• Karibu in Litembo!

    October 16, 2024 in Tanzania ⋅ ☁️ 27 °C

    Weiterflug nach Songea | waghalsige Weiterfahrt bis ins Hospital | Herzlicher Empfang im Doctors House

    Pünktlich zum Sonnenaufgang in Dar ruft der Muezzin zum Gebet. Eine Stadt, die viele Einflüsse im Laufe der Geschichte erfahren hat, die meisten davon leider unfreiwillig. Ich werde also vor dem Wecker wach, der auf 5 Uhr gestellt war. Mein Flug nach Songea ist für 7 Uhr geplant. Die meisten Sachen habe ich gestern Abend schon wieder ordentlich gepackt. Mit meinem Rucksack laufe ich die Treppen im Hotel hinunter, das einzige Geräusch, das ich höre, ist das Summen der Neonröhren. Unten steht Ibrahim, ein älterer Herr. In seiner Hand hält er die Schlüssel zu seinem Toyota. Wie verabredet bringt er mich zum Flughafen. Ich hätte nicht damit gerechnet, dass er da sein wird – mit dem Einhalten von Zeiten ist es hier so eine Sache.

    Auf dem Weg zum Flughafen fällt mir auf, dass auf meinem Boarding Pass nur das Aufgabegepäck vermerkt ist. Kein Handgepäck erlaubt – außer man fliegt Business Class. Ich stelle mich also mental darauf ein, gleich wieder eine Stange Geld zu verlieren. Am Flughafen bringt mich Ibrahim zum Gate für Inlandsflüge. Zu meiner Überraschung verläuft alles aber reibungslos. Mein ganzes Gepäck wird anstandslos angenommen, auch nach dem Handgepäck fragt niemand explizit. Einzig der Flug ist ein wenig verspätet. Der Tag ist lang genug und die Menschen lassen sich nicht stressen. Aber mit Verspätungen kann ich gut umgehen – in Düsseldorf lebt der Verspätungsweltmeister, in der WG in der Gerresheimer! Alles also kein Problem.
    Eine Stunde später setzt die kleine Bombardier-Propellermaschine in Songea auf. Das Flugzeug kommt auf der Landebahn zum Stehen und dreht. Nachdem ich mich kurz gewundert habe, wieso wir mitten auf der Start- und Landebahn drehen, wird mir klar: Das hier ist kein Flughafen, wie ich ihn kenne. Keine Nebenwege, nur die eine Bahn ist asphaltiert, und sonst ist auch kein Flugzeug zu sehen. Absolutes Highlight ist die erneute Passkontrolle. Mitten im Freien steht ein kleiner Tresen aus Holz. Dahinter eine junge Frau in einer gelben Warnweste. Auf dem Rücken steht „IMMIGRATION“. Ich stehe an, zeige meinen Reisepass und meinen Visastempel. „Karibu!“ (Willkommen!). Zwei kurze Fotos mit ihrem iPhone, und ich darf durch.

    Blauäugig wie ich bin, ging ich davon aus, dass es an einem Flughafen auch einen Busbahnhof gibt. Fehlanzeige! Ich muss also einen der Fahrer bitten, mich mitzunehmen. Problem nur: Niemand versteht mich. Die Menschen in Songea im Süden leben nicht vom Tourismus. Kaum einer verirrt sich hierher. Und wenn, dann wollen sie nach Litembo ins Hospital, um hier zu arbeiten und zu helfen. Ich gehe zurück und spreche eine Polizistin an. Sie kommt mit, übersetzt und schmunzelt. Wahrscheinlich, weil der Fahrer heute etwas mehr verdient als gewöhnlich. Mir bleibt aber keine günstigere Alternative. Er bringt mich zum nächsten Busbahnhof: Luiku Bus Stop. Da ich durch die Windschutzscheibe schon wieder hunderte Menschen sehe, die sich um zahlreiche Busse tummeln, versuche ich meinem Fahrer zu vermitteln, dass ich nach Mbinga muss. Ich wiederhole einfach mehrfach „Mbinga! Mbinga!“.
    Dann gibt er Gas und fährt einem Bus hinterher, der gerade um die Ecke kommt. Ein riesiges Hupkonzert, bis der Fahrer versteht, dass ich mitfahren will. Also raus aus dem Auto und rein in den Bus. Auch hier kann niemand Englisch. Die nächsten drei Stunden Autofahrt kosten aber erstaunlicherweise nur noch 6.000 Tsh – also 2 Euro.
    Wir fahren auf befestigter Straße, und jedes Mal, wenn der Fahrer an einem der Busbahnhöfe auf dem Weg hält, tummeln sich Männer und Frauen mit Snacks an den Fensterscheiben. Gegrilltes Fleisch, gegrillte Maiskolben, geröstete Nüsse. Alles, was man für eine Busfahrt braucht. Da ich so eng gequetscht sitze und nicht an mein Portmonee rankomme, verzichte ich. Die Gelegenheit kommt in den nächsten Wochen bestimmt wieder.

    In Mbinga wird es wieder sehr chaotisch. Und mir graut es davor, dass mich niemand verstehen könnte. Das erste Mal überlege ich mir tatsächlich im Kopf eine Art Notfallplan. Völlig unnötig, wie sich später herausstellt. Aber ich sage euch, so ganz alleine in einem fremden Land, wo mich niemand versteht (weil in der Region kaum jemand Englisch spricht), da denkt man über sowas eben nach.
    Die Tür in Mbinga geht auf, und die Menschen strömen aus dem Bus. Ich mittendrin, vollbepackt wie immer. Und schon nimmt jemand meine Tasche. „Litembo!? Litembo!“, herrlich, wie schnell sich rumspricht, wo ich hin muss. Ich versuche zu fragen, welches Transportmittel es wird. Auf ein DalaDala habe ich wenig Lust, weil es auch nach Regen aussieht. Doch der junge Mann (schätze so um die 20) bringt mich zu einem alten Toyota. Da sitzen allerdings schon acht Leute drin. Ich bin selbst überrascht, dass mein Gepäck noch reinpasst und ich am Ende Fahrgast Nummer 10 werde. Davon wollte ich ein Bild machen, komme aber nicht an mein Handy, weil mein Daypack auf mir liegt und mein Sitznachbar auch halb auf mir sitzt. Ich wusste nicht, dass die Fahrt noch eine Stunde lang wird. Im Nachhinein bin ich aber sehr froh, denn ich will möglichst nah an der Kultur der Menschen sein und das Land so erleben, wie es ist. Zumindest, bevor ich in den Touristenhochburgen sein werde.

    Litembo Diocesan Hospital
    Von Mbinga dauert die Fahrt noch eine gute Stunde. Aber nicht, weil es so weit ist, sondern weil die Straße nicht befestigt ist und der Regen sein Übriges tut. Die Wege sind sehr holprig, und es geht steil rauf und runter. Neben mir geht’s steil bergab. Ich vertraue einfach auf den Fahrer. Immerhin muss er neun Leute an ihr Ziel bringen – in einem Auto, in dem für uns Deutsche maximal fünf Personen rein gehen.
    Landschaftlich ist es ein Traum: Litembo ist eine bergige Region. Ideal zum Wandern. In meinen freien Minuten werde ich die Gegend auf jeden Fall erkunden. Vorher checke ich ab, ob ich aufgrund der wilden Tiere eine Machete oder Ähnliches brauche.
    An einem großen Tor hält der Wagen. „Mzungu! Mzungu! Litembo Hospital!“ (Weißer! Weißer!) ruft der Fahrer nach hinten, wo ich zwischen meinem Gepäck und den Mitreisenden ausharre. Mittlerweile ist mein Bein auch eingeschlafen, weil meine Sitzposition echt ungünstig ist.
    Ich nehme mein Gepäck und laufe durch das Tor auf das Krankenhausgelände. Ein Sicherheitsmitarbeiter mustert mich. Da man hier öfter deutsche Famulanten zu Gast hat, winkt er mich durch: „Karibu!“ (Willkommen). Ich antworte: „Asante“ (Ich bin zu deinen Füßen – förmliche Antwort).
    So recht weiß keiner, wo Raphael ist, der Geschäftsführer des Litembo Hospitals. Aber das ist kein Problem. Wir werden uns schon über den Weg laufen. Maria, seine Sekretärin, bringt mich zum „Doctors House“. Ein Stück neben der Klinik gelegen, ist es das Gästehaus mit einfach eingerichteten Zimmern, zwei Bädern, einer Küche und dem Gemeinschaftsraum. Auch hier stehen wir vor verschlossener Tür.
    Maria klingelt wie wild, und die Tür öffnet sich. Ein junges Mädchen steht in der Tür: „Habari!“.
    Robin ist eine Abiturientin aus Deutschland, die ein Jahr hier sein wird und über eine Organisation hier ist – als freiwillige Helferin. Sie zeigt mir das Nötigste, und wir quatschen ein wenig. So recht wissen wir beide nicht, wohin mit mir. Maria meinte, dass Raphael vorbeikommen will, wenn er zurück ist. Ich bin richtig froh, dass jemand Deutsch spricht, weil ich habe keine Ahnung, wie die Regeln hier sind, wann die Famulaturzeiten sind und und und… Später kommt Anna dazu, auch sie ist Abiturientin und mit Robin zusammen hier. Wir essen gemeinsam zu Mittag, das hier extra für uns gekocht wird. Bin sehr erleichtert, dass ich mich auf Anhieb mit den beiden verstehe. Die nächsten drei Wochen leben wir hier im „Doctors House“ mit vier Zahnärzt:innen, einem Schreiner und einem Elektriker zusammen. Alle sind hier freiwillig, um zu helfen, wo sie können, und alle sind aus Deutschland.

    Ich habe den ganzen Abend nichts von Raphael gehört und beschließe, mir das Krankenhaus anzuschauen.
    Weil ich aber Raphael nicht finde, geht’s zurück ins „Doctors House“. Ich ruhe mich aus und verbringe den Abend mit Anna und Robin. Morgen ist auch noch ein Tag.
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