Ich habe lange mit mir gerungen, ob ich mir die Minen anschauen soll oder nicht. Sie sind bekannt als eine der gefährlichsten Minen der Welt, die jährlich hunderte leben fordert (bei meinem Besuch sind bereits 5 Männer ums Leben gekommen). Außerdem sind die Arbeitsbedingungen so schlecht, dass die Lebenserwartung bei 50 Jahren liegt.
Dennoch arbeiten die Männer in den Minen, da man verhältnismäßig viel (ca. 200 Euro im Monat, wenn man Mineralien findet) verdient.
Wenn ein Mann in der Mine stirbt, übernimmt meist der ältest Sohn die Arbeit, um die Familie zu ernähren. Kinderarbeit ist zwar offiziell in Bolivien verboten, aber es kontrolliert niemand, wer dort arbeitet.
Am Ende habe ich mich dazu entschieden, es mir anzuschauen, um nochmal eine andere Seite kennen zu lernen. Es war schlimm.
Die Männer sind bedrückt und tragen eine Hoffnungslosigkeit, die nach außen strahlt. Dazu sind sie dünn und kauen ununterbrochen Kokablätter, um weniger Hunger zu haben, wacher zu sein und mehr Energie zu haben. Auch wir bringen die Arbeitern als Geschenk Kokablätter mit.
Wir beginnen die Tour mit einem Besuch bei el Tio. Der Gott (bzw. Teufel) der über die Minen und die Mineralien wacht. Um ihn wohlwollend zu stimmen, bringt man ihm Kokablätter, Alkohol (95%) und Zigaretten mit. Man gibt ihm ein bisschen Alkohol und trinkt einen kleinen Schluck und bittet um gute Erträge.
El Tio ist mit den Spaniern gekommen, als diese die indigene Bevölkerung versklavten, sagten sie den sehr abergläubischen Menschen, dass sie Teufel (Dios - Götter) ausgesetzt hätten, damit diese die Arbeit überwachen können. Da im Quechua kein „d“ existiert, wurde aus Dios Tios und aus Tios El Tio (span. Onkel).
Zusätzlich zu El Tio gibt es noch Pachamama, die Mutter Erde. Im Glauben der Leute, sind El Tio und Pachamama verheiratet und die Kinder, die sie zeugen sind die Materialien, die aus dem Berg kommen. Um Pachamama nicht eifersüchtig zu machen, dürfen die Ehefrauen der Minenarbeiter die Minen nicht betreten.
Nach dem Besuch bei El Tio geht’s tiefer rein. Immer mal wieder müssen wir aus dem Weg springen, da ein vollgeladener Wagen von 2 Männern an uns vorbeigeschoben wird.
Je tiefer wir kommen, desto schlechter wird die Luft. Ganz unten sind um die 37 Grad und es gibt keine Luftzirkulation.
Uns kommen immer mal wieder Arbeiter entgegen, darunter auch Kinder. Hier werden Löcher in den Fels gebohrt, mit Dynamit gefüllt und in die Luft gesprengt. Wir hören ab und zu die Explosionen. Danach wird alles in die Wagen verladen und nach draußen gebracht.
Mittlerweile ist fast kein Silber mehr übrig, jetzt wird vor allem Blei, Zinn und Zink produziert. Da es in Bolivien keine Technologie zur Weiterverarbeitung gibt, werden ausschließlich Rohmaterialien weiterverkauft. Die Wertschöpfung beginnt also erst wesentlich später.
Lange wird es nicht mehr dauern bis alles aufgebraucht ist, dann wird es um Potosí geschehen sein.Läs mer