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  • Day 358

    Arise

    July 26, 2022 in Malaysia ⋅ ☁️ 20 °C

    With each sunrise, life begins anew. Each new dawn offers fresh beginnings, renewed resilience, and untold possibilities. - Fran Hamilton

    Als die Tage sich hinziehen wie alter Kaugummi und ich meine letzten 100 USD absolutes Notfallbargeld in malaysische Ringgit eintausche (alle 4 WU-Schalter sind natürlich „offline“!), lerne ich die Britin Annie kennen und sofort lieben, als sie mir ihre Nummer mit dem Namen „Annie Bannanie“ schickt. Die Wortzahl, die hier in Zeit und Raum zusammenkommen wird, wird auf ewig ungezählt bleiben. Sie mit einer „ziggy“, ich mit einem schwer ergattertem Tiger-Bier, so umrunden wir mehrfach die hässlichen, nur für den Tourismus gestalteten Häuserblocks, gehen Essen, trinken in der einzigen Bar hier einen Cocktail, erzählen dem anderen aus unserem verkorkstem Leben. Sie ist einer dieser Menschen, die mir sofort ans Herz wächst, und es schafft, dass sich alles etwas leichter anfühlt.

    Während sie noch in ihrer Box schlummert, stehe ich auf, um den Sonnenaufgang in den Plantagen zu sehen. Man stelle sich vor: Es geht erst um 6 Uhr los! Sehr entspannt im Vergleich zu anderen Sonnenaufgang-Touren auf dieser Reise! Wir fahren mit einer kleinen Gruppe los, erneut mit Landrover, und beobachten etwa eine halbe Stunde, wie der Nebel über die kleinen Bäume streicht, wie das Leuchten der Sterne immer schwächer wird, wie sich langsam die Dunkelheit zurückzieht und den anderen Farben des Himmels Platz macht. Als dann die Sonne schließlich hinter den Hügeln hervorbricht und alles in goldenes Licht taucht, bin ich trotz der Schwierigkeiten, die ich hier zu meistern hatte, dankbar an diesem besonderen Flecken der Welt gewesen zu sein. Sonnenauf- und Untergänge, dem Lauf der Sonne zu folgen, es wird sicherlich eines der Dinge sein, die ich Zuhause im Alltag am meisten vermissen werde.

    Dieses Mal sehen wir Teepflücker bei der Ernte und ich bin betroffen, als ich mehr über deren Arbeits- und Lebensbedingungen erfahre: Sie bekommen zwar die Unterkunft gestellt, müssen jedoch meist das Arbeitsmaterial und die Bekleidung selbst anschaffen. Die Teepflücker kommen aus Nepal oder Bangladesch, Malaien selbst möchten die Arbeit hier unter diesen Bedingungen nicht verrichten – sicherlich auch nicht die Britin, der diese riesige Plantage gehört. Die Männer tragen 50kg-Säcke auf ihren Schultern, werden ausschließlich nach Kilo bezahlt, keine Versicherung, keine Vorsorge. Ca. 26-30 sen pro Kilo – rund 15 MYR – 3,30 Euro pro Sack. Ich frage noch einmal nach, glaube, mich verhört zu haben. Aber nein, es scheint zu stimmen. Fairtrade - eine nicht einmal greifbare Perspektive. Diesmal schmeckt der Tee weniger köstlich, die Bitterkeit der Lebensrealität überlagert das Aroma.

    Als ich abends mit Annie groß Essen gehe, halte ich es für meinen letzten Abend, tatsächlich wird aber der 70-Euro teure Expressbrief von Deutschland diesmal eine ganze Woche benötigen... Aber was sind das schon für Probleme im Vergleich, denke ich mir, auch angesichts unseres mehr als üppigen Essens. Da sich in den Cameron Highlands neben Indern und Arabern auch viele Chinesen niedergelassen haben, gilt es hier noch ein typisches Gericht zu probieren: Steamboat! Was ich in China als „Hotpot“ kredenzt bekommen habe, hilft wunderbar gegen die immer kühler werdenden Temperaturen. Man nehme einen Gaskocher und einen großen, zweigeteilten Kochtopf mit zweierlei Brühen, dazu diverse Soya- und Chili-Soßen und eine riesige Platte mit Gemüse, Kräutern, Schrimps, Quallen, Fisch, Hähnchen- und Rindfleisch. Voila. Anschließend rolle man sich aus dem Restaurant, sich schwörend mindestens drei Tage lang nichts mehr zu sich zu nehmen (Wir wissen: Das hält nur bis zum Frühstück!). Auch wenn es nicht den wahren Abschluss der Zeit hier darstellte – zumindest begannen spätestens hier die Tage heller zu werden. Auch wenn dies – so muss ich leider hinzufügen – nur für mich galt, nicht für die Arbeiter der Teeplantage.
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