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  • Day 22

    Exkurs: Gedanken zu Bergen und Wasser

    July 14, 2022 in France ⋅ 🌙 16 °C

    Was geht uns eigentlich so den ganzen Tag durch den Kopf?
    Manchmal gar nichts. Es ist nur Wahrnehmen und Sein. 😊
    Manchmal alles Mögliche gleichzeitig, nacheinander oder immer wieder.

    Hier ein paar Gedanken, die immer wiederkehren:

    Immer wieder kommen wir ins Vergleichen, zwischen unseren mehrtägigen Kanutouren auf Flüssen in Kanada und Alaska, und den mehrtägigen Wanderungen, die wir bisher unternommen haben - inklusive der aktuellen!
    Der Rucksack ist wie ein Schneckenhaus auf dem Rücken: es ist alles dabei, was wir brauchen! Die Ausrüstung ist getestet und hat sich bewährt. Das gleiche Gefühl haben wir oft, wenn „alles in einem Boot“ ist: das Zuhause fährt mit. Allerdings kann man ein Boot schwerer beladen 😉, insofern kommt beim Rucksackwandern noch mehr die Reduktion aufs Wesentliche zum „Tragen“.
    Der Fluss bietet immer wieder viele Metaphern für das Leben, unaufhaltsam wie die Zeit fließt er weiter, ob wir paddeln oder nicht. Er trägt uns weiter, auch wenn wir nichts tun, er bestimmt die Geschwindigkeit. Treiben lassen versus gegen den Strom fahren oder mit der Strömung spielen.
    Beim Wandern muss jeder Schritt aus eigener Kraft geschehen, sonst geht es nicht voran. Und gleichzeitig erstaunt uns jeden Tag aufs Neue, wie weit wir zu Fuß an einem Tag kommen und welche in der Landschaft (und auf der Karte) sichtbaren Entfernungen wir zurücklegen können!
    Wieviel Gepäck wir uns aufladen und welches Tempo wir gehen, wählen wir.
    Auch da finden sich viele Lebensmetaphern…
    Das Auf und Ab in den Bergen, verbunden mit Schweiß, Anstrengung und Konzentration findet vielleicht am ehesten Parallelen im Befahren von Stromschnellen, was erhöhte Aufmerksamkeit und Anstrengung erfordert. Ansonsten fließt ein Fluss eben immer bergab….
    Beiden Fortbewegungsarten gemeinsam ist eine grundsätzlich langsamere Geschwindigkeit (als die, die wir meist im Alltag haben, unter anderem durch motorisierte Fahrzeuge einerseits und Termine und Zeitpläne andererseits) und dadurch eine veränderte Perspektive. Diese ist im Boot noch auffälliger, da zum Beispiel viele Tiere keine Feinde vom Wasser erwarten.
    Auch die Stille findet sich bei beiden Arten, unterwegs zu sein, wobei ein Fluss seine eigene Geräuschkulisse per se mitbringt.
    Berge strahlen eine ganz eigene Stille aus.
    Ebenfalls beiden Reisearten gemeinsam ist die Bedeutung der Wegbegleitung. Das „Tandem“-Kanu ist ein eingespieltes Team. Wo ist die Hauptströmung? Wer entdeckt etwas am Ufer? …Einfach nur das gemeinsame Erleben und Teilen der Natur ist für uns immer wieder ein großes Geschenk!
    Auch hier auf der Bergwanderung haben wir - wie beim Kanuwandern unsere Routinen: wer packt was, die Handgriffe sitzen und greifen ineinander, jeder Gegenstand hat seinen angestammten festen Platz im Packsack, Boot oder Rucksack.
    Wir gehen das gleiche Tempo, treffen Entscheidungen gemeinsam, bleiben nahe beieinander, um eben teilen zu können: Mühen und Freuden!

    Und nun zur Kombination beider Elemente: unsere Flusstouren haben meist in den Bergen begonnen, so dass die Erhabenheit und Größe der Berglandschaft auch die Flusslandschaft prägt. Hier in den Alpen erleben wir täglich, wie Wasserläufe, selbst kleine gurgelnde Quellen, bis hin zu rauschenden Wasserfällen, Leben in die manchmal stoisch wirkende Landschaft bringen und wie ein See immer wieder eine besondere Anziehungskraft ausübt.

    Das Leben am Fluss ist leichter: Trinkwasser ist niemals weit und waschen und spülen nie ein Problem.
    Hier in den Bergen sind die Wegstrecken und Übernachtungsplätze abhängig von der Verfügbarkeit von Wasser: was brauchen wir zu trinken, was können bzw. wollen wir schleppen und wo können wir Wasser auffüllen? Bei der Hitze dieses Sommers und in der oft großen Höhe haben wir einen hohen Wasserbedarf und viele Bäche und Seen sind jetzt bereits ausgetrocknet.
    Wann und wie können wir wieder waschen , uns selbst und unsere Kleidung und wie machen wir Topf und Löffel sauber?

    Die Wahrnehmung des eigenen Körpers, der eigenen Energie, spielt eine größere Rolle als in der Zivilisation zuhause. Mehr Achtsamkeit auf sich selbst ist gefragt.
    Wann muss ich mich wärmer anziehen oder eine Schicht ablegen, auch wenn es mit lästigem Umpacken verbunden ist? Wie spüre ich, wann die Energie nachlässt bzw. wie spürt es meine Begleitung? Wann ist eine Grenze erreicht? Wie sorgfältig benutze ich Werkzeug, und sei es nur das Taschenmesser, um mich hier draußen nicht zu verletzen?
    Hab ich beim Packen den Kopf bei der Sache, so dass nichts wichtiges verloren geht?

    Es ist immer wieder aufs Neue unglaublich, was die Natur uns bietet: an Entspannung, an Überraschungen, an Begegnungen (Tiere, Menschen), an Stimmungen (Licht, Wetter)….alles nicht planbar und nur wenig vorhersehbar.
    Das macht vor allem dankbar und demütig.
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