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- Day 5
- Friday, October 18, 2024 at 8:00 AM
- ⛅ 16 °C
- Altitude: 1,948 m
TanzaniaLangiro10°59’33” S 34°49’26” E
Neues Leben in Litembo
October 18, 2024 in Tanzania ⋅ ⛅ 16 °C
Assistenz beim Kaiserschnitt | Auf Wanderung mit Timothy | Begrüßung mit der Machete
Ich treffe Timothy noch vor der Klinik. Alle haben gute Laune. Heute steht ein Kaiserschnitt auf dem OP-Plan. Eine 40-jährige Frau ist hochschwanger und für heute ausgezählt. Ich ziehe mich zusammen mit Timothy um. Leider gibt es keine passenden OP-Schuhe mehr für mich. Da muss ich wohl durch und steige in die einzig verbliebenen Schuhe – mit Größe 46,5 in 42. Schon in der ersten Minute tun mir die Zehen und die Ferse weh. Da Timothy aber mehrfach erwähnt hat, dass es wirklich blutig wird, lasse ich meine weißen Nike nicht an. Der OP-Saal ist um 8:00 frisch gewischt und vorbereitet. Die Patientin wird abgerufen und alle warten. Zwei junge Gynäkologen sind dabei – ein Facharzt und ein Assistenzarzt. An Timothys Stelle bin ich als 2. Assistenz eingeplant.
Als die Patientin eintrifft, möchte ich mich einwachsen, finde jedoch keine Seife. Dann kommt Timothy und erklärt mir, wie es hier läuft: Hände unter fließendem Wasser bis zu den Ellbogen, dann kippt Stephano, ein OP-Pfleger, Desinfektionsmittel über die Hände und Unterarme. Ich versuche, so gewissenhaft wie möglich, alle Stellen meiner Haut zu benetzen. Besser als nichts, denke ich. Die sterilen Handschuhe werden doppelt angezogen, weil ein paar zu dünn sind. Sie sind mit einem Pulver beschichtet. Ich habe sterile Handschuhe aus Deutschland dabei, für meine Pranken sind die hier vor Ort jedoch zu klein. Es gibt aber nur diese eine Größe. Ich ziehe meine eigenen an.
Jetzt wird die Patientin vorbereitet. Stephano setzt gekonnt die Spritze in den Wirbelkanal der Patientin auf Höhe des Beckenkamms. Als Pfleger ist es seine Aufgabe, die lange Nadel zwischen den Wirbelkörpern der Lendenwirbelsäule durchzustechen und das Anästhetikum zu spritzen. Die Ärzte bereiten ihr Besteck vor. Aus einer Kiste, in der alle möglichen Instrumente liegen, suchen sie ein Teil nach dem anderen. Steril kann das alles nicht sein. Timothy erzählt mir, dass er mir später zeigt, wie die Instrumente gereinigt werden. Ich kann mir aber schon denken, dass es nicht der Standard ist, den ich kenne.
In der Zwischenzeit spürt die Patientin vom Abdomen abwärts nichts mehr. Ein kurzer Check des Arztes mit der Klemme bestätigt das. Das OP-Feld wird mit Tüchern abgedeckt und jede Menge Jod zur Desinfektion verwendet.
Dann geht alles schnell. Ich reiche das Skalpell rüber, der Gynäkologe setzt zum Schnitt an – vom Schambein hoch zum Bauchnabel. Interessante Interpretation eines Kaiserschnitts, denke ich noch. Dann zwei kleine Inzisionen in die Gebärmutter. Jetzt wird die Gebärmutter aufgerissen. Die beiden Operateure weisen mich an, an welchen Stellen ich ziehen und reißen soll. Zu dritt ist das Loch schnell groß genug. Ein kurzer Stich in die Fruchtblase. Dann wird das Kind herausgehoben. Die Hebamme steht bereit. Der Gynäkologe legt mir das Baby in die Hand und klemmt danach die Nabelschnur ab. Der zweite Assistent durchtrennt sie und macht sich mit der Klemme daran, die Plazenta herauszuziehen. Wie eine Spaghetti rollt er die Nabelschnur um die Klemme und zieht behutsam, aber mit Kraft. Das Kind wird von der Hebamme entgegengenommen und zur Untersuchung in den Nebenraum gebracht.
Viel Fruchtwasser, gemischt mit Blut, läuft den OP-Tisch herunter. Gut, dass wir unter den Stoffkitteln weiße lange Metzgerschürzen tragen. So bleibt zumindest der Kasak und die Hose trocken.
Auch wenn klar ist, in welche Welt und vor allem in welche Verhältnisse dieses Kind geboren wird, freuen sich alle im Raum. Timothy sitzt am PC und fragt, welche Musik in Deutschland sehr populär ist. „Deutsche Musik, was junge Leute hören“. Ich verzichte auf Helene Fischer oder Ähnliches. Apache 207. Ich buchstabiere und aus den Boxen des kleinen PCs läuft im gesamten Raum „Roller“. Ich muss lachen. Als aber alle mit den Köpfen wippen, weiß ich, dass es ihnen gefällt. Da kommt man in Tansania auf die Welt, das erste, was man sieht, ist Denis, und dann ertönt auch noch „Roller“ von Apache. Wenn das Kind nicht Manfred heißen wird, dann weiß ich auch nicht…
Timothy und ich haben nach dem Kaiserschnitt schon Feierabend. Wir verabreden uns, um den Hausberg in Litembo hochzuwandern. Die Wanderung durch die Bergsiedlungen dauert ca. 1 Stunde. Auf dem Weg begegnen uns immer wieder Kinder, die winken und lachen. Nach einer halben Stunde ist klar, dass wir uns ein wenig verlaufen haben. Uns kommt ein Mann entgegen. Klein und barfuß läuft er mit einer Machete in der Hand den Weg hinunter. „Mambo!“ (was geht – Anrede an junge Leute). „Safi!“, antworten wir. Timothy fragt, wo wir wohl lang müssten. Ab hier begleitet uns der freundliche Mann mit der Machete. Magnus heißt er. Übrigens wundere ich mich immer wieder über die Vornamen hier. Allerdings, mit der Kolonialgeschichte und der Tatsache, dass Tansania immer noch im Commonwealth of Nations ist, relativiert es sich ein wenig. Es sind die kleinen Felder von Magnus, durch die wir gehen. Er baut Kartoffeln und Tomaten für den Eigenbedarf an. Kaffee und Bananen verkauft er. Auch Getreide baut er an. Seine Frau und Tochter sehen wir auch auf dem Weg nach oben. Sie säubern das Getreide und bereiten es für das Mahlen vor. Um sie herum alle Kinder, auch die der Nachbarn. Ich schaue mir an, wie sie das machen. Schwer vorzustellen, wie sie hier leben. Kein fließendes Wasser. Auch für die Pflanzen muss der Brunnen genug Wasser fördern, was zum Glück in dieser Gegend der Fall ist. Den Kindern gefällt die Handykamera so sehr, dass sie immer wieder darum bitten, sich selbst zu sehen, übersetzt Timothy. Ich krame ein paar Werthers Original aus der Tasche und verteile sie unter den Kindern. Ihnen schmecken die Süßigkeiten aus Deutschland und wir haben sichtlich Spaß beim Selfie-Schießen.
Nach einiger Zeit erreichen wir den Gipfel und ich bringe Timothy bei, die Drohne zu steuern. Er ist so stolz, dass er seine Familie per Videocall anruft und ihnen stolz die fliegende Drohne zeigt. Ich verspreche ihm, die nächsten Tage nochmal mit ihm und der Drohne loszuziehen.
Jeder Tag ist sehr besonders. Für morgen werde ich zum Fußballgucken eingeladen. Es ist Derby in Dar es Salaam. Auch wenn ich absolut kein Fußballfan bin, lasse ich mir die Gelegenheit nicht entgehen.Read more











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Macheten Magnus, der uns auf den Gipfel geführt hat
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Die Landwirtfamilie in den Bergen
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Blühender Kaffee