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  • Dongola und Umgebung

    November 24, 2020 in Sudan ⋅ ☀️ 28 °C

    Ein erneut fantastischer Sonnenaufgang über der Wüste! Ich bin jedesmal von neuem fasziniert und genieße es daher sogar, um 6 Uhr aufzustehen;)! Nach der inzwischen zur schönen Gewohnheit gewordenen „Katzenwäsche“ an unseren drei Blechschalen und einem leckeren Frühstück in der Morgensonne brechen wir zum nahegelegenen Dorf auf.

    Das erste Mal nach zwei Tagen sehen wir wieder menschliche feste Behausungen;) ! Sie sind aus Lehm von Hand errichtet. Schicht für Schicht wurden die kleinen Häuser und Ställe aufgebaut, man erkennt die einzelnen Schichten gut anhand horizontaler Linien. Die Dächer bestehen aus Palmwedeln. Türen und Fenster wurden teilweise kunstvoll bemalt. Es gibt auch einige Brunnen.

    Leider wurde das Dorf offenbar vor kurzem verlassen. Khalid kann auch nicht erklären, wann und warum, da wir ja die einzigen Touristen in dieser Saison sind und er auch länger nicht hier war. Ich finde es dennoch interessant zu sehen, wie Menschen hier leben.

    Dann fahren wir weiter zur Stadt Dongola, wo unsere Crew die Vorräte auffüllen möchte. Dongola ist die bedeutendste Stadt nördlich von Khartoum mit rund 200.000 Einwohnern. Wir haben hier „leisure time“ zum Erkunden des quirligen Marktlebens. An diesem Tag habe ich ein T-Shirt mit sehr kurzen Ärmeln an. Da fühle ich mich etwas unwohl angesichts all der Frauen mit langen Gewändern und Kopftüchern. Ich schlinge also das schöne Tuch um Kopf und Schultern, das mir Birgit zum Geburtstag geschenkt hat. Jetzt fühle ich mich „richtig“ angezogen :).

    Es ist wirklich viel los in den staubigen Straßen! Tuktuks, Autos, Menschen überall. Spezielle Fußgängerüberwege gibt es keine, wie Khalid uns erklärt, da heißt es einfach aufpassen beim Überqueren. Verkehrsregeln sind für uns Westeuropäer nicht erkennbar;). Es ist ein großer Straßenmarkt, überall wird etwas verkauft - Spielzeug, Teppiche, Obst und Gemüse aller Art, Gewürze, Haushaltsgegenstände undundund...

    Fotografieren ist generell schwierig hier, vor allem Frauen. Ich wage es daher nicht, einfach so drauflos zu „knipsen“ auf der Straße. Brita und ich bleiben jedoch immer wieder stehen und fragen einzelne Verkäufer oder Mütter mit ihren Kindern, ob wir sie fotografieren dürfen. Brita ist generell sehr an Menschen und ihrer Lebensweise interessiert. Mit ihrem Charme schafft sie es häufig, schöne Porträtaufnahmen zu ergattern. Die Menschen hier sind erstaunlich offen und schenken uns auch auf unsere Nachfrage häufig ein Lächeln. Ich war diesbezüglich vorher unsicher, da ich aufgrund der islamisch geprägten Kultur größere Zurückhaltung bei den Menschen erwartet hatte. Meine Zweifel waren unbegründet, wie sich hier hieraus stellt!

    Die Männer posieren meist gerne hinter oder neben ihren Ständen. Mir gelingt eine unerwartete Aufnahme an einem Gemüsestand. Ich möchte den Verkäufer mit seinen bunten Früchten fotografieren. Als ich das Foto später anschaue, entdecke ich im Hintergrund eine Frau, die offen in die Kamera lächelt. Darüber bin ich glücklich, da dies selten vorkommt und daher etwas Besonderes ist, wie Khalid bestätigt.

    An einem Stand bekommen wir leckeren Kaffee mit Ingwer und Tee mit frischer Minze. Davor hatte ich süße orientalische Gebäckstücke gekauft - ich möchte soviel wie möglich probieren!

    Dann biegen wir wieder in die Wüste ab. Wir machen Mittagspause an einem wunderschönen Platz im Sand mit vereinzelten Büschen, kleinen Bäumen und Palmen. Als wir dort sitzen, kommen zwei junge Frauen vorbei, eine trägt ein kleines Kind im Arm. Ich finde es immer wieder erstaunlich, woher Menschen in dieser Wüstengegend ohne erkennbare Straßen oder Wege, einfach querfeldein, kommen! Wir fahren in die goldene Abendsonne hinein und kommen schließlich an unserem Übernachtungsplatz zwischen Granitfelsen und Sanddünen an. Beim Zeltaufbau sind wir inzwischen recht flink!

    Nach dem wie immer reichhaltigen Abendessen unterhalten Jane und ich uns noch mit Khalid. Er erzählt sehr interessant und anschaulich von seinem Privatleben in einer Art Großfamilie mit seinem Bruder mit insgesamt 8 Kindern und all den damit einhergehenden Herausforderungen. Und er erzählt auch davon, wie sich das politische System im Sudan seit Ende der 80er Jahre verändert hat und viele soziale Errungenschaften zunichte gemacht wurden bzw. sich Rahmenbedingungen für die allgemeine Bevölkerung verschlechtert haben. Beispielsweise wurde das öffentliche Schulwesen stark vernachlässigt, so dass eine enorme Kluft zwischen der Qualität der privaten und öffentlichen Schulen entstanden ist. Auch er schickt - sozusagen gezwungenermaßen - seine Kinder in die Privatschule.

    Wie die meisten Menschen hier - und unsere ganze Crew - ist Khalid Muslim und folgt den Regeln, die Teil des Islam sind. Dazu gehört z.B. das tägliche Gebet. Khalid erklärt uns, dass die Regeln nicht streng befolgt werden müssen, sondern entsprechend der Bedürfnislage angepasst werden können. Für jemanden wie ihn, der unterwegs ist, können z.B. die fünf täglichen Gebete auf zwei reduziert werden.

    Die Unterhaltungen mit Khalid sind immer sehr interessant. Er ist sehr gebildet, kennt sich in Geschichte und Politik gut aus. Außerdem ist er ein äußerst angenehmer und empathischer Mensch, der viel über das Leben und die Menschen nachdenkt. Darüber hinaus ist er ja Künstler. Immer wieder malt er für uns etwas zur Erklärung und Veranschaulichung in den Sand wie zum Beispiel Wandmalereien oder auch Landkarten, um den aktuellen Standort zu erklären. Wir profitieren also in vielerlei Hinsicht!
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