• Hoodoos

    15–16 abr. 2024, Estados Unidos ⋅ 🌬 5 °C

    Nach einer recht frischen Nacht werden wir beide gut gelaunt am Montagmorgen wach. Die Aussicht ist wirklich gigantisch. Ohne den reservierten Platz im Zion National Park würden wir auch definitiv noch eine Nacht hier verbringen. Während Hanna eine Runde mit Bella dreht, baue ich unser Bett um und kümmere mich um den Kaffee.
    Innerhalb von knapp zehn Minuten sehe ich dabei tollsten Sonnenschein, Regen, Hagel und Schnee aus dem Seitenfenster. Ähnlich wild in so kurzer Zeit habe ich es bislang nur auf Island gesehen. Aber wie schon in einem anderen Bericht erwähnt, passt das Wetter auch zum April.
    Zum Glück sind die beiden auf der morgendlichen Runde nicht nass geworden, sondern maximal etwas angefroren. Die Standheizung lassen wir aber erstmal aus, immerhin kommt die Sonne wieder durch und wärmt Freddie so etwas auf.

    Während wir den Kaffee genießen, schauen wir noch einmal auf die Wettervorhersage. Am Bryce Canyon ist schlechtes und vor allem kaltes Wetter angesagt. Wir treten also ein wenig auf die Bremse und trödeln ein wenig vor uns hin. Die letzten zwei Wochen sind wir vom Wetter doch sehr verwöhnt worden und mit der groben Route für die nächsten und letzten vier Wochen in den USA lebt es sich dann noch einmal viel entspannter in Tag hinein.
    Unabhängig voneinander haben wir am Vortag beim Erforschen der Karte der Umgebung den kleinen Ort Escalante ausgemacht und sind dort beide über ein kleines Restaurant gestolpert. Dort soll es den Bildern nach gute Pizzen geben – wir haben beide große Luft darauf und so ist dann auch etwas später die Route eingegeben.

    Der Anweisung des Navi folgen wir aber erstmal nicht, sondern fahren in Richtung der Hells Backbone Road. Diese Schotterpiste verbindet wie der Highway die Orte Boulder und Escalante, ist allerdings nur gut in den Sommermonaten passierbar. Wir unternehmen den Versuch trotzdem, auch wenn uns ein Schild ein paar Meilen hinter dem Stellplatz schon verkündet, dass die Strecke nicht passierbar ist. Davon nicht beeindruckt und mutig aufgrund der 7-Meilen-Stiefel auf Freddie, fahren wir die nächsten paar Meilen entlang der Schotterpiste durch einen Wald. Kontinuierlich windet sich der Weg nach oben und nachdem wir auf knapp 2600 Höhenmeter angekommen sind, ist auch links und rechts im Wald noch eine zum Teil geschlossene Schneedecke auszumachen. Die ersten meterlangen Abschnitte von Schnee auf dem Weg überwinden wir auch noch ohne Probleme, danach wird es dann aber schon herausfordernd. Unter dem Schnee ist der Waldboden matschig, der Schnee in der Fahrspur ist zum Teil zu Eis gefroren und unsere Bodenfreiheit ist schon fast nicht mehr ausreichend.

    An einer Stelle des Weges der erstmal ein paar Meter abwärts fährt, halten wir dann an. Zwar würden wir ohne Probleme nach unten rollen können, aber es ist nicht absehbar, wie es weitergeht. Bergauf zurück könnte es auch problematisch werden. Unser Streben als Schlagzeile in der Bildzeitung zu enden, weil zwei abenteuerlustige Deutsche sich in der Wildnis von Utah festgefahren haben, ist ebenfalls nicht ausgeprägt und so lassen wir die Vernunft siegen.

    Eine halbe Stunde später rollen wir wieder am Stellplatz vorbei und sind auch flugs wieder auf dem Highway in Richtung Escalante unterwegs. Wir werden des dauerhaften Staunes auch heute nicht müde und wissen zum Teil gar nicht, wo wir bei all Landschaft hinschauen sollen. Für ein Minuten sind wir zumindest kurzfristig von der Landschaft ablenkt. Vor uns fährt ein Pickup-Truck mit offener Ladefläche und auf dieser fährt ein Hund mit. Er läuft dabei von links nach rechts auf der Ladefläche herum. Wir sind nicht sicher, ob er unsicher ist, aufpasst oder sich auch einfach nicht an der Ladefläche satt sehen kann. Es ist aber definitiv nicht seine erste Reise auf diese Art und Weise.

    In Escalante angekommen, parken wir auch direkt bei den Escalante Outfitters und sind direkt hin- und weg vom Konzept. Im vorderen Teil befindet sich ein Geschäft für den Bedarf der modernen Wandersleute und im hinteren wird der Hunger selbiger gestillt.
    Wir schauen auf die Karte und entscheiden uns für zwei vegetarische Pizzen. Ein kurzer Blick und wir haben uns wortlos darauf geeinigt, dass es jeweils die große 16 Zoll Variante der Pizza wird. Zusammen mit zwei kalten Getränken sowie dem fast obligatorischen Trinkgeld, wechseln dann umgerechnet knapp 70€ den Besitzer. Fast ein Schnäppchen, aber zum Einen wird die Pizza auch Frühstück des nächsten Tages und zum Anderen haben wir auch einfach gigantische Sehnsucht nach guter Pizza.

    Während sich das 3er-Grüppchen am Nebentisch eine kleine 10“ Pizza teilt, kommt die Servicekraft mit einer Etagere und unseren beiden Pizzen an und verschwindet flugs wieder, aber nicht ohne noch einen charmant-frechen Kommentar zu hinterlassen. Wir fühlen uns ein wenig beobachtet, genießen aber die beiden grandiosen Pizzen bzw. zumindest jeder die Hälfte eines der Wagenräder. Hanna bringt es ganz gut auf den Punkt, als sie in einer Kaupause festhält, dass wir so auch einfach mehr Belag und weniger Rand haben.
    Nach einer guten halben Stunde haben wir den Rest der Pizza in Alufolie verpackt und laufen ein wenig durch den anderen Teil des Ladens. Hanna wird bei einer ziemlich schicken Mütze mit Sonnenschutz fündig und gemeinsam rollen wir uns noch eine große Bauchtausche mit Trinkblase und genug Stauraum für die 360°-Kamera und anderen Kleinkram.

    Wieder zurück auf dem Highway stellen wir fest, dass es bis zum Bryce Canyon nur noch knapp 50 Minuten sind. Das Himmel soll laut Vorhersage bei unserer Ankunft auch aufklaren und so beschließen wir, dem Nationalpark heute noch zu besuchen. Der Eingang liegt auf einer Höhe von knapp 2400 Metern und während wir auf diesen zu rollen, kommen uns noch drei Reisebusse und Unmengen an anderen Fahrzeuge entgegen. Wir gestehen uns ein, dass wir uns von der Einsamkeit der letzten gut zehn Tage verabschieden müssen und wir mit dem Bryce Canyon, Zion und Grand Canyon Nationalpark in dem Gebiet angekommen sind, dass ohne Ende von Touristen frequentiert ist – uns eingeschlossen.

    Wir sind aber erstmal dankbar, dass der Park dann doch einigermaßen leer ist. Die Kombination aus schlechtem Wetter, einem Montag und einer Temperatur um den Gefrierpunkt haben dazu vermutlich auch beigetragen. Von Fotos und aus Erzählungen von Tante und Onkel wissen wir was uns erwartet: Hoodoos.
    Diese turmartigen Gebilde aus Sedimentgesteinen, werden durch langsame Erosion geformt. Im Gegensatz zu herkömmlichen Felsnadeln besitzen Hoodoos eine charakteristische Silhouette, die sich von der Basis zur Spitze in regelmäßigen oder unregelmäßigen Abständen verjüngt und verbreitert. Diese einzigartige Form erinnert oft an einen Totempfahl. Ihre Gestalt verdanken sie den unterschiedlich harten Sedimentschichten, aus denen sie aufgebaut sind. Insbesondere die harte Schicht an der Spitze schützt den Hoodoo vor Erosion von oben. Die verschiedenen Minerale in den Schichten verleihen den Hoodoos eine Vielfalt an Farben, die sich oft von Weiß zu verschiedenen Rottönen ändern, je nach Höhe des Turmes.

    Mit beiden Vorkenntnissen gewappnet, waren wir dann aber trotzdem nicht auf die beeindruckende Schönheit der Hoodos gefasst. Diese nebeneinander in Reih und Glied vor steilabfallenden Klippen in der untergehenden Sonne auszumachen und dabei gleichzeitig einen Blick auf die Weite des Colorado-Plateaus zu werfen ist wirklich einmalig. Fotos können dieser Aussicht auch nur in Teilen gerecht werden, daher sind wir unglaublich dankbar, diese Aussicht live auf uns wirken lassen zu können. Wir verbringen knapp drei Stunden im Park und fahren dabei von Aussichtspunkt zu Aussichtspunkt und kommen wirklich aus dem Staunen nicht mehr raus. Zum Teil fröstelt es und aber auch ganz schön gewaltig, es geht eine mehr als steife Brise. Nach Sonnenuntergang spazieren wir, fast alleine, mit Bella einen kleinen Teil des Rim-Trails entlang. So wie sich langsam die Dunkelheit über das Colorado-Plateau legt, habe ich mir immer das „Nichts“ aus der Unendlichen Geschichte von Michael Ende vorgestellt.
    Die Wettervorhersage für den morgigen Dienstag sowie das „Hundeproblem“ stimmen uns ein wenig traurig, dass wir hier nicht noch mehr richtig wandernd entdecken können. Aber so viel wie wir schon erlebt haben, können wir ehrlich gesagt auch nicht mehr verpassen. Da es uns beiden aber mittlerweile ziemlich in den Füßen kribbelt, nehmen wir uns vor, aktiver nach Wanderung außerhalb der Nationalparks zu suchen.

    Die Suche nach einem Stellplatz im dunklen Wald in der Nähe des Bryce Canyon zieht sich etwas in die Länge und so dauert es fast bis zehn Uhr, bis wir für die Nacht geparkt haben. Schwermütig, überwältigt und irgendwie überfordert machen wir uns beide für die Nacht fertig.
    Leer más