• Zur richtigen Zeit am falschen Ort.

    21 Julai 2024, Sweden ⋅ ⛅ 27 °C

    Blåvitt, Blau-Weiss gegen Grönvitt, Grün-Weiss.

    Anders gesagt, IFK Göteborg gegen Västerås SK. Mein erstes hier dokumentiertes Spiel ausserhalb des DACH-Raumes. Nach einer kurzen und dezent erholsamen Nacht im Zug von Sundsvall nach Göteborg, war dieses Spiel ein willkommenes Schmankerl.

    IFK ist einer der grössten Sportvereine in ganz Schweden mit Siegen im UEFA Cup in 1982 und 1987. Die Fanbase ist dementsprechend gut besetzt, ambitioniert, emotional und passioniert. Dass, obwohl es aktuell so gar nicht läuft für die Änglarna (die Engel), wie sie von ihren Fans liebevoll genannt werden. Tabellenplatz 12 von 16, erst fünf Siege in dieser Saison und ein Kader, welches von vielem träumen lässt, nur nicht von Titeln. Bereits in Stockholm wurde mir von vielen Fans gesagt, dass IFK Fans denken, dass sie jedes Jahr um den Titel mitspielen müssten, aber jedes Jahr aufs neue einfach zu schlecht sind um dieses Ziel ansatzweise zu verfolgen. Also im Endeffekt so wie Arsenal für einige Jahre unter und nach Arsène Wenger war. Nur einfach etwas krasser.

    Anpfiff war um 16.30 Ortszeit. Dass heisst, ich wollte etwas mehr als eine Stunde vor Anpfiff am Stadion sein um den Fanshop auszukundschaften, falls möglich noch einen Snack zu mir zu nehmen und ein paar Leute kennenlernen. Das mit dem Snack hat sich recht schnell erledigt, da ich auf dem Weg zum Stadion ein griechisches Restaurant entdeckt habe und mir eine Gyros-Pita nicht entgehen lassen konnte. Scheiss drauf, die war einfach nur geil! Zudem wurde im Stadion keine Wurst verkauft. Stattdessen Nachos, Popcorn und Pommes. Nicht mit mir, Freunde...

    Angekommen am Stadion war alles bereits in blau-weiss und die Menschenmassen wirkten doch recht enthusiastisch. Okay, in Anbetracht dessen, dass man zuhause gegen den Letzten spielt, kann man das durchaus sein. Der Fanshop war so gefüllt, dass neue Besucher nur gestaffelt reingelassen wurden. Die Auswahl war wirklich gut, schade nur, dass die beliebten Grössen bei den Trikots bereits alle vergriffen waren und laut Verkäuferin nur das vorhanden war, was im Laden ausgestellt war. Somit gabs eben einen Schal und einen IFK-Stubby Cooler. Nehme ich auch gerne.

    Nachdem ich endlich den VIP-Eingang gefunden hatte und mir dachte, dass ich im VIP-Bereich nur mit Anzugträgern sitze, die mehr über Business etc. reden als über die Geschehnisse auf dem Grün, war ich etwas skeptisch wie das wohl werden würde.
    Naja, entweder interpretieren die Schweden das Wort VIP etwas anders als wir, die linke Gesellschaft findet das Denken in Schichten unschön und möchte selbst den VIPs ein Gefühl von absoluter Durchschnittlichkeit geben oder ich war schlicht und einfach nicht im VIP-Bereich. Jedes Spiel eines grösseren Klubs, welches ich besucht habe, bot jedem Fan, auch ausserhalb des VIP-Bereichs, eleganteres Mobiliar und Atmosphäre an, als es im Gamla Ullevi der Fall war. Einfache Stehtische, wie man sie von Dönerbuden kennt, Security-Personal welches die Serviceorientierung scheinbar in einer Berliner Media Markt-Filiale gelernt hat und Bier, gegen das selbst Becks wie ein exklusiver Tropfen schmeckt. Klingt alles recht verheerend bis hier hin, ich weiss. Keine Angst, es wird besser.

    Etwas später, als ich eine Gruppe Herren bat auf mein Getränk aufzupassen während ich die örtliche Herrentoilette aufsuche, waren auch sie recht schnell interessiert was der Fremde aus dem fernen Zentraleuropa denn hier macht und wie es ihm hier gefällt. Eine lustige, offene und freundliche Truppe, die, ähnlich wie viele andere Schweden Snus konsumieren wie David Bowie den weissen Schnee. Besonders deutlich haben Sie mich auf die Vereinshymne hingewiesen, die vor jedem Heimspiel gespielt und frenetisch gesungen wird. Also auf gehts, dass lasse ich mir nicht entgehen.

    Es ist in etwa 16.25 als ich das Stadioninnere betrete und nicht schlecht staune, als ich mich zu meiner Linken gedreht habe. Die ganze Kurve in blau-weiss, Fahnen ohne Ende und eine Lautstärke, die sich mit manchem Bundesligaverein messen kann. 17'137 Zuschauer hatten den Weg ins Gamla Ullevi gefunden. Auf meinen Platz, fast auf Höhe der Mittellinie, angekommen, ging die Hymne los.
    WOW, sowas erlebt man nicht alle Tage. Das war Gänsehaut wie sie im Bilderbuche steht.

    Anpfiff.

    IFK spielt von Anfang an dominierend mit klarem Fokus auf Ballbesitz, geordneter Spielaufbau von hinten und Angriffe über die Aussen. Dass Västerås ganz hinten in der Tabelle anzutreffen ist, konnte man gut sehen. Jedoch konnte man auch sehen, dass IFK schonmal bessere Zeiten erlebt hatte. Sobald sie im Strafraum angekommen waren, dauerte es zu lange, waren sie zu verspielt, flogen die Schüsse in den Oberrang oder es war ein gegnerisches Bein dazwischen. Der Torhüter von Västerås machte von Beginn an klar, dass sie mit einem Unentschieden zufrieden wären. Bei jeder sich bietenden Gelegenheit nutzte er das Zeitspiel aus so gut es ging. Zum Missfallen der Fans.
    Auf den Rängen waren die Verhältnisse klar. Die IFK-Fans machten Rabauz durch Lautstärke und Songs, wie wir sie alle schonmal in Deutschland oder der Schweiz gehört haben, leider war da nix Ausgefallenes oder Neues dabei. Die Anhänger von Västerås machten durch den Einsatz von Pyrotechnik auf sich aufmerksam. Interessanterweise, kam zu keinem Zeitpunkt eine Durchsage der Sorte "Liebe Fans, das Abbrennen von Feuerwerkskörpern ist in diesem Stadion untersagt. Bitte lasst das sein!". Interessant deshalb, weil die Schweden doch recht strikte Regeln haben, wenn wir dies mit Deutschland oder der Schweiz vergleichen.

    Somit steht es zur Halbzeit 0:0.
    Da treffe ich mich direkt wieder mit der Gruppe von vor dem Spiel, als mir schwedische Süssigkeiten anbietet die von der Konsistenz her stark an Marshmallows erinnern, hierzulande jedoch als "bilar" (Autos) bezeichnet werden. Zudem goss mir jemand, ohne dass ich gefragt hatte, sein halbes, eben gezapftes Bier in den Becher. Nein zu sagen wäre ja auch unfreundlich gewesen, oder? Wieder entwickelt sich schnell ein Gespräch, welches recht lange geht. Irgendwann denke ich mir "hmm, langsam ist es doch sicher wieder Zeit auf die Plätze zu gehen. Naja, zwei, drei Minuten hab ich sicher noch".

    Fast.

    Etwa eine Minute später war ein klarer und lauter kollektiver Jubelschrei aus dem Stadion zu vernehmen. 1:0 für IFK und ich habs nicht gesehen.... Also, schnell zu den Plätzen rennen und die Atmosphäre aufsaugen, so gut es geht. Paulos Abraham erzielte, den Überlieferungen nach ein tolles Tor aus etwa 20 Metern flach ins, vom Schützen aus gesehen, linke Eck. Nachdem ich dezent angefressen war, das erste Tor verpasst zu haben, wollte ich zwingend das 2:0 sehen. IFK war bemüht die Führung auszubauen, kam jedoch nur sehr selten zu klaren Möglichkeiten. Västerås auf der anderen Seite versuchte immer mehr nach vorne zu spielen, wenn auch mit begrenzten spielerischen Mitteln. Wirklich zwingend wirkte es jedoch nie.
    Als der Schiedsrichter die Nachspielzeit von 11 Minuten angab, staunten viele Västerås nun den Ausgleich zu erzielen. Bis die 99. Spielminute lief und Västerås nach einer verpassten Chance von IFK kontern konnte. Links setzte sich Daniel Ask durch, legt zurück auf Larsson, der flankt, der Ball wird im 16er per Kopf zentral zurückgelegt und durch einen Abschluss à la Florian Wirtz gegen Spanien trifft Västerås zum Ausgleich. Verdient ist es nicht zu 100 %. Unverdient ist es jedoch auf keinen Fall. Sie haben bis zum Schluss gekämpft und IFK hat es einfach verpasst seine Überlegenheit in ein zweites Tor, welches das Spiel entschieden hätte, umzumünzen.

    Eine tolle Erfahrung mein erstes Allsvenskan-Spiel. Die Fans sind wirklich klasse und definitiv einen Besuch wert.

    Heja IFK, vielleicht sieht man sich wieder.
    Baca lagi