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  • Day 18

    Von Dschungelschnaps und Spinnenjojos...

    March 4 in Costa Rica ⋅ ⛅ 25 °C

    Costa Rica ist ja eher nix für Langschläfer.
    Der allgemeine Rhythmus im Land richtet sich nach dem Tageslicht, welches sich ganzjährig gleichbleibend zwischen 05.30 und 06.00 Uhr zeigt und zwischen 17.30 und 18.00 Uhr schon wieder verschwindet. Dadurch bekommt man in den meisten Sodas auch eher Frühstück als Dinner, Schule fängt schon um 7 Uhr an und die Bürgersteige werden konsequent mit Einbruch der Dunkelheit hoch geklappt.
    Wir haben uns insoweit assimiliert, dass wir - Urlaub hin oder her - jeden Tag bereits um 6 Uhr munter werden.

    Heute müssen wir aber selbst für diese Verhältnisse sehr früh aus dem Bett fallen. Schon um 05.40 Uhr stehen wir am Flussufer, wo wir mit einer deutschen Familie und unserem Guide Chamba (aka Victor) zu einer Kanutour aufbrechen wollen.
    An Tortuguero grenzt ein großer Nationalpark, der sowohl zu Wasser als auch zu Fuß erkundet werden kann. Und joar, wo wir schon mal da sind, machen wir halt einfach beides.

    Ich bin dabei ja dem naiven Glauben erlegen, dass wir zu dieser frühen Stunde das Wasser und die Tierwelt ganz in Ruhe "für uns" genießen können, aber weit gefehlt: Am Nationalparkeingang tummelt sich schon ein Kanustau mit Guides, die sich zur Parköffnung um 6 Uhr für die Permits anstellen. Große Gruppen von lauten, plärrigen Touristen hocken bereits in den Booten und ich bereue bei dem Geräuschpegel zutiefst, dass ich auf meinen morgendlichen Kaffee verzichtet habe, weil ich annahm, dass ich sanft vom Kanu und einigen Tiersichtungen in einen sozialverträglichen Wachzustand geleitet werde.

    Um kurz nach 6 Uhr geht es dann für die meisten los und der Fluss erinnert damit fast an eine mehrspurige Wasserautobahn mit dutzenden röhrenden Motoren, vor der sich jegliche Fauna wohl schnell in Sicherheit bringen dürfte. Puh...
    Zum Glück führt uns Chamba bald in ruhigere Arme des weit verzweigten Kanalsystems und versorgt uns mit vielen Informationen zur Gegend und zur Tierwelt. So entdecken wir doch noch Iguanas, Klammeraffen, verschiedenste Wasservögel, Kaimane und sogar einen Basilisken (alias "Jesus-Christ- Echse" -> kann nämlich über Wasser laufen😎).

    Chamba ist in Tortuguero aufgewachsen und erzählt auch sehr gerne mal einen Schwung aus seinem Leben.
    Als Kinder kannten sie z.B. kein Spielzeug, das ist erst in den 90ern zusammen mit den ersten Touristen
    angeschwappt. Daher hat man als Kiddie halt genommen, was der Dschungel hergab - und so wurden Spinnen zu Jojos umgebaut (aber nur eine bestimmte Sorte, weil da der Faden so schön flippt) oder es wurde mit Schlangen in der Hand Fange gespielt, was Chamba gar nicht toll fand, denn Schlangen hasst er wie die Pest. Ist dann auch am schnellsten gerannt. Hat sich aber revanchiert, indem er seine Kumpels mit PfeilGIFTfröschen (!) beworfen hat.

    "Ziemlich krass, dass wir überhaupt noch leben", sagt er heute dazu lachend. Wir können da nur mit großen Augen nicken.

    Ein sehr unterhaltsamer Mann und auch unsere kleine Gruppe macht mal wieder richtig Spaß. Wir frotzeln (flüsternd) über dieses und jenes herum, zum Beispiel dass wir den Regenschirm vergessen haben und es daher unseren bescheidenen Costa-Rica-Erfahrungen nach auf jeden Fall regnen müsste, denn so war es bisher schon öfter auf der Reise... und ZACK, slapstick-like fängt es genau in dem Moment an zu schütten und wird dann auch immer stärker. So fast 1,5 Stunden lang. Genau mein Humor!

    Nun ja, die Verantwortlichkeiten waren jedenfalls schnell geklärt und wir fühlen uns in unserer inoffiziellen Rolle als Regengötter ein weiteres Mal bestätigt.
    Außer Wasser von allen Seiten sehen wir nun leider auch nicht mehr viel anderes, also vertreiben wir uns die Zeit mit weiterem Gefrotzel und Geschichten aus Chambas Leben.

    Um 09 Uhr werden wir dann wieder an Land gekippt, um uns zu trocknen, zu frühstücken (was hier schon eher Brunchzeit ist) und um uns zu 11 Uhr wieder zu sehen zu Part II unserer Tour. Diesmal laufen wir mit Gummistiefeln und - ganz wichtig - Regenschirm (!) bewaffnet durch den Regenwald und ein wenig am Strand entlang.

    Zunächst werden uns aber die Regeln eingebläut: Nichts anfassen, immer auf den Weg schauen, immer auf Chamba hören.
    Unterstrichen werden diese von Geschichten über Touristen, die sich nicht dran gehalten haben und tragischerweise den Löffel abgeben mussten (komisch, es sind immer US-Amerikaner...).
    Auf meine Frage hin, wie oft so etwas passiert, schaut er mir nur todesernst tief in die Augen und sagt mit dunkler Stimme:
    "Also diese Woche haben bei mir noch alle überlebt..."

    Es ist übrigens Montag.

    Überaus brav trotten wir daher dicht hinter unserem lebensrettenden Guide her und bekommen auch gleich mal einen Survivalkurs, z.B.:

    - wie man im Dschungel kommuniziert (auf Holz klopfen)
    - wie man nicht verdurstet (eine bestimmte Liane aufschneiden)
    - wo man Medizin findet (die Rinde eines Baumes aufschneiden und die blutrote Flüssigkeit für irgendwie alles nutzen)
    - und am allerwichtigsten: wie man nie versiegenden Dschungelschnaps herstellt (aber DAS bleibt mein Geheimnis, hehe)

    Wir sehen ganz nebenbei noch sehr viele Tiere, vor allem rote Baumfrösche, blaue Waldkrabben, einen wunderschön bunten keel-billed Tukan, nochmal Klammeraffen, Vögel (u.a. einen seltenen Trogon), ein Aguti... die Tierdichte ist schon toll und lässt die Schildkröten, für die ja sonst alle her kommen, überhaupt nicht vermissen.

    Im Übrigen gibt es hier auch die ehesten Chancen, seltene Jaguare zu sichten. Es leben ungewöhnlich viele dieser Großkatzen auf relativ engem Raum zusammen, was eben auf das besonders hohe Nahrungsangebot zurück zu führen ist.
    Die Tiere besuchen sogar gerne mal das Dorf, um sich einen Snack in Form von Hunden und Katzen zu holen... Sie sind daher auch nicht ganz so beliebt bei Haustierhaltern.

    Tatsächlich stolpern wir am Ende unserer Tour direkt bei unserer Unterkunft wieder aus dem Unterholz heraus.
    Chamba erzählt uns allen Ernstes, dass genau hier die Jaguare nachts öfter vorbei kommen sollen... daher auch die Pfotenabdrücke im Beton.
    Ich glaube ihm kein Wort und vermute einen seiner vielen Späßchen, bis er uns ein Video von einer Kamerafalle zeigt, auf dem tatsächlich eine Jaguardame über die kleine Brücke spaziert, die neben unserem AirBnB liegt... mir klappt der Kiefer nach unten. Was für ein Zufall!

    Also, falls hier jemand mit liest und jemals mal nach Tortuguero reisen sollte: Fragt nach Chamba (Viktor Diaz) als Guide oder Barbara Hartung (eine Deutsche, die auch Guide ist und ihn uns vermittelt hat).
    Wir haben sehr viele super gute Guides gehabt in Costa Rica, er war aber für uns der Beste.
    Es hat soviel Spaß gemacht, dass er tatsächlich stillschweigend einfach die Tour noch eine Stunde verlängert hat. Und die Zeit ist so verflogen, wir haben es nicht mal gemerkt.

    Es ist schon nachmittags, also holen wir uns schnell etwas zu essen, entdecken neben einem Fußballplatz noch mehrere Grünflügelaras, die wir natürlich ewig mit unserer Anwesenheit belästigen müssen und wandern zum Abend ein wenig am Strand herum.

    Und so geht ein sehr langer, aber wunderschöner Tag mit einem mindestens genauso langen Footprint- Eintrag zu Ende.
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