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  • Day 83

    Im Lauf der Sonne

    October 24, 2021 in the United States ⋅ ⛅ 19 °C

    An diesem Tag folgen wir dem Lauf der Sonne: Über uns der gestirnte Himmel (Vorsicht Kant-Zitat!) und in uns ein Erlebnis, das wir unser Leben lang fast andächtig erinnern werden - denn es geht auf den Gipfel des Vulkans Haleakala (3055m), der etwa 3/4 der Inselfläche Mauis ausmacht.

    Ich stehe um 2 Uhr morgens auf, alles ist schon gepackt, ich schleiche mich aus dem "Raumschiff". Heute ist Mädelsausflug! Lauren, Leah, Alina, Afrin und ich brechen kurz danach zum "Haus der Sonne" (polynesisch Haleakala) auf, wild entschlossen, dort den Sonnenaufgang auf 3000m und damit über den Wolken zu erleben. Der Sage nach hat der Halbgott Maui hier die Sonne eingefangen. Ob uns das auch gelingen wird? Als wir nach einer Fahrtstunde ankommen, sind schon zahlreiche Fahrzeuge da. Wir finden noch eine Lücke und ziehen uns so warm wie möglich an: Ich bin hier aufgrund meiner Ausrüstung erheblich im Vorteil, Schichte Jacke über Jacke, über Pulli über T-Shirt. Aber die anderen haben zum Glück noch Decken dabei. Wir werden jedes Zipfelchen Stoff benötigen, denn der Wind verschont hier niemanden.

    Auf der Plattform ergattern wir noch eine Pole-Position und nun ja - die Anzahl der geschossenen Bilder in unserer Gruppe sprengt wohl in die 1000... Es ist einfach zu schön! Wo wir um 5 noch die Sterne über uns bestaunen, beginnt gegen halb 6 die Dämmerung und enthüllt die Wolkenmassen, die als Kaskaden die umgebenden Hügel umschneicheln und der Sonne ein Bett aus Zuckerwatte bereiten. Trotz des pfeifenden, kalten Windes ist unser Blick unbeirrt auf den Horizont gerichtet und ich glaube der passendste Begriff für das, was in mir vorgeht ist "Ergriffenheit". Es ist den Augenblick im Flug zu küssen und die Wärme des Herzens zu spüren, die durch die Dankbarkeit für diesen Moment hervorgerufen wird. Als schließlich gegen halb 7 die Sonne durch die Wolken bricht, jubeln die Menschen leise, der Parkranger stimmt ein seltsam anmutendes Lied an - wer weiß, vielleicht wurde dies damals von Maui beim Einfangen der Sonne gesungen. Wir 5 strahlen auf jeden Fall mit der Sonne um die Wette.
    Ich freue mich dennoch auf das warme Auto. Als neben uns aber jemand knieend um die Hand seiner Liebsten anhält, sind die Mädels hin und weg und bieten sich spontan als Fotografen an. Gut, das ist eben auch typisch amerikanisch, sowohl die überschwängliche Begeisterung als auch die Hilfsbereitschaft.

    Wir umrunden schließlich noch den Gipfel und ich muss sagen: Im Vergleich zu allen anderen schieße ich extrem wenige Bilder (Das musste einfach mal gesagt werden!) Auf der Fahrt hinunter entdecken wir noch einen perfekten Regenbogen, ich schieße ein Bild aus dem Schiebedach heraus und sichte doch tatsächlich den Anfang des Bogens. Was für ein Tag!

    Als wir eine Nachricht vom Hostel erhalten, entschließen wir uns zu einer Planänderung: Es wurden verschiedenste Dinge gestohlen. Da stellt sich heraus, dass kurz nach unserer Abfahrt eine fremde Frau durch die Räume geschlichen ist und einige Dinge entwendet hat. Kleidung, einen Pass, Mietwagenschlüssel, Ladegerät, meine Power-Bank, ... Die Vorstellung, dass jemand um Schlafende schleicht und deren Wertsachen entwendet, gruselt uns alle. Resh hat die Dame zwei Mal in unser Zimmer kommen sehen, dachte aber, ich hätte verschlafen und sie suchte mich... Nun ja, die Ironie meines Verlustes: Meine 2. Power-Bank hatte ich die Tage zuvor mit dem Päckchen auf dem Weg in die Heimat geschickt.

    Die Tour startet heute um 1 und wir sind auf dem Weg zum Strand, heute ist Michael unser Guide. Nach ein paar wundervollen Stunden am Strand sichten die anderen doch tatsächlich einen Wal – während ich mit Resh und Carolyn Fischtacos hole... Gibt es doch nicht!

    Es geht nach ein paar entspannten Stunden weiter zum Makena Beach, wo wir die Mädels wieder treffen, die schon vorgefahren waren. Dieser Strand ist wohl der berühmteste auf ganz Maui - nicht zuletzt für seine Sonntags-Partys: trommelnde und feuerspuckende Hippies, angezogen, halbnackt und nackt. Es finden sich die herrlichsten Outfits wieder, dennoch hätte ich auf einige Anblicke gerne verzichtet. Aber nun ja, immerhin sind wir hier zu Gast!
    Wir werfen uns in die Wellen (Verlust: meine Sonnenbrille) bis die Dämmerung einsetzt und die Trommeln lauter werden. Der kleine Strandabschnitt wird zur Tanzfläche, überall wird Gras geraucht. Als die Sonne schließlich am Untergehen ist, zieht es mich auch hin zum Tanzen, ich nehme die anderen mit. Die Trommeln schlagen den Takt unserer Herzen, wir tanzen in den Sonnenuntergang und wollen auch nicht aufhören, als die Sterne über uns funkeln. Michael dreht später im Van die Anlage auf, mit Party-Licht, und wir singen uns nach Hause.

    Nach zwei Jahren Pandemie hat uns endlich wieder jemand die Musik und das Tanzen zurückgegeben und ich hatte fast vergessen wie sich das anfühlt - das pure Glück, das volle Leben. Eine Woche später wird Lauren bei unserem Abschied sagen: "Kate, I saw you dancing on that beach. You are such a strong woman. You can do anything! This will be an amazing trip - your trip!" Wir werden Tränen in den Augen haben, als wir uns auf Big Island verabschieden, denn was wir hier erlebt haben, hat unser Herz tief berührt.
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