• Lazy Sunday

    November 3, 2024 in Tanzania ⋅ 🌙 21 °C

    Gottes Glocken in unserem Ohr | PikiPiki nach Litembo | Nachricht vom Bischof | Ausruhen für die neue Woche

    Pünktlich um 7 Uhr schrecken wir in unserem Hostelzimmer auf – es ist Sonntag. In der benachbarten Kirche läuten die Glocken, viel zu laut und viel zu nah an unserem Zimmer. Die Fenster halten nicht einmal den warmen Wind zurück, der über die Stadt weht. Wir haben ordentlich gefeiert, und eine fettige Papiertüte auf dem Schreibtisch verrät, dass es auf dem Heimweg noch einen Mitternachtssnack gab. Alle sind ein wenig gerädert, aber es hält sich im Rahmen. Wo gehobelt wird, da fallen Späne. Der ursprüngliche Plan: Um 9 Uhr wollen wir am Busstand in Mbinga Town nach einem Auto suchen, das uns bis nach Litembo mitnimmt. Doch dann wussten wir noch nicht, dass uns die Glocken des Herrn fast auf den Mond befördern würden.

    Für die Menschen hier ist das der Ruf zum Gottesdienst. Anders als in Deutschland sind die Kirchen sonntags so voll, dass viele sogar vor der offenen Tür stehen und am Gottesdienst teilnehmen. Wir hören jedes Detail und jeden Gesang in einer Lautstärke, die uns erstaunt. Schließlich beschließen wir, früher aufzubrechen, weil wir bei diesem Lärm kein Auge mehr zu bekommen. Als wir unsere Sachen gepackt haben und das Hostel verlassen, sehen wir an der Kirche, dass außen große Lautsprecher angebracht sind. Alles, was drinnen gepredigt und gesungen wird, wird nach draußen übertragen – aber viel zu laut! Wahrscheinlich, damit die Leute, die keinen Platz in der Kirche gefunden haben, auch alles mitbekommen. Wir lachen und wissen jetzt, dass eine Übernachtung in diesem Hostel an einem Samstagabend keine gute Idee war.
    Wir halten die ersten beiden PikiPiki-Fahrer an, die wir sehen. Schnell wird klar, dass das Umsteigen am Busstand uns zu anstrengend ist. Also handeln wir den Preis aus, um direkt bis nach Litembo zu fahren. Da es Anna nicht so gut geht, fährt sie alleine. Robin und ich quetschen uns auf das zweite Motorrad. Eigentlich sind diese Motorräder für zwei Personen gebaut. Die dritte Person (in diesem Fall ich) sitzt auf dem Metallgepäckträger. Jede Bodenwelle überträgt sich direkt auf mein Becken. Eins zu eins. Von meiner Wirbelsäule hoch und mein Kopf wird wie ein Basketball hin- und hergeschleudert. Aber man ist ja nur einmal jung, wird schon nicht so schlimm werden. Den Rekord, den ich selber gesehen habe, waren vier Erwachsene und ein Säugling, der auf der Brust des Fahrers gebunden war. Da sind wir zu dritt doch harmlos.
    Die Fahrt geht durch die wunderschöne Landschaft nach Litembo. Die Wege bestehen aus Lehm, Steinen und Sand und winden sich die Hügel und Berge hinauf. Mal geht es rauf, mal ein Stück runter. Am Wegesrand wachsen Bananen- und Kaffeepflanzen. Es ist traumhaft, durch diese Landschaft zu fahren und einfach in die Ferne zu blicken. Die Sonne und Wolken wechseln sich ab und sorgen für ein angenehmes Fahrklima. Doch mit jedem Schlagloch merke ich den Anstrengungsgrad und von Minute zu Minute wird es immer schwieriger. Augen zu und durch.
    Nach einer Stunde erreichen wir Litembo. Wir bedanken uns, zahlen den ausgemachten Preis und machen uns auf den Weg zum DoctorsHouse. Heute entscheiden wir uns, „PolePole“ zu machen – langsam, langsam. Ab auf die Couch und bereit für ein kleines Schläfchen.
    Da es noch hell ist, machen wir einen Spaziergang durch Litembo. Die kleinen Wege führen uns durch einige Kaffeeplantagen und ins Tal. Es ist anstrengend, aber auch wohltuend. Bei jedem Schritt merke ich, dass ich eine Stunde lang auf dem Metallgitter des PikiPiki gesessen habe. Jeder Schritt erinnert mich an die zahlreichen Schlaglöcher und Steine, über die wir mit dem PikiPiki „geflogen“ sind. Aber diese halbe Stunde Spaziergang ist Gold wert.
    Zum Abendessen sind wir so fit, dass wir uns anschließend noch zusammensetzen und den Schrank mit den Spielen begutachten. Eine Runde Ligretto schadet nicht. Es wird wohl ein schöner, langer Spieleabend. Morgen geht es auf eine neue Station. Ich werde die Ärztinnen in der Inneren Medizin begleiten und freue mich auf die neue Woche. Doch ich bleibe nicht allzu lange wach.

    Als ich mich ins Bett legen will, sehe ich eine WhatsApp-Nachricht aufploppen. Es ist der brasilianische Bischof aus Óbidos, Brasilien. Er ist mit seiner Delegation in Malawi, also quasi „um die Ecke“ hier. In einer zweiminütigen Sprachnachricht bedankt er sich für den Austausch in der letzten Woche und für mein Interesse an dem Krankenhaus-Schiff in Brasilien, das seine Diözese dort finanziert. Er lädt mich ein, ihn in Malawi zu besuchen, falls ich es nächste Woche schaffe. Scheinbar habe ich trotz meiner kritischen Fragen einen guten Eindruck hinterlassen. Das ist natürlich spannend, also werde ich morgen noch mal meinen Reiseplan durchsehen. Eine solche Erfahrung wäre es auf jeden Fall wert.
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