• Sonne satt und Harfenspiel

    20. oktober 2024, Frankrike ⋅ ☁️ 18 °C

    Heute können wir uns kaum vom Frühstückstisch losreißen, weil alles um uns herum in der Sonne leuchtet. In den Wäldern sind wieder die Jäger mit Hunden unterwegs, in der Ferne schimmern bläulich die Gipfel der Fendouilledes. Wir nehmen per Video am Gottesdienst unserer Gemeinde teil - schön, mit den Glaubensgeschwistern auch in der Ferne verbunden zu sein - und faulenzem dann weiter in der Sonne. Bei meiner Morgenrunde durch die Weinfelder mache ich eine Pause am Brunnenhäuschen und beobachte die Kröten, die sich auf dem Rand des Wasserbeckens sonnen. Libellen fliegen umher, die geben Blätter der Platanen leuchten in der Sonne. Als ich aufstehe um weitergehen, springen die Kröten fast gleichzeitig ins Wasser. Einen Moment lang sehe ich ihre gestreckten Körper durch die Luft fliegen, dann platschen sie ins Wasser. Sie erinnern mich an den Start der Schwimmer bei Olympia.
    An späten Mittag fahren wir ins Nachbardörfchen Caunes- Minervois. Die Straßen sind von Platanen gesäumt. An einem Plätzchen plätschert ein italienisch anmutender Brunnen. Durch enge Gassen gelangen wir zu einer Abtei. Die Besichtigung ist heute ohne Eintritt möglich, weil im Kreuzgang Winzer aus der Region ihre Weine anbieten.... Und das in einer Abtei, wo Andreas die benedektinische Ordensregel " ora et Laura" an der Wand entdeckt. Aber, so denke ich, in jeder Flasche Wein steckt auch jede Menge Arbeit und dann passt die Ordensregel doch wieder... Ich entdecke einen Ausstellungsraum, in dem abgebrochene Ornamente aus der Kirchenfassade auagestellt sind, darunter ein schöner Bacchus-Kopf und eine Figurengruppe, die ich als Vater, der seine zwei Söhne segnet, interpretiere - vielleicht Isaac mit seinen Söhnen Jakob und Esau?
    Ich entdecke im. Kreuzgang einen Hinweis auf ein Harfenkonzert, das gleich in der Kirche stattfinden soll. Durch die Krypta gelangen Andreas und ich dorthin und haben noch Zeit in der eher romanischen Kirche mit barocker Ausstattung zu fotografieren, bevor das Konzert beginnt. Die Harfenistin singt wehmütige Chansons zur Harfe
    Die Akkustik ist so hallIg, dass wir nicht herausfinden, ob sie gälisch, französisch oder okzitanisch singt. Sanft perlen die Harfentöne durch den Kirchemraum begleitend zu ihrer weichen Stimme. Ich beobachte, wie das Sonnenlicht durch die bunten Kirchenfenster fällt und bunte Muster auf die Mauern malt. Mein unruhiges Herz wird still und ich muss an David denken, der für den depressiven König Saul auf der Harfe spielte und ihn so aufmuntertw.
    Zurück im Sonnenlicht gönnen wir uns Kaffee auf dem Plätzchen mit dem Brunnen. Es ist sogar noch Kuchen vom Dessert mittags da. Warum ich zwei Stückchen Aprikosetarte bekomme und alle anderen um uns herum nur eins, erschließt sich mir nicht, wahrscheinlich meint es der Wirt besonders gut mit mir.
    Zurück am Häuschen, drehe ich noch eine Runde im letzten Abendlicht. Ein Reh springt mit eleganten Sätzen davon, die Landschaft ist in rosafarbenes Licht getaucht. In der Ferne leuchten blau die Berge, scharf gezeichnet im Abendrot. Eine Glocke läutet und ich muss an den Beginn eines Gedichts von Georg Trakl denken: " Am Abend, wenn die Glocken Frieden läuten , folgt ich der Vögel wundervollen Flügen..."
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