• Überfahrt in die Karibik, Tag 9

    February 6, 2024, Nordatlantik ⋅ 🌬 23 °C

    Etmal: 123 sm, Wind 5 - 6 Bft, sonnig, 24°C, zurückgelegt 1.123 sm, geplant noch 1.845 sm

    Es wäre doch schön, wenn alles mal funktionieren würde. Wobei wir uns nicht beklagen wollen, bis auf etwas Wasser in der Backbordbilge hat die letzten Tage alles ganz gut funktioniert. Diese Nacht ist aber wieder mal Trouble angesagt.
    Kurz vor vier ruft mich Doris aus dem Bett, ich soll schnell hochkommen, der Wind hat wieder auf einmal stark gedreht. Ich rasch aus dem Bett gekrabbelt und die Brille aufgesetzt - man lernt ja dazu - bekomme ich aber gleich einen Anraunzer, wo ich denn so lange bleibe, das Segel würde kaputt gehen….
    Rasche Winddreher von bis zu 48° lassen das Segel immer wieder einfallen und stark zur Seite schlagen. Das Boot dann manuell steuern bei diesen starken Ausschlägen und ohne Orientierung im Dunkeln außer den Sternen (der Mond geht erst später auf) muss auch erstmal gelernt sein.
    Ich versuche immer wieder mal den Autopiloten zu starten, aber leider vergebens, er macht gar nichts. Keinen Mucks gibt er mehr von sich, und unser Boot dreht immer wieder seitlich weg. Den Autopiloten komplett resetten traue ich mich nicht, denn wenn dann alle Anzeigen ausfallen sind wir vollkommen orientierungslos. Soll das von Hand Kurbeln jetzt 2 Stunden so weitergehen, bis es immerhin hell wird? Es gib nur eine Möglichkeit: das Segel muss runter. Dazu muss Doris jetzt ans Steuer. Sie hat aber in solchen Situationen noch nie vor dem Rad gesessen und erst recht nicht in stockdunkler Nacht. Sie traut sich, ich sitze erst 10 Minuten neben ihr und weise sie ein so gut es geht unter diesen Bedingungen. Immerhin habe ich inzwischen T-Shirt und Jacke an, Doris hat sie mir hochgebracht, und ich bin zwischen zwei Kurbelaktionen irgendwie hineingeschlüpft. Die nackten Beine läßt mich mein Adrenalinschub gar nicht erst zu Bewußtsein kommen.
    Nach einer Viertelstunde hat sie es drauf und ich lasse sie im Cockpit alleine, verbunden aber über die rasch aktivierten Headsets.
    Der Wind bläst mit 15 Ktn. im Moment moderat. Ich bereite alles vor für den Segelfall, und dann geht es auf mein Kommando los. Von der Schot und dem Niederhalter auf der Backbordseite gelöst flattert das Levante nun ziemlich haltlos. Jetzt muß alles schnell gehen! Rasch eile ich nach vorne und ziehe mit Hilfe der Bergeleine, die ich vorher griffbereit am Mast vorbereitet habe, den sogenannten Sniffer mit dem Bergeschlauch über das dünne Riesentuch. Dieser aufblasbare stabile aber nicht kantige Ring am Eingang des Bergeschlauches (Doris nennt ihn immer liebevoll „Donut“ ) ist wirklich eine gute Erfindung von Oxley, er rutscht gut über das aufgebauschte weggedrehte Segel.
    Doris kann es am Ende kaum fassen, wie schnell das dann doch gegangen ist. Nun erst mal alle Leinen sortiert und das Segel in der Kiste verstaut. Anschließend startet Doris die Motoren. Jetzt kommt der Moment, in dem ich den Autopilot resette und siehe da, er funktioniert wieder! Die Windanzeige ist währenddessen aktiv geblieben, das ist gut zu wissen, falls dieser Fall wieder mal eintritt.
    Den Ausfall des Piloten kann ich mir nur so erklären: Bei starken Winddrehern versucht er natürlich, diese schnellstmöglich auszugleichen, bekommt aber sehr hohen Gegendruck durch das Ruder, worauf ihn eine Sicherheitsschaltung aussteigen lässt um Schäden in der Mechanik zu vermeiden. Beim nächsten Mal weiß ich, dass ich den Autopilot auch in der Nacht ersetzen kann. Wieder etwas dazu gelernt. Dazu macht man ja diese Fahrt 😉.
    Der restliche Tag verläuft ruhig mit der inzwischen eingespielten Bordroutine. Die Genua lassen wir den ganzen Tag gesetzt, da wir immer wieder Böen bis 22 Ktn. bekommen. Wir haben keine Lust bei dieser Windstärke das Drama von heute Morgen nochmal zu erleben. Die See hat sich inzwischen auch mehr aufgebaut. Ab und zu krachen die Wellen ordentlich an das Unterdeck, dass es nur so scheppert.
    Read more