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  • Day 34

    Von Aegiali bis Kalotaritissa

    September 22, 2020 in Greece ⋅ ☀️ 24 °C

    Wieder werden wir von Hähnen und Maultieren geweckt. Da Jogi wieder fit zu sein scheint, nehme ich ihn mit auf Joggingtour. Nach dem Frühstück beraten und planen wir den weiteren Verlauf unserer Tour, und Norbert durchforstet systematisch das Internet, um die weitere Route festzulegen, weil wegen der Nachsaison die ursprünglichen Reisepläne erst einmal geändert werden müssen.
    Am frühen Nachmittag fahren wir zunächst einmal zum 21 km entfernten Hafenort im Norden Aegiali, ein kleiner Hafenort, der sich nachsaisonbedingt völlig verschlafen zeigt. Am Strand liegen eine Handvoll Leute, auch in den zahlreichen, netten Tavernen sind jeweils nur wenige Kunden auszumachen, wohl auch aufgrund des immer noch kräftig pustenden Windes. Wir lassen uns in einer kleinen Strandbar auf einen Eiskaffee bzw. ein Bierchen nieder. Anschließend wollen wir das Wrack des 1980 auf Grund gelaufenen Schiffes Olympia im äußersten Südwesten der Insel ansteuern, berühmt geworden - wie der Strand von Agia Anna- durch Luc Bessons Film „The Big Blue“/ Im Rausch der Tiefe.
    Der Weg dorthin - einmal die Insel in ihrer ganzen Länge querend - führt uns wieder über unzählige Serpentinen, meist entlang der Bergrücken, mächtige, eindrucksvoll steil abfallende Felsmassive, die ins Meer zu stürzen scheinen, karg und abweisend auf der Seeseite, durch unzählige Steinmauern terrassiert auf der anderen - wieviele Generationen müssen hier Steine gesammelt und aufgeschichtet haben? Doch scheint ein Großteil dieser Terrassen nicht mehr für den Anbau genutzt zu werden, lediglich im Süden der Insel wird offenbar noch intensiv Landwirtschaft betrieben. In den anderen Regionen haben die Ziegenherden ihr Reich, die überall grasen, oft auch am Straßenrand. Nachdem wir noch einmal die wuchtigen Flanken des mit 841 m höchsten Berges Krikelos bewundert haben, wollen wir an einer Bergkuppe die Aussicht genießen und fotografieren. Norbert lässt in dieser Einsamkeit auch Jogi heraus - ohne Leine, hier ist ja niemand - denkste! Jogi hält einen Augenblick inne und schießt dann, wie von der Tarantel gestochen los, springt über die Kuppe und jagt wie ein Blitz hinter ein paar Ziegen her. Binnen Sekunden ist er verschwunden, obwohl wir das Gelände, nur Felsbrocken, Disteln und pieksige Macchiapolster, Hunderte von Metern einsehen können. Wir rufen und pfeifen, ohne Reaktion, hören anfangs noch irgendwo in der Ferne ein verstärktes Bimmeln der Ziegenglöckchen und ein kurzes Jaulen, dann nichts mehr. Wir laufen suchend und tief besorgt das Gelände ab, ich klettere durch das unwegsame Gelände über die andere Bergkuppe, um dort zu suchen - kein Jogi in Sicht. Gebrochenes Bein, Schlangenbiss - was geht einem in dem Moment durch den Kopf! Über eine halbe Stunde vergeht und plötzlich taucht Jogi, hechelnd und völlig außer Atem, wieder auf, als sei sein Ausflug das Normalste der Welt. Wie er es durch das unwegsame Gelände geschafft hat, in diesem Tempo hinter den Ziegen herzuflitzen, ist uns schleierhaft! Aber wir sind einfach nur glücklich, dass er - wie immer bisher, wenn er seinen Lauf- und Jagdtriller bekommen hat - wieder zurückgefunden hat! Für den Rest des Tages ist er erst einmal ruhig gestellt.
    Wir fahren anschließend weiter entlang endloser Serpentinen zu der Bucht im äußersten Südwesten der Insel. Gerade noch rechtzeitig erblicke ich das unter uns liegende Wrack. Von der Straße führt ein schmaler Trampelpfad zur Bucht, die nun gerade langsam im Schatten „versinkt“. So sind wir ein paar Minuten zu spät - der Verzögerung durch Jogis Ausflug geschuldet. Dennoch ist der Anblick bewegend und auch ohne Sonnenlicht ein Fotomotiv wert. Auf dem Rückweg können wir den Sonnenuntergang mit immer neuen Variationen der im Dunst nur silhouettenhaft erkennbaren Inselwelt genießen. Noch gerade vor Einbruch der Dunkelheit erreichen wir den Campingplatz.
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