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- Day 8
- Monday, October 21, 2024 at 3:30 PM
- ⛅ 25 °C
- Altitude: 1,569 m
TanzaniaLitembo10°58’48” S 34°50’1” E
Wo Wasser, da Strom
October 21, 2024 in Tanzania ⋅ ⛅ 25 °C
Keine geplante OP | Besuch in der Radiologie | Blick hinter die Kulissen des Wasserkraftwerk
Wie jeden Morgen kämpfe ich mich aus meiner Moskitonetz-Zelle. Damit ich nicht mit etlichen Stichen aufwache, ist es wichtig, das Netz unter die Matratze zu stecken. Und weil der Mensch in seinen Genen neben der Augenfarbe, der Ohrform und dem einzigartigen Pheromongeruch auch die Faulheit fest verankert hat, ziehe ich es morgens nur an der Seite raus, an der ich aus dem Bett steige. Viel Platz ist dann nicht, aber ich quetsche mich mit meinem Körper so elegant durch die Lücke, dass das Netz ganz bleibt, obwohl es sich ein wenig spannt. Dabei habe ich immer Angst, doch mal ein Loch ins Netz zu reißen.
Nach dem wunderbaren Frühstück mit herrlichen Avocados und frisch gebackenem Brot geht es mit Anna und Robin in die Klinik.
Montags beginnt die Woche mit der Frühbesprechung. Die Fälle vom Wochenende werden von den Interns (Assistenzärzten) den Oberärzten vorgestellt. Dabei wird klar: Die Interns sind am Wochenende auf sich allein gestellt. Die Oberärzte fragen abwechselnd, warum welche Behandlung durchgeführt wurde. Neben mir als Famulant und den Volunteers sitzen einige Krankenpflegerinnen dabei. Mir tun die Assistenzärzte ein wenig leid. Sie werden regelrecht geprüft und sogar abgefragt zu den Themen, die ihre Behandlung der Patienten vom Wochenende betreffen. Da alles auf Englisch passiert, kann ich gut folgen und lerne auch jede Menge dazu – beginnend mit den Chirurgen, über die Gynäkologie und Innere Medizin bis hin zur Kindermedizin. Nach ca. 2 Stunden sind die Interns durch die wöchentliche Hölle durch. Jetzt erstmal Frühstück und Kaffee. Ich mache mich auf den Weg in den OP.
Als ich den OP betrete, kommt mir Timothy mit gut gelaunter Miene entgegen: „Dr. Denis! Habari! No operation for today on the schedule.“
„Nzuri! Habari!“, antworte ich. Dann wechsle ich ins Englische. Mehr Kiswahili ist noch nicht drin. Keine geplanten OPs also. Timothy wird mich anrufen, falls ein Notfall reinkommt. Ich muss schmunzeln. Fühlt sich ein bisschen an wie Hintergrunddienst.
Weil ich aber voller Tatendrang bin, mache ich mich auf den Weg zum Röntgen. Es liegt am anderen Ende des kleinen Geländes. Die Mädels haben mir erzählt, dass das Gerät sehr neu aussieht. Ich will mir selber ein Bild machen. Über einem kleinen Eingang steht groß und unübersehbar „X-RAY“. Ich gehe durch den Türbogen und werde herzlich begrüßt: „Karibu, Dr. Denis“. Ich kann und will mich nicht daran gewöhnen. Ich bin (noch) kein Arzt und auch kein Dr.. Ich fürchte, für die Zeit hier muss ich damit leben, Dr. Denis zu sein. Der MTR, der hier zuständig ist, zeigt mir stolz die Anlage. Tatsächlich ein schönes neues Röntgen, digital. Hervorragend für dieses kleine Krankenhaus. Auch einen Radiologen gibt es hier. Ihn treffe ich leider nicht an. Röntgenaufnahmen sind nicht angemeldet, sodass ich ein wenig Smalltalk mache und dann in Richtung Doctors House zurückgehe.
Zum Mittag wartet ein ganz besonderer Gaumenschmaus. Unser Huhn, das wir gestern geschenkt bekommen haben, liegt in dem Topf in der Küche. Es riecht nach Backhähnchen. Serafina hat es für uns ausgenommen und gebraten. Wirklich wunderbar!
Wir beschließen, eine kleine Wanderung zu machen und laufen in die nächste Siedlung. Es geht vom Krankenhaus steil den Berg hinunter. Immer wieder hupen hinter uns PikiPiki‘s (Motorräder), die Menschen vom Krankenhaus wegfahren. Meistens sitzen insgesamt drei Leute auf diesen Motorrädern. Junge Männer am Steuer. Alle ohne Helm. Der Staub hinter ihnen wirbelt auf, und ein leichter Geruch nach Abgasen steigt in die Nase. In der Siedlung angekommen, begrüßen uns immer wieder die vielen Kinder, die erst sehr ängstlich und schüchtern sind. Nachdem wir sie grüßen und anfangen zu lächeln, winken alle aufgeregt zurück und laufen auf uns zu. Sie geben uns die Hand oder nehmen uns am Arm. Es ist schon verrückt, aber diese Kinder sehen weiße Menschen sonst nur im Fernseher in der Dorfkneipe (es ist oftmals ein leerer Raum mit einem Fernseher, auf dem Fußball läuft, und aus zwei Boxen Musik kommt) oder es ist das erste Mal.
In der Siedlung, die Mgombe heißt, schlendern wir durch die Gassen. Die Häuser sind sehr einfach, und man kann in ihnen gerade so stehen. Die Lehmsteine sind selbstgebrannt und einfach aufeinander gestellt. Ein wenig Putz oder ähnliches verbindet die Steine, sodass alles stabil ist. Auf den Dächern liegen entweder Wellbleche oder Folien, auf denen Äste gelegt sind. Eine Region, die von der Landwirtschaft lebt.
In einigen der Häuser verkaufen die Menschen Stoffe, Werkzeuge, Öl und alle möglichen Ersatzteile für Motorräder.
Ich gehe zu einem der kleinen Läden und kaufe für uns alle Mandazi – eine Art Krapfen. Nur viel besser! Eine kleine Stärkung, um noch bis zum Abendessen durchzuhalten.
Wenn die Siedlung noch so klein ist, der Kapitalismus schafft es in die kleinste Ecke, und sei sie noch so dreckig und elendig! Fanta. Oder eher gesagt, die Coca-Cola Group. In allen möglichen Geschmacksrichtungen. Ich komme nicht drumherum, sie zu probieren. Fanta Passionfruit – noch nie gesehen. Der Geschmack ist nicht so süß wie die andere Fanta hier und wirklich unvergleichlich. Zwar sind die Getränke hier nie gekühlt (Strom ist und bleibt absolutes Luxusgut), aber bei den warmen Temperaturen um 25°C ist auch eine ungekühlte Fanta erfrischend.
Auf dem Rückweg gehen wir über die Staumauer an einem kleinen Fluss, die hier vor Jahrzehnten gebaut wurde. Die Bewohner des Ortes haben sie gemeinsam gebaut. Durch den Wasserdruck, der aufgebaut wird, wird eine Turbine angetrieben. Der Strom, der erzeugt wird, ist für das Krankenhaus überlebenswichtig. Wir entschließen uns, bis zum Turbinenhaus zu wandern. Dort wohnt auch der Werther. Es ist ein Mann im mittleren Alter. Sein Hoheitsgebiet ist die Anlage, an der wir entlang wandern. Von weitem sieht er uns und kommt aus seinem kleinen Lehmhaus. „Habari!“ begrüßt er uns. Er wirkt einsam hier mitten im Grün. Sein Haus ist das einzige, das hier steht, wenn man sich umschaut. Wir fragen, ob er uns die Turbine zeigen kann. Sein Name ist Roben. Zufrieden nickt er und führt uns an einem langen Stahlrohr entlang. Das Rohr ist so groß, dass man entspannt hindurch krabbeln könnte. Nach ca. 30 m führt es unter ein Haus, das mit einem Metalltor und einem dicken Vorhängeschloss gesichert ist. An seinem Schlüsselbund hängt ein großer Schlüssel, der uns den Weg ins Innere des Gebäudes eröffnet. Es ist laut und riecht nach Öl – Schmierfett, um genau zu sein. Damit alles in Bewegung bleibt, wird hieran nicht gespart.
Die Wasserturbine ist aus deutscher Produktion. Als ich das Schild mit dem Baujahr sehe, staune ich nicht schlecht: Baujahr 1981, aus Bayern. Läuft immer noch wie geschmiert. Weil aber auch dafür gesorgt wird. Sie hüten diese Anlage wie ihren Augapfel, sonst bleibt es hier in der Gegend ziemlich dunkel.
Wir bedanken uns herzlich bei Roben: „Asante sana!“, und begeben uns auf den Heimweg. Obwohl Christian seit 25 Jahren hierherkommt, sieht auch er die Anlage zum ersten Mal.
Wir sind begeistert von der Arbeit, die die Menschen hier leisten, um etwas für die Gemeinschaft zu tun.
Zufrieden und ein wenig erschöpft kommen wir am Doctors House an. Kurz frisch machen und dann in die Küche. Es gibt schließlich gleich Abendessen, und nach 2,5 Stunden auf den Beinen sind wir schon wieder hungrig.Read more















Traveler
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