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  • Day 362

    Lost auf dem Penang-Hill

    July 30, 2022 in Malaysia ⋅ ⛅ 31 °C

    Der Tag, an dem wir zu dritt den Penang-Hill, einen überaus beliebten Aussichtspunkt, erklimmen, wird Aubrey, Rachelle und mir nicht nur wegen des außergewöhnlich schönen Sonnenuntergangs im Gedächtnis bleiben. Denn als sich die Augen des Sicherheitsbeauftragten weiten und er scharf und tief Luft holt, während ihm Rachelle erklärt, dass eine von uns irgendwo im Dschungel feststeckt, allein, im Dunkeln, im Moment ohne Handy-Empfang, ist unklar, ob dieser Ausflug unfall- und verletzungsfrei ausgehen wird. Um vorwegzugreifen: Ausnahmsweise bin es nicht ich, die sich verlaufen hat, was aber nur ein kleiner Trost war.

    Da wir zum Sonnenuntergang auf dem Gipfel sein wollen, starten wir gegen drei, während Annie an ihrer Toefl-Qualifikation arbeitet. Schnell zeigt sich, dass Rachelle und ich weitaus mehr Pausen benötigen als Aubrey, was nicht nur an unseren Gesprächen liegt. Der Aufstieg auf dem Heritage-Trail mit seinen zig Stufen ist so anstrengend, dass ich kurz denke, es nicht schaffen zu können, Rachelle ebenfalls! Und das, obwohl wir wandern gewöhnt sind. Unsere Kleidung hätte man auswringen können, so hoch ist die Luftfeuchtigkeit und ich verwende schließlich meinen Kimono als Handtuch, so sehr tropft mir mein Schweiß ins Gesicht. Einmal treffen wir noch auf Aubrey, die genauso geduscht wie wir die Aussicht auf der Zwischenstation genießt. Von dort aus jedoch wird sich unsere gemeinsame Wanderung etwas verselbstständigen.

    Es geht weiter den üppig bewaldeten Berg hinauf, eigentlich ist der höchste Punkt nur 833m ü. N. Aber wir müssen unsere Kraftreserven für diese ganzen Stufen anzapfen, werden von einer Fledermaus begleitet, später von Affen und Mücken. Der für 1h 15 min. ausgezeichnete Weg soll von uns nach einer kleinen Extrarunde und zahlreichen Pausen in unrühmlichen 3h bestritten werden. Wir lachen selbst über unsere Leistung. Am vereinbarten Treffpunkt jedoch findet sich keine Spur von Aubrey. So holen wir uns erst einmal frisch gepresste Säfte und genießen den Ausblick (der weiter unten lustigerweise besser war).

    Rachelle und ich wollten eigentlich mit der Standseilbahn hinunter fahren, aber die Schlange davor verrät eine Wartezeit von 1h. Wir gehen zum Tempel hoch und genießen den absolut spektakulären Sonnenuntergang, wir sind uns einig – einem der schönsten, die wir überhaupt in Asien je gesehen haben! Uns erreicht eine Nachricht von Aubrey mit großer Verspätung, dass wir nicht auf sie warten sollen - warum auch immer. Da es nun rasch beginnt dunkel zu werden, erkundigen wir uns doch nach den Bedingungen des Weges. Absolut undenkbar und zu gefährlich sei ein Abstieg zu Fuß, wird uns mitgeteilt – zu viele giftige Schlangen. Überzeugt!, denke ich und wir reihen uns in die ungiftige Warteschlange ein, als uns ein Hilferuf von Aubrey erreicht: „I'm lost in the middle of nowhere.“ Eine Minute später „I'm in Penang Hill trail. I do not see the end. It's dark in the jungle, I don't know how long it's gonna take to get down!“ Wir starren uns an: Scheiße! Warum zur Hölle ist sie einfach alleine abgestiegen?! Im Dunkeln? Dazu überall Schlangen! Als dann der Sicherheitsbeauftragte nach Schilderung der Situation scharf Luft einsaugt und sichtlich besorgt ist, sind wir es noch mehr: „This is not good. That is real jungle out there!“ Rachelle will sofort mit dem Taxi los, sie zu suchen, ich will ihr schreiben, sie muss mit den Füßen aufstampfen beim Gehen. Zum Glück sind wir zu zweit und halten uns gegenseitig davon ab, beruhigen sie.

    Ich bleibe in der Schlange und recherchiere zum Wanderpfad, Rachelle holt Auskünfte der Locals ein. Die einzig vernünftige Möglichkeit besteht darin, mit den Bahn hinunterzufahren und zur Not ein Rettungsteam zu schicken – denn Aubrey ist auf einem reinen Wanderpfad, keine Straße in Sicht, nun immerhin mit Handy-Signal; sie schickt uns regelmäßig updates zu ihrem Standort. Gott sei Dank ist sie NICHT lost, sondern tatsächlich auf dem Pfad, allerdings hat sie noch nicht einmal die Hälfte geschafft. Es ist erst kurz nach 8, aber schon stockdunkel. Wir werden sie 1,5 Stunden später unversehrt, aber emotional erschöpft in der Nähe der Talstation wieder treffen. Erleichterung auf allen Seiten! Ein Motorradfahrer hielt schließlich an und nahm sie mit, nachdem einige andere den scheinbar extrem steilen Weg an ihr vorbei gefahren sind. Im Nachhinein meinte sie, sei dies der beängstigendste Teil gewesen, weil es rutschig und super abschüssig war. Von Schlangen zu hören, wäre noch schlimmer gewesen, denn es hatte ohnehin überall um sie herum gruselig geknackst und geqietscht.

    Nach einer weiteren Stunde ergattern wir ein Taxi, alle ausgehungert, aber um 100 Tonnen Befürchtungen leichter. Jetzt hilft nur noch ein Bier und Laksa-Curry, eine herzliche Verabschiedung, eine Dusche und ein bequemes Bett. Ich finde im Nachhinein übrigens keine Informationen zu Schlangen in diesem UNSESCO-Biosphärengebiet, nur zu Fledermäusen, fliegenden Zibetkatzen und Lemuren, die ich wiederum sehr gerne gesehen hätte ;-) Aber sicherlich nicht nachts allein im Dschungel.

    Diese Geschichte hat durchaus eine Moral – man kann sie sich wohl selbst denken ;-)
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