Ms. Pomeroy"), ihren ersten Sonnenbrand bekommen und wir ein schlechtes Gewissen.

    Wir fahren weiter zum Tongariro-Nationalpark Richtung Süden. Er ist der älteste Nationalpark Neuseelands, im Zentrum befindem sich drei aktive Vulkanberge, einer davon Mount Ngauruhoe, der Schicksalsberg in Mordor. Hier hat sich schon Peter Jackson hochgeschleppt und ich möchte den Weg nach Mordor auf mich nehmen und die alpine Tongariro-Überquerung machen, eine Wanderung, die als schönste (und touristischste) Neuseelands gilt.
    Um mir nicht den Weg mit stampfenden Ork-Massen in praktischen 7/8-Hosen und Wanderstöcken (bei Naturerlebnissen bin ich misanthrop) teilen zu müssen, stehe ich um 5 Uhr morgens auf und sitze leider, trotz der frühen Stunde, in einem vollen Bus. Ob senile Bettflucht oder pubertärer Abenteuerdrang, jedes Alter hat es früh aus dem Bett geschafft, wenn ich mir die farblichen Schattierungen der Wackelköpfe vor mir ansehe.
    Der Bus bringt uns an den Ausgangspunkt der Wanderung, tief in den Nationalpark hinein. Kaum angekommen (es ist 06:30 Uhr) laufe ich los, um den Massen zu entgehen und um erster am Gipfel zu sein, werde aber schon nach wenigen Metern gebremst von einer jungen Frau und murmel zähneknirschend "sure", als ich gefragt werde, ob ich ein Foto von ihr vor dem Nationalparkschild machen könne.
    Weiter jogge ich den gut befestigten Weg entlang, der die ersten 5 Kilometer ohne viel Steigung über Vulkangestein durch eine karge Landschaft führt bis zu den Soda Springs (kleine Wasserfälle), vor mir der wolkenverhangene Schicksalsberg. Dann beginnt der Aufstieg und ich erreiche schließlich ein Plateau, das komplett in Wolken liegt mit wenigen Metern Sicht. Ich bin der einzige Mensch weit und breit und laufe durch eine Mondlandschaft. Vielleicht hat hier die NASA 1969 ihre Mondlandung gefilmt?
    Nach einem erneuten kurzen Aufstieg durchbreche ich die Wolkendecke, die Sonne scheint, der Himmel ist blau und ich erreiche den Roten Krater, den mit knapp 1900 Metern höchsten Punkt der Wanderung. Und ich bin der einzige! Ich packe mein Käsebrot aus und schaue in den Abgrund des Roten Kraters und auf den Schicksalsberg zu meiner rechten, der wie ein grosser Trichter mit steilen, rötlichen Hängen aus den Wolken ragt.
    Noch bevor die ersten schnaufenden Orks kommen, laufe ich weiter, an grün-gelben Seen vorbei mit Blick auf den Lake Taupo in der Ferne, den größten See Neuseelands. Nach knapp 20 Kilometern bin ich am Parkplatz und dem Ziel meiner Wanderung angekommen und warte auf den Bus mit dem vertrauenswürdigen Busfahrer in Flipflops, der mich zurück zum Parkplatz bringt. Chiara und Josy wollten mit Bambi, für das es noch zahlreiche Rettungsmissionen während unserer Reise geben wird, zu den Gollum-Wasserfällen, fanden aber mit unserem über 7 Meter langem Camper keinen Parkplatz und haben eine andere Wanderung gemacht.

    Wir verbringen die letzten Tage auf der Nordinsel an wilden Flüssen und in Wellington, der sehr kleinen Hauptstadt mit vielen hippen Cafés.
    Am 05. Dezember nehmen wir die Fähre nach Picton, auf die Südinsel, über die stürmische Cook Strait, die Meerenge zwischen den beiden Hauptinseln. Aber dazu bald mehr.
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