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  • Day 125

    Sonntags Samba - Montags Blau!

    May 23, 2022 in Brazil ⋅ ☀️ 23 °C

    Achtung das wird jetzt eine Lobhudelei dem brasilianischen Kulturgut! 🧡

    Unser erster Kontakt mit Diego und Nathalia in Piedra Parada ließ uns vermuten, dass einfach alle Brasilianer:innen sofort aus dem Stehgreif in einem Club vor 300 Leuten auftreten und singen können und diese 300 Verzauberten danach auch ausnahmslos ein Kind für sich beanspruchen bzw. irgendwas von gottesgleichen Erscheinungen faseln.

    In diesem Irrglauben pilgerten wir 3 volle Monde voller Entbehrungen und Strapazen Richtung Norden um schließlich um Einlass im heiligen Land anzusuchen.
    Einlass gewährt - umgehende Ernüchterung: doch nicht alle Brasilianer:innen können derart stimmlich und musikalisch verzaubern. Bereits der Grenzbeamte gab Anlass zum Zweifel als er nach unserer Aufforderung uns die Formalitäten doch singend mitzuteilen uns nur verständnislos und kopfschüttelnd weiterwinkte...

    Ernüchterung also dass wir zwei ganz spezielle Brasilianer:innen kennen gelernt hatten? - oder doch eher Glück!!
    Hier im Dörfl verdienen sich die beiden unter anderem mit Auftritten in Bars und Restaurants ihre Reales. Gespielt wird meistens MBP - música brasileira popular - das bei uns klassische "The girl from Ipanema" gehört anscheinend nicht dazu. Vielleicht ist das so wie bei den Früchten oder beim Fleisch: da gibt es was fürs Inland und was fürs Ausland - quasi "música de exportación". Ist also "The girl from Ipanema" sowas wie die "Zillertaler-irgendwas-Jäger" feat. DJ Ötzi?

    Ohne wirklich unterscheiden zu können glaub ich, ist das meiste Samba oder Forro. Bossa Nova anscheinend nicht. - Für ungeübte Ohren klingt aber alles gleich schön (bzw. läuft wahrscheinlich vieles im Ausland unter dem falschen Namen oder in einer verallgemeinernden Rubrik).

    Allein diese Auftritte der beiden - meistens noch dazu in der Kletterbar sind schon schön genug. Sonntag Abends gibt es aber dann wie ich find etwas ganz Spezielles: Samba in einem Quilombo! ❤️

    Quilombos sind (wehrhafte) Siedlungen ehemaliger Sklaven oder heutiger Nachfahren. Das Wort angolanischem Ursprungs bedeutet Wohnsiedlung. Dementsprechend unreflektiert ob der Herkunft und des geschichtlichen Hintergrundes wird es von den Argentinier:innen für die Beschreibung von "Chaos" und "Blödsinn/Probleme machen" oder "Saustall* verwendet. Früher auch für Bordelle.
    Hier in Brasilien aber werden so diese Siedlungen und Gemeinschaften benannt - ohne negativer Konnotation.

    In so einem Quilombo unweit des Dorfes Serra do Cipó gibt es also jeden Sonntag von 18-24.00 Samba. Dieser ist in 3 Teile unterteilt, wobei am Anfang und am Ende neben Trommeln und Gesang noch Diego's Gitarre und ein Bass den Takt vorgeben - im Mittelteil nur Gesang und Trommeln ausreichen.

    Getanzt wird zu zweit in der Mitte, ohne Choreographie, lose aber doch im Zusammenspiel miteinander, oft barfuß. Viele neckische Elemente und 'Späße' vor allem beim Ablösen einer Person in der Mitte erinnern sehr an Capoeira. (Wahrscheinlich auch nicht ganz von ungefähr, da ja auch diese Tanzsportart starken Einfluss oder Ursprung in den Quilombos gefunden hat.)
    Dazu noch die schnellsten Füße und Hüften der Welt! Einfach Wow!!!

    Wir waren auf jeden Fall beim ersten Mal ziemlich baff und haben am Rand mitgeklatscht, getanzt und vor allem versucht uns etwas abzuschauen! 💃🏾
    Beim zweiten Mal dann auch zumindest kurz mal in der Mitte.
    Anscheinend dürfte der Samba hier wirklich auch eine sehr besondere und traditionelle Atmosphäre haben was uns viele Dåsige (= von hier kommend) oder Leute aus Rio versichert haben.

    Nach so einem Sambaabend ist auf jeden Fall der ganze Körper beansprucht und vor allem die Beine und Füße. Montags daher fix Ausradeln zu einem der Wasserfälle und Badetag! 💦

    *Saustall - auch so ein falsch verwendetes Wort: Tschuldige liebe Ferkln I weiß dass ihr eigentlich ziemlich reinlich seids, sofern es euch Vollspaltböden erlauben.. 🫤🐖
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