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- Day 11
- Thursday, October 24, 2024 at 3:30 PM
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TanzaniaMapela10°58’45” S 34°49’33” E
The boss himself
October 24, 2024 in Tanzania ⋅ ☁️ 24 °C
Stromausfall im OP | Ich besorge Father Ngay einen direkten Draht in den Himmel | Cocktails im Doctors House
Heute ist mein letzter Tag im allgemein-chirurgischen OP. Der Chefarzt und Mann fürs Grobe, Dr. Freddy, hat heute wieder den Hut auf. Wie jeden Morgen beginnt die Suche nach frischer OP-Kleidung und passenden OP-Schuhen. Ich möchte nicht schon wieder die zu kleinen Crocs abbekommen und bin einige Minuten früher im OP. Diesmal werden es viel zu große, aber lieber schluffe ich ein wenig, als dass sich meine Zehen anfühlen, als stecken sie in einem Nussknacker. Die OP-Liste ist überschaubar. Aber auch heute staune ich über das breite Spektrum, welches ein einziger Chirurg hier abdeckt. Dr. Freddy operiert Hernien, Brüche aller Art und sämtliche Operationen im Bauchraum. Heute steht eine Thyreoidektomie an, die Entfernung der Schilddrüse am Hals. Das kann er also auch. In Deutschland braucht man für alles einen eigenen Facharzt, aber er ist auch einer der Wenigen, der sich an alles herantraut. An seiner Seite immer Dr. Peter (wenn ich nicht da bin, weil Dr. Peter sonst im Neben-OP schon die nächste OP vorbereitet). Zusammen mit den beiden assistiere ich bei der Entfernung der Schilddrüse. Im Präpkurs habe ich jedes Organ in der Hand gehabt. Dankenswerterweise gibt es in der medizinischen Ausbildung in Deutschland genau diese Möglichkeit. Aber das vitale, echte Organ, das frisch aus dem Patienten entnommen wurde, fühlt sich so anders an – weich und warm. Ganz anders als das ein Jahr im Formalin eingelegte Organ von den Körperspenden, das kalt und hart auf dem Tisch in der Uni landet. Auch die Blutversorgung, jedes Gefäß. Es ist viel eindrucksvoller und nachvollziehbarer. Und doch ist es gut, dass ich diesen „Aha-Moment“ erst jetzt habe, mit der nötigen Vorsicht und dem Wissen um die Verletzlichkeit der Schilddrüse.
Der Schnitt, den Dr. Freddy gemacht hat, verläuft horizontal von der einen Seite des Halses bis zur anderen. Ich stehe am Kopf und ziehe den oberen Hautlappen mit einem Haken so stramm zu mir, dass Dr. Freddy genug Platz hat, um die Arterien einzeln abzuklemmen, bevor er die Schilddrüse herausnimmt. Die Arterien sind sehr viel kleiner, als ich sie mir vorgestellt habe. Aber als eine davon nicht richtig abgeklemmt war, spritzt es im hohen Bogen aus dem OP-Feld. Der Blutstrahl schafft rund zwei Meter. Ganz schön Druck drauf. Mit dem Elektrokoagulator (einem Skalpell, das mit elektrischem Strom arbeitet) verödet Dr. Freddy die Arterie gekonnt. Da die Schilddrüse eh nicht mehr drin ist, wird diese Arterie nicht mehr benötigt. Ein kleiner Teil der Schilddrüse bleibt allerdings drin. Die Medikamente, die die Patientin sonst ihr Leben lang nehmen müsste, wären zu teuer. Da sie sich das nicht leisten kann, muss ein Teil der Schilddrüse weiterhin ihre Hormone bereitstellen. Der Rest der vergrößerten Schilddrüse landet im OP-Eimer. Beim Nähen dann der Worst Case: Der Strom fällt aus. Das Beatmungsgerät ist aus. Stephano, der OP-Pfleger, der für die Anästhesie zuständig ist, beginnt mit der manuellen Beatmung. Auch der Sauerstoffkonzentrator ist aus. Der Ambubeutel, den ich am Kopf dann übernehme, ist besser als gar nichts. Nach knapp zehn Minuten ist der Strom wieder da. Die Generatoren wurden angeschaltet. Dies passiert manuell durch die Techniker, deshalb dauert es schon mal. Absolut undenkbare Verhältnisse. Aber die Sauerstoffsättigung der Patientin fällt nie unter 70%. In Deutschland wird man bei unter 90% schon nervös. Gut, dass der Standard in Deutschland besser ist. Traurig, dass die Möglichkeiten hier beschränkt sind.
Der weitaus spannendere Fall ist ein Patient, dessen Schrauben gebrochen sind. Er hatte vor einigen Wochen einen Oberschenkelbruch. Vermutlich hat er es zu früh belastet und liegt heute wieder auf dem Tisch. Die alte Narbe ist noch nicht richtig verheilt, da wird sie schon wieder aufgeschnitten. Dr. Freddy schafft es nicht, die Teile der Schraube zu bergen, die noch im Knochen stecken. Der Patient wird sie behalten. Neue Platte, neue Löcher, neue Schrauben. So hat er sich das sicher nicht vorgestellt. Aber witzigerweise heißt der Patient mit Vornamen Goodluck. Den wird er mit der neuen Platte hoffentlich haben.
Am Mittag treffe ich Father Ngay. Er ist das Kirchenoberhaupt der Gemeinde hier in Litembo. Als er mich an seiner Tür begrüßt, steht er eher lässig da. Mit seiner Sonnenbrille und einem weißen Gewand sieht er eher aus wie ein Mafia-Boss. Im Prinzip ist er das ja auch. Zumindest gibt es in seiner „Firma“ mindestens genauso schlimme Verbrechen, denke ich. Er lädt mich in das Anwesen der Gemeinde ein. Neben der großen Kirche ist direkt das Wohnhaus angegliedert. Zusammen mit den Nonnen und den Mönchen, die hier leben, hat das Anwesen 48 Zimmer. Ich bin froh, nicht die Reinigungsfachkraft zu sein. So ein riesiges Gebäude muss gut gewartet werden. Aber dafür sorgen sie alle zusammen. Im Hinterhof steht ein wunderschöner, alter Ford-Traktor. Den will ich unbedingt mal fahren. Vielleicht klappt es ja in den nächsten Wochen.
Der Grund, warum ich eigentlich hier bin: Father Ngay bittet mich, Aufnahmen von der Kirche und dem Anwesen zu machen. Ich verstehe mich auf Anhieb mit ihm und scherze: „Bilder aus dem Himmel? Ich dachte, das schaffst du auch ohne mich und meine Drohne!“ Er lacht und sagt, dass er wichtigeres mit „dort oben“ bespricht. Sehr sympathisch, und er nimmt sich selbst nicht zu ernst. Später kommt Christian dazu, er hat einen kleinen Reparaturauftrag an einem Elektrogerät.
Als ich wieder im Doctors House bin, überlegen Robin und ich, was wir an ihrem Geburtstag so vorbereiten. Sie wird nächste Woche 20 und möchte ein wenig feiern. Jetzt nochmal 20 sein? Keine Ahnung, ob ich etwas anders gemacht hätte, aber ein paar Jahre zurückgehen wäre schon nicht verkehrt. Mit dem Wissen von heute, wenn das möglich wäre, mir blieben einige kleine und große Krisen erspart. Vielleicht wäre ich aber gerade dann nicht so, wie ich bin. Das macht uns auch aus. Jeder Verlust und jeder Gewinn bringt uns ein Stückchen weiter. Also lieber doch nicht wieder 20 sein. Glücklich mit 30 reicht mir absolut!
Wir laufen zusammen ein paar Meter zu einem kleinen Laden und holen Konyagi, den tansanischen Rum. Zurück im Doctors House versuchen wir, aus allem Möglichen, was wir finden, eine Form für Eiswürfel zu basteln. Da wir nur einen kleinen Kühlschrank mit Mini-Eisfach haben, probieren wir es mit Deckeln von der Margarine. Es hat noch nicht so gut funktioniert, aber die Richtung stimmt! Robin zermatscht etwas Mango (die gibt’s hier ohne Ende) und ich würfele Limetten. Am Ende wird es ein Cocktail mit braunem Zucker, Eiswasser, Konyagi, Mango und Limette, aufgefüllt mit Sprite. Extrem gut! So gut, dass die halbe Konyagi-Flasche am Ende des Abends leer ist und wir durch die Küche tanzen und mitsingen.
Da ich einfach auf gut Glück gemischt habe, nennt Robin den Cocktail „Dr. Denis“. Erst widerspreche ich, aber die Idee, dass, wenn ich weg bin, die Mädels immer an die Zeit mit mir hier denken werden, wenn sie den Cocktail nochmal machen, finde ich sehr nett. Darauf lasse ich mich schließlich ein. Zwar bleiben die beiden nur ein Jahr, aber schöne Erinnerungen bleiben ewig...Read more










TravelerAch ich finde den 30 jährigen Denis schon ganz okay, so wie er ist 😏😂
TravelerSchreibst du nur, weil du weißt, dass meine Mama mitliest 😂😂
TravelerIch verfolge deine Berichte von Anfang an und finde sie sehr interessant vor allen kann man mit deinen Berichten in eine ganz andere Welt abtauchen die uns eigentlich fremd ist ich finde es gut andre Länder und Menschen kennen zu lernen die du in deinen Berichten sehr gut beschreibst danke dafür werde dir auch weiterhin folgen
TravelerVielen Dank Gaby ! Es freut mich sehr, dass dir meine Berichte gefallen. Und ich kann dir versprechen: Mitte Dezember geht meine Reise weiter. Neues Land - Neue Footprints. Viel Spaß weiterhin !