• Plötzlich Vorstandsmitglied

    October 25, 2024 in Tanzania ⋅ ☀️ 24 °C

    Meeting of the Diocesan Health Board | Rechte Hand des Geschäftsführers | Urlaub in Mbamba Bay

    Der Wecker klingelt um 06:00. Für die Einheimischen beginnt um diese Uhrzeit der Tag. Wenn man jetzt nach der Uhrzeit fragen würde, wäre es 0:00. Die Menschen hier beginnen um 6 Uhr morgens, Central African Time, mit der Zeitrechnung des Tages. Und der Tag beginnt eben mit der 0.
    Aus diesem Grund ist es wichtig, als Tourist bei Verabredungen immer noch einmal nachzufragen, ob AM oder PM gemeint ist. Dann wechseln die Einheimischen in das uns bekannte Zeitsystem. Ich erinnere mich an meine Ankunft in Dar. Mein Fahrer war nicht am Flughafen. Ich hätte vielleicht konkreter sein müssen mit der Zeitangabe. Hinterher ist man immer schlauer!

    Christian und Ludwig sind ebenfalls um 6 aufgestanden. Die beiden sind nicht nur Techniker und versuchen mit ihrer ehrenamtlichen Arbeit hier, einen Platz am Rockzipfel beim lieben Gott zu ergattern. Christian ist Mitglied im Diocesan Health Board, einer Runde, die sich trifft, um strategische Dinge zu planen. Sie besprechen die Finanzen und Bedingungen der Einrichtungen. Mit dem Litembo Hospital betreibt die katholische Diözese hier 13 Einrichtungen. Davon sind drei Krankenhäuser, die anderen Einrichtungen sind Dispensaries, also kleine Einrichtungen, die eine medizinische Grundversorgung sicherstellen.

    Um 7:00 sind wir mit Father Raphael verabredet. Er ist der Geschäftsführer des Litembo Hospitals. Er fährt uns nach Mbinga. Dort in dem Kloster findet das Meeting statt. Auch eine Delegation aus Würzburg ist da. Das sind vor allem Geldgeber, die überprüfen, ob das Geld auch dort ankommt, wo es gebraucht wird. Und auch ein brasilianischer Bischof soll dabei sein. Hochrangige Gäste aus Würzburg, darunter der Domkapitular. Was auch immer das sein soll. Ich wurde von Father Raphael eingeladen, dabei zu sein.
    Nach knapp einer Stunde Fahrt durch das bergige Tansania und einige Beinahe-Unfälle später sitze ich in einem Sitzungsraum. Nur wichtige Leute, vor mir ein Schnellhefter mit allen Zahlen und Daten zu den medizinischen Einrichtungen. Ich sehe lauter interne Daten. Dann kommen die wichtigen Leute. Der brasilianische Bischof ist tatsächlich hier. Ein regelrechter Popstar, habe ich das Gefühl. Aber die Überraschung ist dann doch groß, als ich sehe, dass es ein deutscher, alter, weißer Mann ist. Wer hätte das gedacht?
    Es folgen 4 Stunden Vorträge und Berichte zu den Finanzen, der Einrichtung und Ausstattung und auch ein Impulsvortrag zur gesetzlichen Krankenversicherung, die die Regierung hier versucht zu etablieren. Die kurze Zusammenfassung ist folgende: Seitdem private Investoren mitmischen dürfen und Krankenhäuser betreiben, ist die kostendeckende Versicherung nach und nach so umgebaut worden, dass es immer mehr Fallpauschalen gibt. Das erhöht den Kostendruck auf die Einrichtungen, hält aber die Ausgaben für die Versicherer konstant. DRG (so wie wir sie in Deutschland haben) incoming. Ein System, das zum Scheitern verurteilt ist. Konsens der gesamten Runde ist, dass der Druck auf die Regierung steigen muss, damit das Gesundheitssystem besser wird. Ich bekomme auch eine Ahnung davon, was im Süden Tansanias passieren würde, wenn es die katholische Kirche hier nicht gäbe. Es würden eine Menge Menschen sterben. Jeden Tag. Auch wenn es meine Sicht auf die katholische Kirche in Deutschland nicht rehabilitiert, die Menschen brauchen diese Institution hier. Medizinische Versorgung wäre sonst undenkbar.

    Eine für mich interessante andere Sache ist aber viel schöner. Der brasilianische Bischof stellt ein Projekt aus Brasilien vor. In seiner Diözese gibt es seit 5 Jahren ein Schiff, das zu einem schwimmenden Krankenhaus umgebaut wurde. Dieses fährt auf dem Amazonas in die ärmsten Gegenden, legt an verschiedenen Stellen an und versorgt die Menschen medizinisch. In 5 Jahren haben sie so 500.000 Menschen behandelt. Ich suche Blickkontakt zum Bischof, tue sehr interessiert und stelle Nachfragen. Später lerne ich ihn persönlich kennen und erwähne, dass ich durchaus noch eine Famulatur machen muss … auf dem Amazonas wäre das mehr als ein Abenteuer. Der Kontakt steht! Man muss sich manchmal eben nur trauen, die vermeintlich wichtigen und großen Fische anzusprechen. Wer weiß, ob’s am Ende klappt.

    Nach dem Meeting gibt es ein obligatorisches Buffet. Father Raphael ist sichtlich zufrieden. Auch wenn ich kaum Ahnung von den Finanzen eines Krankenhauses habe. Manchmal ist es gut, wenn Menschen mit einem unvoreingenommenen Blick auf die Probleme schauen. Und vielleicht konnte ich mit der ein oder anderen Frage die 35 anwesenden Mitglieder auf eine neue Idee bringen. So schnell landet man im Vorstand einer Klinik. Und das sogar ohne feinen Anzug.

    Die Sonne hat den Zenit längst überschritten und scheint mir hemmungslos auf den Nacken. Ich laufe aus der Klosteranlage zur Hauptstraße. Mein Ziel ist der geschäftige Busbahnhof in Mbinga. Es sind von hier zwar nur 2 km, aber bei der Mittagshitze kommt Laufen nicht in Frage. Schließlich will ich nicht, dass meine Hose durchnässt. Mein Rucksack ist auch nicht gerade leicht. Es ist Freitag, und ich habe nicht vor, noch einmal vor Sonntag ins Litembo Hospital zurückzukehren.
    Ich hebe meinen Arm, als ich ein Bajaji in der Ferne sehe. Der Fahrer sieht mich und hält. Zunächst versteht er eher mich nicht, aber das Zauberwort ist „Schillingi“. Weiße Fahrgäste sind nämlich sehr willkommen. Der Preis ist stabil doppelt so hoch wie bei den Einheimischen. Für umgerechnet 20 Cent fahre ich also die zwei Kilometer mit dem motorisierten Dreirad. Den Busbahnhof kenne ich noch von meiner Ankunft aus Songea. Hier hat die Weiterfahrt nach Litembo traumhaft geklappt. Menschen rennen umher, Tiere und jede Menge Pakete werden umgeschlagen und einfach auf die Busse verteilt. Mir kann aber niemand so recht weiterhelfen. Ich werde die ganze Zeit zu den Ticket Offices verwiesen. Mein Ziel ist Mbamba Bay. Besser gesagt, die Bio Camp Lodge dort. Am Ticket Office versteht mich leider niemand. Englisch ist und bleibt in dieser Region ein Problem. Ich bemühe meinen Google Übersetzer und schaffe es, herauszufinden, wann und vor allem wo der Bus abfährt. Die Fahrt dauert 2,5 Stunden und natürlich bin ich wieder die Sensation der Nation mit meiner weißen Haut. Vor allem für die Schulkinder, die immer wieder einen Teil der Strecke mitfahren. Die Sonne geht mittlerweile unter, und ich hoffe, dass ich noch rechtzeitig in der Lodge ankomme. Denn diese Lodge ist wirklich besonders. Alles, was dort verzehrt wird, kommt von heimischen Bauern oder wird von den Mitarbeitenden selbst angebaut. Der Preis pro Nacht: 65€. Dafür aber exklusiver Service und Einblick in das Leben am Lake Nyassa. Die nächsten drei Tage sind Urlaub pur! Gebucht habe ich ein Bungalow direkt am Strand.

    Als ich in Mbamba Bay ankomme, muss ich noch ca. 15 Minuten mit einem BodaBoda fahren. 5000 Schilling wollte der Fahrer. Mittlerweile ist mein Kiswahili so gut, dass ich auf 4000 runterhandeln kann. Ich sehe mich ab jetzt als eine Art Native Speaker.
    An der Bio Camp Lodge angekommen, werde ich bereits erwartet. Die Sonne ist mittlerweile untergegangen und Alfred, der Mitarbeiter des Camps, begrüßt mich. Wenn ich gewusst hätte, was mich jetzt erwartet, hätte ich das kurze Schwarze angezogen… Unglaublich, was hier für mich auf die Beine gestellt wurde…
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