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  • Mitten durch die Wüste

    November 22, 2020 in Sudan ⋅ ☀️ 26 °C

    Heute morgen bin ich (aus Versehen durch den Wecker) um 6 Uhr aufgewacht - pünktlich zum Sonnenaufgang! Was für ein Naturschauspiel! Der Wüstensand wird in goldenes Licht getaucht, die Sonne steigt langsam über der Wüste auf, einfach wunderschön! Hier heißt es: tief einatmen und genießen :) Ich bin einfach glücklich und dankbar, dies erleben zu dürfen! Mehr brauche ich nicht.

    Dann packe ich meinen Schlafsack zusammen und räume mein Zelt aus inklusive meiner kleinen Luftmatratze und der Schlafmatte, die wir gestellt bekommen. Um 7.30 Uhr gibt es ein herrliches Frühstück mit Eieromelette, Grapefruit, Joghurt, Fladenbrot, Ziegenkäse und einer arabischen Spezialität (helva, wie ich von Jane lerne), die mir total gut schmeckt. Mit Khalid unternehmen wir einen kurzen Spaziergang und entdecken einen Skarabäus. In alten Zeiten ein heiliges Tier, das häufig mit der Sonne gezeigt wurde („Ra“).

    Gegen 8.30 Uhr brechen wir auf in die Wüste - die Western Desert. Wir fahren durch das endlose Nichts - und doch gibt es hier viel zu sehen! Sanddünen, die der Wind geformt hat, Basaltfelsen als Überbleibsel ehemaliger Vulkane, Akazienbäume, kleine bodennahe Pflanzen, die der Ausgangspunkt von Dünen sind, wie uns Khalid erklärt. Immer wieder wechseln die Landschaften, mal ist es ganz flach, mal hügeliger.

    Mit unseren beiden Geländewagen kurven wir hier durch im wahrsten Sinne des Wortes! Eine Piste ist nicht erkennbar. Es macht bestimmt Spaß, ohne Beachtung irgendwelcher Verkehrsregeln einfach seinem eigenen Weg ohne erkennbare Straße zu folgen! Die Geschwindigkeit wird nur von der Bodenbeschaffenheit und Leistungsfähigkeit des Allradwagens bestimmt. Ich genieße es sehr von meinem Beifahrersitz! Vor uns fährt der Wagen mit Khalid. Das sieht einfach toll aus, wie dieses einzige Auto weit und breit durch die Wüstenlandschaft fährt! Ab und zu sehen wir Kamele (eigentlich Dromedare mit einem Höcker) 🐪 meist ohne Reiter.

    Dann begegnet uns ein Reiter auf einem Kamel mit einem weiteren Kamel im Schlepptau. Wir erfahren, dass er seit 5 Uhr morgen unterwegs ist und bisher ca. 35 km zurückgelegt hat. Er hat Vorräte eingekauft. Voraussichtlich wird er noch bis 23 Uhr unterwegs sein, um nach Hause zu gelangen. Ein langer Tag! Er ist ein älterer freundlich aussehender Mann mit nur noch wenigen Zähnen im Mund. Die Kamele werden unruhig, daher zieht der Mann weiter - er hat ja noch viele Stunden vor sich bis in die Nacht hinein. Es ist erstaunlich, wie sich diese Wüstenmenschen orientieren. Khalid erklärt mir, natürlich folgt er der Sonne oder nachts den Sternen - diese Menschen hätten jedoch keinerlei Angst sich zu verirren, sie reiten gemächlich ihres Weges in dem festen Wissen, irgendwann zu Hause anzukommen.

    Gegen 13 Uhr kommen wir bei dem einzigen Schatten spendenden Baum weit und breit an. Gibt es hier GPS für Bäume? Ich bin wieder total erstaunt, wie unser erster Fahrer Amir diesen Baum gefunden hat. Klar, die kennen sich hier aus. Und er hat natürlich GPS. Dennoch bin ich beeindruckt!

    Unter diesem wunderbaren Baum wird unser Mittagstisch aufgebaut. Es gibt wieder mal eine große Vielfalt zu essen - und das mitten in der Wüste! Was für eine tolle Stimmung, ich empfinde tiefes Glück. Ich erinnere mich an die Safaris, bei denen wir ähnliche Plätze aufgesucht haben.

    Wie aus dem Nichts kommt plötzlich ein einzelner älterer Mann vom Horizont hergelaufen. Er wird von unserer Crew freundlich empfangen und bekommt auch etwas zu essen. Außerdem geben sie ihm zwei große leere Wasserkanister mit, die können diese Nomaden hier gut gebrauchen. Ich kaufe dem Mann kleine Muscheln ab, es ist mir ein Bedürfnis, auch etwas zu geben und eine Erinnerung an diese schöne Begegnung zu behalten. Mit einem großen breiten Lächeln bedankt er sich. Khalid sagt zu mir, schau, dieses große Lächeln ist sein Geschenk an Dich. Ich freue mich - Kommunikation ohne Worte.

    Dann bricht der Mann wieder auf mit seinem ruhigen stetigen Gang in die Wüste in Richtung seines Dorfes. Langsam sehe ich ihn dahinziehen. Hier scheint das Leben ganz ohne Eile, jedoch stetig vorwärts zu gehen in seinem eigenen beständigen Rhythmus und einem täglich wiederkehrenden Zyklus. Alles strahlt eine gewisse Ruhe aus, die auf mich faszinierend wirkt.

    Dann brechen auch wir wieder auf von diesem schönen Platz und fahren weiter durch die Wüste. Wir kommen an einem Brunnen vorbei, der aus einem tiefen Loch im Boden besteht, umrandet von Autoreifen, abgedeckt von einer mit Steinen beschwerten Plastikplane. Wow, mitten im Sand Wasser, das das Überleben der Menschen hier sichert. Jetzt wird auch klar, warum wir vorhin jemanden aus der Ferne hier laufen sahen. Eine Frau hatte Wasser geholt. Ja, die Menschen hier laufen täglich viele Kilometer, um in dieser unwirtlichen Gegend überleben zu können.

    Hier in der Gegend verläuft auch der Wadi al Milk. Die Wadis waren vor langer Zeit Flüsse, sind jedoch seit langem ausgetrocknet und vom Test der Wüste nur aufgrund ihrer Form ähnlichceines Flussbetts zu erkennen. Der Wadi al Milk ist einer der größten wadis.

    Gegen 16.30 Uhr kommen wir an unserem Übernachtungsplatz in den Dünen an. Wieder mal eine fantastische location! Vor einer großen Sanddüne platzieren wir unsere Zelte. Am zweiten Tag schaffe ich meinen Zeltaufbau ganz alleine - juhu! 💪 Ich sitze bis Einbruch der Dunkelheit am Rande der Düne um zu schreiben. Dann gibt es wieder ein reichhaltiges Abendessen mit Fleisch, frischen Pommes, sudanesischem Salat und Gemüse. Wir unterhalten uns noch und genießen den nächtlichen Sternenhimmel. Mars, Saturn und Jupiter sind zu sehen und auch Orion, Kassiopeia und die Pleiaden.

    Da die Nacht früh hereinbricht und das „Unterhaltungsprogramm“ hier nachts begrenzt ist (haha!), verschwinden wir alle früh in unsere Zelte. Ich schreibe noch ein bisschen mit Stirnlampe im Zelt, dann mache ich es mir in meinem neuen Schlafsack gemütlich. Gute Nacht! 😴
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