• BA - Ausgangssperre Tag 15

    April 4, 2020 in Argentina ⋅ ⛅ 19 °C

    15 lange Tage Ausgangssperre liegen hinter uns ... keiner weiß wie viele noch vor uns liegen, aber die Hoffnung lebt, dass es nicht mehr allzu viele werden! Wenn man den ganzen Tag zuhause ist, hat man viel Zeit zu hören, zu sehen und zu lesen ... und irgendwann verspürt man das dringende Bedürfnis zu einigen Dingen auch mal seine Meinung zu sagen! Mal unter uns ... da entdecke ich bei Facebook einen Kommentar, wo die Bundesregierung als Kadaver beschimpft wird und die aktuellen Maßnahmen als Freiheitsberaubung bezeichnet werden - den Rest erspare ich euch jetzt mal ...! Wir sind hier schon jedes mal irgendwo zwischen hysterischem Lachkrampf und therapiewürdigem Aggressionspotenzial, wenn jemand im Zusammenhang mit Deutschland von Lagerkoller oder Ausgangssperre redet, aber Freiheitsberaubung?! Jetzt wird's echt lächerlich... Nur mal so zum Vergleich: in Deutschland darf man in seinen Kleingarten gehen, man darf joggen, spazieren gehen, Fahrrad fahren, viele Menschen gehen noch arbeiten, ... das alles darf man mit allen im eigenen Haushalt lebenden Menschen gemeinsam tun oder mit einer anderen Person im Abstand von 1,5m! In Argentinien darf man nur zum Arzt oder zum Einkaufen, ansonsten muss man zuhause bleiben, die Polizei patrouilliert und kontrolliert gefühlt an jeder Straßenecke, wenn man keinen Grund für das Unterbrechen der Ausgangssperre vorweisen kann, besteht das Risiko verhaftet zu werden bzw. eine Geldstrafe zu zahlen. By the way ... hier wurden schon vom Jogger bis zum Reisebus mehrere tausend Menschen und knapp 1000 Fahrzeuge von der Polizei aus dem Verkehr gezogen. In die Supermärkte darf nur eine Person pro Familie, die maximale Einkaufsmenge für Milch, Seife, Klopapier und Co sind vorgegeben! Das hat allerdings den Vorteil, dass genug für alle da ist. Arbeiten geht nur, wer einen gesellschaftlich relevanten Job hat. Guckt man zu den Nachbarn sehen die Einschränkungen teilweise noch gravierender aus, in Peru wird anhand des Geschlechts vorgeschrieben, an welchem Tag man raus darf ... Montags, Mittwochs und Freitags Frauen - Dienstags, Donnerstags und Samstags Männer - Sonntags bleiben alle zuhause. In Mittelamerika gibt's Länder, in denen die Menschen genau 2 Stunden pro Woche raus dürfen für alle wichtigen Besorgungen ... wenn man es in dieser Zeit nicht zum Supermarkt und zur Apotheke schafft, hat man schlichtweg Pech gehabt und muss eine Woche auf die nächste Chance warten!
    Aber nochmal zurück zu Argentinien. Wer jetzt schon glaubt, das bisher Geschriebene sei schlimm, der liest jetzt besser nicht weiter ... Tag für Tag das gleiche Bild alte, klapprige Gestalten, die im Park versuchen Eis oder gekühlte Getränke zu verkaufen, Männer (jeden Alters), deren Körpern man die Arbeit ansieht, tragen unfassbar große Säcke mit Plastikflaschen oder ziehen wie ein Esel einen Karren durch die Straßen, auf dem sich Pappe und Plastik stapeln ... Bankkonto? Fehlanzeige! Wohnort? Armenviertel! Der tägliche Lohn für den Knochenjob? Ein paar Cent pro Kilo, um sich (und der Familie) abends etwas zu essen kaufen zu können! Und jetzt? Ausgangssperre! Keine Arbeit, kein Geld, kein Essen ... Lösung? Verhungern ... Ausgangssperre brechen ... Was würdet ihr tun? Hier hat zum Glück der argentinische Staat eingegriffen und dem Militär die Zuständigkeit übergeben, die Menschen mit Nahrung zu versorgen, um so die Einhaltung der Ausgangssperre zu sichern.
    Mit dem Wissen um all das und noch mehr, frage ich mich und euch ernsthaft... welchen Grund hat Deutschland nochmal, sich zu beschweren?
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