• Day 135–136

    Guinness und Rummikub

    June 15, 2024 in Canada ⋅ ☁️ 12 °C

    Unser Wecker klingelt heute recht früh, damit wir uns um 11 Uhr vom Campground aufmachen können, aber noch entspannt Zeit für Kaffee und eine Gassirunde haben. Wir führen unsere Umbau- und zeremonielle Kaffee-Choreographie auf und genießen kurze Zeit später das Käffchen. Christian macht sich dann auf zum Spülen und ich watschele mit Bella eine Runde bis zum Ufer des Fraser Rivers. Wir passieren Grundstücke, wo Birken zu Rindenmulch verarbeitet werden, und Mitbürger auf Aufsitzrasenmähern, die Picknickplätze für Touristen fein machen.

    Zurück an Freddie hat Christian ihn bereits zur Abfahrt bereit gemacht und wir rollen zur Abwasserstation. Das Ablassen des Wassers geht recht flott, das Auffüllen des Frischwassers jedoch eher tröpfchenweise vonstatten. Dadurch, dass wir immer unseren Albfilter dazwischenschalten, führt der sowieso schon geringe Wasserdruck schnell dazu, dass man etwas Geduld beim Auffüllen mitbringen muss… aaaber wir haben ja Zeit. So bleibt noch Zeit für einen weiteren Schnack mit dem netten Niederländer, der den Campingplatz vor einem Monat übernommen hat. Eine gute halbe Stunde später machen wir uns dann endgültig auf den Weg weiter in Richtung der Rockies und der Staatsgrenze nach Alberta.

    Nach einiger Zeit in Freddie hat sich Christian ein Café ausgesucht, das direkt am Highway liegt. Als wir darauf zurollen, sehen wir eine große Menge an Autos auf dem Parkplatz und parken mit etlichen anderen Touristen. Wir steigen aus und lassen erstmal die Kulisse auf uns wirken. Nicht weit entfernt ragt der Mount Robson in die Wolken, der höchste Berg der kanadischen Rocky Mountains. Die Aussicht ist wirklich imposant. Ich setze mich mit Bella draußen im Garten des Cafés und Christian schaut drinnen nach, was das Angebot so hergibt. Nach einer Viertelstunde stößt er unverrichteter Dinge wieder zu uns und ist leicht frustriert, da im Café eine Flut an Reisebusinsassen anstand und das Warten wohl mehr als unangenehm war. Also machen wir uns auf zu einer kleinen Gassirunde durch den nett angelegten Park zu Füßen der Berge und hopsen danach wieder in unser kleines Heim auf Rädern. Ausgestattet mit Crackern, Salzbrezeln und zwei Äpfeln, mümmeln wir zufrieden bei fantastischen Aussichten aus dem Fenster.

    Heute Abend haben wir einen Campingplatz im Jasper Nationalpark gebucht und sind neugierig auf diesen sehr bekannten Park in Kanada. Wir sind noch eine Stunde mit Hörbuch auf den Ohren unterwegs und parken dann erstmal in Jasper, bevor wir den Campingplatz anfahren. Hier lassen wir uns treiben und werden von einem Pub angelacht, der eine köstliche Burgerkarte und Guinness vom Fass anbietet. Heute war eigentlich einiges an Regen angesagt, aber wir haben Glück und können mit Bella sogar auf der Terrasse sitzen. Wir haben seit unserer ersten Reise nach Irland vor vier Jahren beide eine Schwäche für Guinness und genießen mit Gedanken an unseren Lieblings-Thatch-Pub dort das leckere Tröpfchen. Der Burger, wir schaffen es in letzter Zeit immer genau das Gleiche zu essen, ist wirklich außerordentlich köstlich, genauso wie die Pommes, die dazu gereicht werden.

    Mit vollem Magen und seeeeehr zufrieden, schlendern wir nach dem Päuschen im Pub noch eine kleine Runde durch die Kleinstadt. Man merkt, dass hier alles auf Tourismus ausgelegt ist. Es ist aber alles wirklich nett aufgemacht und die Kulisse, in der die Stadt gelegen ist, lässt einen zwischendurch glauben, dass am Horizont eine wunderschöne Tapete angebracht ist. Ich sage zu Christian, dass ich mich nicht wundern würde, wenn ich irgendwann gegen die Kuppel dieser unwirklichen Welt laufen würde, weil ich mich zwischenzeitlich wie in der Truman Show fühle. Wir hopsen in einen Outdoor-Laden, ich halte aktuell Ausschau nach einem langen Oberteil oder Pullover, da ich lediglich zwei Pullover und eine Jacke dabeihabe. Dadurch, dass wir alle zwei bis drei Wochen waschen, wäre ein weiteres langärmliges Oberteil eventuell nicht schlecht. Mein Strickprojekt ist noch immer recht weit davon entfernt, dieses Sabbatical fertig zu werden. Ich habe von meinen Geschwistern und meinen Eltern Geburtstagsgeld bekommen und finde schnell einen superschönen Pullover und ein Flanellhemd. Das nenne ich mal gut investiert.

    Als nächstes geht es weiter zum Whistlers Campground, an dem ein schönes Plätzchen auf uns wartet. Wir gehen noch eine Abendrunde mit Bella, irgendwie ist es bereits zwanzig Uhr geworden. Danach überlegen wir, was wir machen wollen. Es ist tatsächlich noch zwei Stunden hell. Hier in Alberta hat sich der Zeitunterschied nach Deutschland wieder auf acht Stunden reduziert. Wir entscheiden uns für eine Runde Rummy Cub und setzen uns hierfür nach draußen. Verrückt, dass wir die letzten Monate nicht einmal ein Spiel ausgepackt haben, obwohl wir eigentlich beide recht gern spielen.

    Während wir überlegen, wie wir am besten Reihen oder Gruppen legen könnten, gesellt sich ein netter Herr zu uns, der uns bereits während der Gassirunde über den Weg gelaufen ist. Er ist vor einem halben Jahrhundert nach Kanada ausgewandert und wohnt aktuell in Edmonton. Er erzählt uns von seiner Lebensgeschichte, heißt uns in Kanada willkommen und berichtet viel von Erlebnissen seiner Reisen in diesem zauberhaften Land, das für ihn immer noch die Erfüllung all seiner naturverbundenen Träume ist. Als er sich auf in seine Koje macht, beenden wir unser Spiel und kuscheln uns dann bei nur 15° Innentemperatur in Freddie. Wir verzichten auf unsere Standheizung, da sofort neben uns auf dem Platz drei Jungs nur im Zelt schlafen und wir sie nicht stören wollen.

    Wir schlummern zufrieden und voller Eindrücke von diesem tollen Tag ein.
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