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  • Day 129

    Pan Pan im Sturm und Abschleppmanöver

    November 2, 2023 in Spain ⋅ 🌬 22 °C

    Am Montag den 30.10. wollten wir uns erstmal von der zweitägigen Überfahrt erholen und etwas Aufräumen. Nach solchen Nachtfahrten ist es meist eher unordentlich an Bord, Decken und Rettungswesten liegen herum, Geschirr muß weggespült werden, und der nächtliche Verzehr von Süßgebäck hinterlässt üblicherweise reichlich Brösel am Boden... Dann setzten wir mit dem Dinghi gemütlich zum kleinen Ort Il Castello über. Dort besahen wir uns das Angebot spanischer Supermärkte und kauften leckeren einheimischen Käse und auch von der bekannten menorcinischen Wurst Carnixulla.
    Auch Dienstag und Mittwoch verliefen noch relativ normal. Uwe tauchte 1,5 Stunden mit Gerät und Saugnapf, um das Unterwasserschiff von Schleim, Algen und einigen Seepocken zu befreien. Viel war’s nicht, und wir sind nach knapp 6 Monaten noch vom Effekt des Coppercoats begeistert. Danach war Uwe ziemlich erschöpft und schlief erstmal eineinhalb Stunden. Uwe machte das Boot in diesen 2 Tagen auch noch „sturmfest“, indem er u.a. das Bimini abbaute und das Kajak zusammenfaltete. Es war ja für Donnerstag sehr starker Wind vorhergesagt.
    Dienstag Abend waren wir auf den Nachbarkatamaran von Mario, der uns Tags zuvor gerettet hatte (wir waren beim Ankommen Montag morgens schon gleich auf einer Untiefe, die so nicht in der Karte verzeichnet war, etwas aufgelaufen, und Mario hatte uns mit vereinten Kräften mit dem Dinghi freigezogen) und Frau eingeladen. Es gab einheimischen Käse, Bier, Wein und rohen Schinken, diesen vom ganzen Stück gesäbelt. Trotz leichter Sprachbarrieren (die Gattin ist Brasilianerin) wurde es ein unterhaltsamer und informativer Abend. Besondere Freude hatten wir an deren Papagei 🦜 „Venus“, der gern von der Schulter - auch von Uwe - alles im Blick behielt und mit Zwischenrufen und italienischen Wörtern kommentierte.
    Doch nach dem Ausschlafen am Donnerstag Morgen und dem Frühstück bahnte sich die Misere an: der Wind blies immer kräftiger, bis 35 ktn und zwar auflandig, und kam direkt vom Eingang der Bucht, wodurch wir uns gestern noch problemlos hätten aus dem Staub machen können…. Verpasste Chance. Uwe hatte noch am Vortag über einen Wechsel des Ankerplatzes nachgedacht, da auch bei „Navily“ einige Segler von schlammigen Komponenten des Untergrundes geschrieben hatten.
    Bisher hatte unser Anker jedoch solchen Winden immer gut standgehalten, also hatten wir noch Vertrauen. Auch hatte unser Nachbar Mario die Sicherheit der Bucht „Cala teulera“, die er seit Jahren als sichere Zuflucht kenne, sehr gelobt.
    Uns schwante schließlich größeres Unheil, als dieser unser Nachbar, der einen 70 kg (!) Anker benutzt, plötzlich Richtung Ufer abdriftete. Uwe brachte noch zusätzlich unseren Zweitanker aus, jedoch gelang es nicht, ihn in der gewünschten Position zu platzieren. Bei Wind über 40 ktn empfiehlt es sich, mit den Motoren gegen den Wind anzufahren, um den Anker zu entlasten. Bis 42 ktn sollte der Wind maximal noch zunehmen.
    Da ging es plötzlich auch mit uns nach hinten Richtung Ufer los!! Unser Anker war geslippt, trotz 65 m Kette! Durch ein jetzt zusätzlich sich verstärkendes Motorproblem der Steuerbordmaschine gelang es Uwe aber nun nicht mehr, nach vorne zu fahren, um den Anker zu lichten und neu zu positionieren. Lieber also den Anker schlecht drin gelassen als gar keinen Anker mehr im Boden….
    Wir trieben nun zu allem Überfluss auf ein verwaistes kleineres Boot vor Anker zu, und es kam zum Zusammenstoß. Zuerst schabte nur dessen Bugkorb hässlich an der Vitila, später rieb sich das Schiff längsseits an uns, verhinderte aber so letztendlich unser totales Auflaufen auf Land…. Unser Boot bewegte sich immerhin die ganze Zeit noch, saß also noch nicht komplett fest, obwohl das Ufer aus den Augenwinkeln betrachtet erschreckend näher kam.
    Da hatte ich aber schon einen Pan-Pan Notfunkruf abgesetzt und dringend um Abschlepphilfe nachgesucht. Es blieb uns nichts Anderes übrig, um unser Boot zu retten. Gefahr für unser Leib und Leben bestand nicht, obwohl wir bei dem Starkwind auf Deck bei allen Aktionen natürlich ganz schön herumgebeutelt wurden…mit Rettungswesten versteht sich.
    30 Minuten können zur Ewigkeit werden!! Uwe vollbrachte eine Meisterleistung darin, mit e i n e m Motor unser Boot stabil an dem kleinen Boot seitwärts in Position zu halten, ohne dass es völlig querschlug oder auf die Felsen gehoben wurde. Er vertäute beide Boote sogar vorübergehend miteinander. Einem abgerutschten Fender sprang er noch mittendrin mit voller Bekleidung hinterher, rutschte infolgedessen kurz danach mit nassen Füßen auch noch aus und stürzte die Treppe vom Cockpit hinunter. Es ging glimpflich ab.
    Endlich wurde das Rettungschiff am Eingang zur Bucht sichtbar. Wir waren sowas von erleichtert! Es kam näher, und unheimlich dicke, vertraueneinflößende Leinen wurden zur Befestigung mit Hilfe einer „Affenfaust“ herübergeworfen. Es lief alles zügig, freundlich und professionell ab. Wegen des Wind- und Motorlärms erfolgten Absprachen und Anweisungen weiterhin teilweise über Funk. Wo hatte ich das Handfunkgerät nun gerade wieder hingelegt! Ah, da war es ja…
    Als das kräftige rote Rettungsboot anzog, musste Uwe die Ankerleine des kleinen Bootes leider durchschneiden, da sie sich unter unserem Rumpf verfangen hatte. Möglicherweise wäre sonst beim Start unser Ruder oder Saildrive abgerissen oder zumindest schwer beschädigt worden.
    Wir ließen uns von den Rettungskräften wegen der Motorprobleme gleich komplett bis in den Hafen von Mahón schleppen. Kurz vor dem Hafen nahm uns der Schlepper längsseits und bugsierte uns an einen Steg, wo uns die Retter gleich einen Platz bestellt hatten. Man tauschte noch Daten und das Protokoll mit dem Rettungsboot aus und verabschiedete sich herzlich. Voller Stolz brachte der Kaptain dabei einige deutsche Sätze zur Anwendung…
    Dort im Hafen von Mahón liegen wir jetzt noch und fühlen uns sicher. Der Sturm ist inzwischen Geschichte. Morgen kommt ein Spezialist, um unsere Gelcoatschäden zu begutachten. Ersatzteile für die Motorkupplung wurden schon bestellt. Der „Nautic Service“ hier scheint eine gute Firma zu sein.
    Am Ruder ist wohl nicht viel passiert, Uwe hat es schnorchlerisch - so weit es im trüben Hafenwasser möglich war - schon in Augenschein genommen. Das kleine Boot des Spaniers liegt noch gestrandet in der „Cala teulera“ , was ich jetzt mal frei Schnauze als „Teufelsbucht“ übersetze und so auch in Erinnerung behalten werde. Morgen soll ein neuer Versuch gemacht werden, das Boot des Spaniers wieder flott zu bekommen. Uwe hat seine Hilfe angeboten. Wir hoffen, in 5 Tagen weiterzukommen.
    Inzwischen genießen wir die Annehmlichkeiten dieser schönen spanischen Stadt, welche am zweitgrößten (oder größten?) und damit sehr sicheren Naturhafen Europas liegt. Gestern haben wir sogar zu unserer großen Freude noch Restkarten für das klassische Herbstkonzert des bekannten Teatro Prinzipal hier ergattert.
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