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  • Day 6

    Musei Vaticani

    March 11 in Vatican City ⋅ ⛅ 11 °C

    Im Zentrum der Macht

    Heute öffneten sich für mich (und ein paar tausend andere Kunstpilger) die Mauern des Vatikan.

    Ich war den einst Mächtigsten der Welt so nahe und die Pracht war unfassbar.
    Weiß man in der Stadt nicht mehr vor Statuen, Brunnen und Kirchen wohin mit der Aufmerksamkeit, weiß man in Kirchen irgendwann nicht mehr, welcher Papst nun wo liegt und welcher Altar wem geweiht ist, so weiß man in diesen Räumen gar nicht mehr, wohin das Auge denn noch sehen soll:

    Über und über
    marmorne Gänge,
    Stuck,
    goldene Decken,
    ausgemalte Wände,
    Fußböden, über die man sich kaum zu gehen traut und
    kaum eine Nische ohne Verzierung,
    Furnier oder
    allgegenwärtiges Papstwappen (welches auch immer) und
    kaum ein Türsturz ohne Inschrift wie "SIXTVS V PP AD MDLXXXVIII PONT III" oder dergleichen.

    Ein bisschen vorsortiert hatte ich schon, und so ließen ich denn die ägyptische und etruskische Sammlung aus und staunte über die "Kandelabergalerie" die neben kunstvollen steinernen Kerzenhaltern jeder Menge an bildhauerischen Meisterwerken bot. Immer wieder galt das erste Interesse und Aufblicken aber den Räumen.

    So auch in der Kartengalerie (Galleria delle carte geografiche), die mit einem wohl über 100 m langen Flur voller Stuck und Deckenmalerei samt bildhauerischer Gestaltung Italien und seine Inseln als riesige Wandmalereien bietet.

    Die physischen Karten sind unglaublich detailgetreu und plastisch gemalt; man sieht jede Erhebung, jedes Tal...
    Dazu waren die Zeichnungen phantastie- und liebevoll verziert und um allerlei Spielereien und Darstellungen erweitert.
    Da fuhren Schiffe mit Spiegelheck auf einem Meer mit echtem Wellengang und an Land war es genau so windig, wie Wolken und Bäume verrieten.
    Ein Schiff hatte Probleme mit seinen Segeln, die Galeeren ruderten samt Trommler dahin und andere setzen ein Beiboot aus.
    Die Piraten hatten gar schon Waffen und Ketten zur Hand.
    Andere Schiffe lieferten sich ein Gefecht, wieder ein anderes setzte ein Beiboot aus oder transportierte gar vorm Trajanschen Hafen den Obelisken für den Petersplatz heran.
    Klöster wie bedeutende Kirchen waren mit goldenen Kreuzen geschmückt und Detailkarten zeigten Stadtpläne mit wichtigen Punkten in der Stadt.
    Roms Wasserversorgung aus dem Umland mit Aquädukten war genauso erkennbar, wie Genuas Stadtmauer, die bis in die Berge reichte.

    Auch historische Ereignisse oder Plätze wurden festgehalten, das Heerlager von Karl dem Großen etwa, wie auch Hannibals Leute. "hier überquerte Hannibal mit seinem Heer die Alpen und griff Rom an" oder so ähnlich muss die lateinische Inschrift bedeuten.

    Bienen und Drachen als Wappentiere in kunstvoller Verschnörkelung tummelten sich genau so, wie Meeresungeheuer, rettende Nixen oder nur einfach Hund und Katze, die sich angifteten....

    Am Ende boten "ITALIA ANTICA" und "ITALIA NUOVA" als Übersichtskarten einen wundervollen Gesamteindruck.
    An der Stirnseite bildeten die Hafenansichten der Serenissima und Anconas den Abschluss.

    Darüber die Wappen Gregors XIII und Urbans VIII.
    Vollendet also 1585.

    Die meisten Touristen folgten im Eilschritt ihrem Führer "Da ist Sardinien und da Korsika... " und man raste vorbei, ein Foto hier oder da und wenn die Zeit reichte, auch schnell ein Selfie.

    Tatsächlich standen ich aber auch neben einem jungen Mann, der sich ausharrend an Details freute - und sofort entspann sich ein Gespräch, bei dem heraus kam, dass er gerade seine Heimatregion betrachtete.
    Sogleich gab es etwas mehr zu sehen und zu verstehen.

    Diese Galerie war jedenfalls der Hammer und ich fragte mich ernsthaft, ob die sixtinische Kapelle, mit deren Bilderwerk ich mich schon im Vorfeld etwas näher beschäftigt hatte, nicht gar überbewertet würde.
    Zumindest ist es total unverständlich, dass dieser begehbare Atlas und sein(e) Künstler nicht weit mehr Berühmtheit erlangt hat.

    Es folgten die nicht weniger eindrucksvollen "Stanzen", also vier Räume, die Raffael mit seiner Schule im Auftrag von Papst Julius II komplett flächig ausmalt hat. Hier finden sich seine berühmtesten Werke. Auch hier, in diesen ehemaligen päpstlichen Privatgemächern hätte ich Tage verbringen können, um das Werk nur halbwegs fassen zu können. Der Massenansturm und die beständig durchrollende Schlange "geführter" Touristen machte wahren Genuss aber nahezu unmöglich.

    Mit den Privatgemächern der Borghias ging es noch durch einige prächtige Räume, in denen ich den Geist der Zeit atmen konnte.
    Dass etliche dieser Gemächer durch moderne "Kunst" fast entehrt wurden, hat wohl kaum jemand so gesehen.
    Es hat sowieso kaum jemand richtig hingesehen.
    Aber fotografiert haben sie Leute viel.
    Vor allem sich selbst.
    Und auf Insta steht dann *grins* #ich war da

    Dennoch blieb mir bewusst: Ich befand mich im Apostolischen Palast! Im Nabel der alten Welt...
    Das wurde auch beim folgenden Gang durch eingewölbte Treppenhäuser oder beim Blick aus den Fenstern deutlich.

    Dann noch ein paar uninteressante, modernisierte Räume voll neuem Zeug - und ich stand vor der Tür jahrhundertealter Konklaven.
    Hier wurde die Weltgeschichte entschieden...

    Die Krönung dieses Vormittags war natürlich die weltberühmte sixtinische Kapelle.
    Der Ansturm ist katastrophal.
    Atmosphäre kann dabei überhaupt nicht aufkommen.
    Der Saal, der durch seine Größe schon manch Kirchlein in den Schatten stellt, glich eher einer Abfertigungshalle.
    90% der Besucher bewegte sich halbwegs interessiert als schlurfende Lawine einfach durch, während einige in der Mitte auch mal ausharrten.
    Aber wie will man kopfüber und bei dieser Atmosphäre dieses Werk erfassen?
    Ich versuchte es und hatte zwei mal riesiges Glück einen der ganz wenigen Plätze auf den Bänken zu bekommen, wo ich aus verschiedenen Blickwinkeln recht entspannt und mit viel Zeit schauen konnte.
    Einfach schauen.
    Diese Farbenpracht, diese Bildsprache, diese Themen!

    Und immer wieder auch das Bewusstsein, an welchem Ort man sich gerade befindet...

    Anschließend noch einmal eine intensive Blickrunde aus drittem Winkel, am Ende des Raumes.
    Ich konnte mich kaum losreißen, aber das alles war auch sehr anstrengend für Leib und Seele.
    (Michelangelo hat allein für die Deckenmalerei 4 Jahre auf dem Rücken liegend gearbeitet...)

    Nach über einer Stunde Aufenthalt ging ich - total fasziniert, aber auch überanstrengt.

    Für weitere Ausstellungen war ich zu müde.
    Also freute ich mich auf das letzte Highlight dieses Besuches, nämlich, die berühmte Spiraltreppe von Guiseppe Momo hinabzusteigen.
    1932 gebaut begeistert sie durch eine raffinierte Doppelrampe, die in allmählichem Übergang Stufen und schiefe Ebene kombiniert.
    Die Außengeländer sind beidseitig mit Bronzegussplatten belegt, die innerhalb abwechselnder Verzierungen verschiedenste Päpstliche Wappen zeigen.

    Der Regen von Rom hatte mich wieder.
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