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- Day 21–27
- November 23, 2023 - November 29, 2023
- 6 nights
- ☁️ 21 °C
- Altitude: 75 m
New ZealandKapongaru38°15’42” S 175°6’39” E
Raglan & Waitomo Höhlen

Am 23. November ist es soweit und wir holen nach 3 Tagen Entschleunigung auf der Coromandel Halbinsel unser neues Wohnmobil ab.
Der "Iveco Daily" ist brandneu und bietet den Stoff, aus dem die feuchten Träume aller Rentner mit Abenteuerlust sind, die aber unterwegs auf nichts verzichten wollen. Wenn unser erster Camper das Tinyhouse mit Traumfänger und verspieltem Unkrautgarten war, ist dieser die Penthousewohnung mit Panoramaterasse, Rasenmähroboter und analfixiert gestutzter Rasenfläche. Er bietet insgesamt Platz für 6 Personen, hat eine Dusche mit Warmwasser, einen Fernseher, eine Toilette, eine Küche und eine Liegewiese mit Panoromafenstern am Heck. Das trifft sich gut, denn wie sich herausstellt, ist Josy eine leidenschaftliche Voyeuristin, die im Schutze unserer verdunkelten Scheiben Leute beobachtet.
Als wir endlich Aucklands Feierabendverkehr entkommen sind und Josy nach langer Schreiorgie und dramatischen "DA"s in allen Variationen (ihr bislang einziges Wort) erschöpft einschläft, sind wir von unserem Ziel nicht mehr weit entfernt: Raglan, das "Byron Bay" Neuseelands, Surf-Mekka und Hippi-Enclave, wo "Rainbow Bowls" mit Chia-Goji-Beeren-Müslis auf der Speisekarte konkurrieren und nach dem Yoga über Workshops zur gewaltfreien Kommunikation gesprochen wird (kein Scherz, war tatsächlich so!).
Wir fahren zu unserem Campingplatz auf einem grünen Hügel mit Blick aufs Meer und auf die, wie mit einem lineal gezogenen, brechenden Wellen. Hier werden Yoga-, und Surfstunden angeboten, erstere mit einer Yogalehrerin aus Kalifornien (die mit dem Workshop zur gewaltfreien Kommunikation). Wiegenden Schrittes und immer ein Lächeln zwischen den Zähnen (scheint mir passend ob des immensen Muskeltonus, den ein 24 Stunden Lächeln erfordert) kann man das Gelände erkunden, zwischen den Gemüsebeeten schlendern, an Schildern wie "BE PRESENT" vorbei, oder Angebote zu Erdhüttenübernachtungen einholen. Etwas verschmutzte Kinder laufen mit Zottelhaar barfuss umher oder springen auf dem Trampolin, ganz zur Begeisterung von Josy.
Raglan selbst ist klein, aber voller Cafés, Surfshops, Secondhand-, und Plattenläden. Chiara geht morgens zum Yoga und kommt natürlich super ausgeglichen zurück, während ich, verpennt mit einem Kaffee in der Hand, versuche, Josy davon abzuhalten, sich irgendwelche Abhänge hinunter zu stürzen oder Steine zu essen (sie hat eine Vorliebe für Steine). Ich gehe abends surfen oder trinke bei Vollmond ein Bier im Campingstuhl. Abends koche ich (Chiara mag nie, räumt aber leidenschaftlich und sorgt für Ordnung) und seitdem ich ein Baby habe freue ich mich danach auch aufs Spülen (und in Ruhe Podcast hören).
Nach einigen schlumpfigen Tagen fahren wir weiter nach Süden zu den Waitomo Höhlen. Das sind hunderte Kalksteinhöhlen und Heimat von Arachnocampa luminosa, eine besondere Langhornmückenart. Und genau wegen dieser möchten wir unbedingt hier hin. Der Name verrät ihre besondere Fähigkeit schon: Sie ist biolumineszent, leuchtet bläulich im Dunkeln und erhellt in Kolonien die abgelgensten Winkeln der Höhlen mit surreal funkelnden Sternenhimmeln.
Durch die Höhlen fließt kaltes Wasser (12-14 Grad) und hat über die Zeit ein Tunnellabyrinth im Kalkstein geschaffen, welches man mit einer geführten Tour erforschen kann.
Schon beim Lesen denke ich mir "Geil, das muss ich unbedingt machen!".
Und am nächsten Tag stehe ich mit einer Gruppe von insgesamt 7 Leuten (2 neuseeländische Studentinnen sind unsere Guides) vor dem Eingang der Höhle, vor Kälte bibbernd im dicken, aber vom Vortag noch nassen Neopren, mit Helm, Stirnlampe, Gummistiefeln und Gummireifen, die aussehen wie riesige Hämorrhoidenkissen.
Für etwa 2 Stunden lassen wir unsere Welt hinter uns und betreten einen anderen Stern. Wir kriechen durch enge Felsspalten, springen unterirdische Wasserfälle runter, schwimmen auf unseren Hämorrhoidenkissen unterirdische Flüsse entlang, versuchen dabei nicht die riesigen Stalaktiten und Stalagmiten zu berühren, die alle 100 Jahre nur etwa 1 Kubikzentimeter wachsen und das Leuchten nimmt zu, je tiefer wir vordringen.
Und dann öffnet sich das schmale, mitunter klaustrophobische Höhlensystem und mündet in eine grosse Höhle, deren Decke von tausenden blauen Lichtern erhellt ist. Es ist wie in dem Film "Avatar", wie in einer Traumwelt. Interesant ist gerade wegen der Schönheit dieses Anblicks jedoch der Lebenszyklus dieses Tierchens (Achtung, es wird etwas nerdy) , hier ein kleiner Auszug: Die Weibchen legen ihre Eier an geschützten Orten wie Höhlendecken oder Felsvorsprüngen ab. Die geschlüpften Larven sind fleischfressend und setzen mehrere Zentimeter lange Klebefäden ein, um Beute anzulocken und zu fangen. Ihr Leuchtorgan sitzt hinten am Po und lockt kleine Insekten an, die in ihren Fäden kleben bleiben. Jedoch kommt es bei solch grossen Ansammlungen vor, dass sie ihre kleineren Geschwister quasi als nahrhaften Start ins Leben verspeisen. So beginnt (fast) jedes schöne Leuchten hier mit Kannibalismus, auch hier hat jede Schönheit ihre (sehr kleine und schleimige) Tragödie.
Durchgefroren, aber völlig beseelt und traumtaumelig von dieser Erfahrung kehre ich zu Chiara und Josy zurück, die sich später einen anderen Teil der Höhle mit einem Boot anschauen.
Zum Abschied fängt es an in Strömen zu regnen, der dichte (Regen-)Vorhang fällt und wir fahren am Nachmittag weiter Richtung Rotorua, die Stadt der heissen Quellen und des Geruchs der Hölle. Und dazu bald mehr.Read more
TravelerWow! Ich lese das jetzt erst und bin voll mit dabei. Spektakulär! Allerdings nix für mich, wegen Klaustrophobie… aber toll geschrieben, sehr anschaulich!
TravelerKann mich nur anschließen! Deine Schilderungen dieser Familienexpedition sind so mitreißend, es reicht mir in ihnen zu schmökern und mit meiner Familie in der Bude hocken zu bleiben. 😜
Du schreibst das so schön anschaulich, dass ich schon vom Lesen Beklemmungen bei der Beschreibung des Höhlensystems bekomme 😅 [Jana]
TravelerWow!!